Ecken, Kanten und viele Pixel: Mit dem Ioniq 5 bietet Hyundai ein E-Auto an, das sich vom optischen Einheitsbrei abhebt. Seine Akkus können Strom nicht nur speichern, sondern auch abgeben.
Dass Autos nicht bloß tuckern, sondern auch surren, hat sich inzwischen herumgesprochen. Doch selbst unter Elektroautos gibt es Modelle, nach denen sich die Leute noch umdrehen: Beim Hyundai Ioniq 5 fallen neben allerlei Ecken und Kanten vor allem die pixelförmigen Vorder- und Rücklichter auf. Sie setzen sich aus leuchtenden Quadraten zusammen. „Abkehr von aktuellen Designnormen" nennt das der Hersteller. Man könnte es aber auch als Spielerei bezeichnen. Oder als Ufo, das gerade gelandet ist.
Mit dem „Kona" hat Hyundai bereits seit 2018 einen elektrischen SUV im Angebot, der durch eine hohe Reichweite und einen geringen Verbrauch besticht. Mit dem Ioniq 5 macht sich der südkoreanische Hersteller nun also selbst Konkurrenz. Das neue Modell ist größer und kann deutlich schneller laden als sein Vorgänger. Bei Verbrauch und Reichweite schneidet der Neuling jedoch schlechter ab. Lohnt es sich also, auf den futuristischen Flitzer umzusteigen? Oder fährt man mit dem bewährten und günstigeren Kona vielleicht sogar besser?
Ein Scheibenwischer hinten wäre hilfreich
Zunächst der Blick ins Innere. Zwei nebeneinander angeordnete Zwölf-Zoll-Bildschirme bilden das Cockpit – ein Anblick, der an ein Snowboard erinnert. Aber gut, man gewöhnt sich an alles. Sogar an den „Schalthebel", der sich neben dem Lenkrad befindet. Und an den Tacho, der nicht etwa rund dargestellt wird, sondern als lang gezogene Röhre. Warp-Antrieb, wir kommen!
Doch selbst in einem Raumschiff gibt es noch Knöpfe – zum Glück! Anders als etwa Tesla verzichtet Hyundai nicht darauf, die wichtigsten Funktionen (Navi, Radio, Lautstärke) mit einem Handgriff zugänglich zu machen. Umständliches Hantieren auf dem Touchscreen während der Fahrt entfällt dadurch. Sogar die Navi-Karte lässt sich per Zoom-Hebel vergrößern und verkleinern.
Die Testfahrt führt von Bonn bis an die Ostsee und wieder zurück, insgesamt mehr als 1.400 Kilometer. Doch schon nach der Hälfte der Strecke wird klar, wo die Stärken und Schwächen des futuristischen Klotzes liegen. So etwa der Abbiegeassistent, der ein Live-Bild des toten Winkels ins Cockpit einblendet, sobald man den Blinker setzt. Ebenfalls vorbildlich: die Spracherkennung. Selbst umgangssprachliche Befehle („Ich möchte nach Köln fahren") versteht der Bordcomputer ohne Probleme. Ebenso Fragen nach dem Wetter oder nach der nächsten Raststätte.
Schade nur, dass der Ioniq 5 immer noch keine automatischen Ladestopps berechnet. Zwar warnt das Navi, wenn ein Ziel mit einer Akku-Ladung nicht erreicht werden kann. Wo man unterwegs laden soll, verrät es allerdings nicht. Da hilft nur ein Griff zum Handy. Ebenfalls ärgerlich: der nicht vorhandene Heckscheibenwischer. Angeblich soll die Luftströmung dafür sorgen, dass die Scheibe frei bleibt – ein frommer Wunsch. Schon nach wenigen Kilometern auf der winterlichen Autobahn klebt eine Regen-Streusalz-Kruste auf dem Glas.
In nur 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent
Apropos Winter: Der Ioniq 5 ist in vier verschiedenen Varianten erhältlich. Sie unterscheiden sich in ihrer Akku-Größe und in ihrer Antriebsart. Wer viel bei Matsch und Schnee unterwegs ist, dürfte am Allradantrieb Gefallen finden. Allerdings sinkt dadurch die Reichweite.
Der von Hyundai zur Verfügung gestellte Testwagen ist die Variante mit Heckantrieb und großem Akku. 481 Kilometer soll man mit einer Ladung kommen – fünf Kilometer weniger als beim Vorgängermodell, dem Kona. In der winterlichen Realität erreicht der Ioniq 5 diese Werte aber nicht einmal ansatzweise. Selbst bei einer gemächlichen Fahrweise (120 km/h) gerät er schon nach 250 Kilometern an seine Grenzen. Der Verbrauch liegt deutlich über 20 Kilowatt, was im Vergleich mit anderen SUVs keinen schlechten Wert darstellt. Der Hyundai Kona schneidet trotzdem besser ab; er kommt auf durchschnittlich unter 15 Kilowatt.
Beim Blick auf die Stromrechnung sind solche Werte doppelt ärgerlich, denn der Ioniq 5 verbraucht nicht nur mehr, sondern hat auch noch einen größeren Akku als sein Vorgänger. Es wird also teurer. Ein wenig hinkt der Vergleich natürlich trotzdem, weil der Ioniq 5 insgesamt ein größeres und damit familientauglicheres Auto ist. Zumal er seinen Energiedurst an der Schnellladesäule gut kompensieren kann: Mit einem sagenhaften Tempo von 220 Kilowatt füllt er seine Reserven auf. Oder anders gesagt: in nur 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent. Im Sommer mag dieser Wert stimmen, im Winter dauert es mit durchgefrorenem Akku dann aber doch fast eine halbe Stunde.
Den aufgenommenen Strom kann der Ioniq 5 nicht nur speichern, sondern auch abgeben – „bidirektionales Laden" heißt das in der Fachsprache. Nur ganz wenige E-Autos können das bislang. So befindet sich unter der Rückbank eine Steckdose, in die man vom Laptop bis zum Wasserkocher so ziemlich jedes elektrische Gerät einstöpseln kann. Auch von außen lassen sich Elektrogeräte mithilfe eines Adapters anstecken, selbst wenn das Auto ausgeschaltet ist. So wird der Pkw zum Wohnwagen.
Solardach kostet 1.500 Euro Aufpreis
Im größeren Stil wird diese Funktion noch wichtiger: Wer über eine Photovoltaik-Anlage verfügt, kann seinen Strom tagsüber selbst produzieren, im Auto speichern und nachts damit das eigene Haus versorgen. Noch gibt es in Deutschland dazu viele technische und bürokratische Hürden. Andere Städte, zum Beispiel das niederländische Utrecht, experimentieren aber bereits im großen Stil mit bidirektionalem Laden. Dort sollen E-Autos künftig sogar Schwankungen im städtischen Stromnetz ausgleichen.
Was aber, wenn keine Ladestation in Sicht ist? Gegen diese Urangst der E-Mobilität hilft der Ioniq 5 mit einem Solardach weiter. Strom für bis zu 2.000 Kilometer sollen die Solarzellen pro Jahr unter Idealbedingungen produzieren. Ob’s stimmt, muss in diesem Bericht leider offen bleiben, da der Testwagen nicht über diese Zusatzausstattung verfügte. In jedem Fall ist der Spaß nicht billig: Das Solardach lässt sich nur in Zusammenhang mit dem teuersten Ausstattungspaket (53.750 Euro) buchen. Und selbst dann kostet es 1.500 Euro Aufpreis. Fast genauso teuer (1.100 Euro Aufpreis) sind die sogenannten Relax-Sitze. Diese lassen sich nicht nur weit zurückklappen, sondern verfügen auch über eine ausklappbare Beinauflage. Macht die Ladepause damit Spaß? Keine Frage. Ist der Unterschied zu normalen Sitzen so groß, dass man mehr als tausend Euro dafür bezahlen sollte? Eher nicht.
Unterm Strich ist der Ioniq 5 ein überzeugendes Elektroauto, das sich vom Einheitsbrei abhebt und viele Funktionen mit Zukunftspotenzial bietet. Nur der vergleichsweise hohe Verbrauch mindert die Freude. Für Sparfüchse, die mit weniger Extras und einem kleineren Kofferraum zufrieden sind, ist der ältere Kona daher noch immer die bessere Wahl.