Früher gab es das Galaxy Note für Stiftfreunde und das Galaxy Ultra für Kamerafreunde. Aber früher ist vorbei. Das neue Galaxy S22 Ultra vereint beide in einem Modell. Eine gute Idee?
Ist da jetzt eben eine Kanadagans oder ein Kranich am Himmel vorbeigezogen? Ein Zoom ins Foto zeigt: Kann man nicht so gut erkennen. Wobei wir beim „Problemchen" eines der spannendsten Smartphones dieses Jahres wären. Denn während Samsungs Galaxy S22 Ultra eigentlich ein rundum gelungenes Gerät ist, schwächelt ausgerechnet die Kamerasoftware ein wenig. Doch dazu später mehr.
Zunächst die Eckdaten: Ein massiver Aluminiumrahmen mit angenehm runden Kanten, vorne und hinten Glas. Fühlt sich gut an, liegt gut in der Hand und ist stabil. Außerdem sieht das neue Design mit den fünf einzelnen runden Linsen in der Rückseite eleganter aus als der große Kamerablock des Vorgängers. Kameras gibt es insgesamt fünf: Vier auf der Rückseite, eine vorne. 108 Megapixel (MP) für die Hauptkamera, 10 MP für die Zehnfach- und die Dreifach-Zoomkamera, 12 MP für die Weitwinkelkamera. Die Selfiekamera hat eine Auflösung von 40 MP.
Im Inneren des Ultra stecken Samsungs Chipsatz Exynos 2.200 mit acht Kernen, bis zu ein Terabyte Speicher und – je nach Modell – acht oder zwölf Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher. Dazu gibt es ein 6,8 Zoll großes Amoled-Display. Es ist an den Seiten leicht gekrümmt und mit 1.750 Nits maximaler Helligkeit sehr leuchtstark. Mit dem 5.000 Milliamperestunden fassenden Akku ist das Ultra ein echter Dauerläufer. Bei gelegentlicher Nutzung ohne viel Social Media und Spiele kommt es locker auf zwei bis drei Tage Stand-by. Kopfhörer und Netzteil liegen nicht mehr in der Packung – aus Umweltgründen sagt Samsung. Dafür neu: der Bedienstift S-Pen. Er steckt unten links im Gehäuse des Telefons.
Und hier beginnt das S22 Ultra, sich von seinen Vorgängern und den kleineren Modellen der S22-Serie abzuheben. Mit dem Stift verleibt es sich auch die Organizer-Fähigkeiten ein, die bisher der Galaxy-Note-Reihe vorbehalten waren. Denn der Stift bietet viele Möglichkeiten: vom handlichen Notizblock mit Handschrifterkennung bis zum Zeichnen oder der dezenten Fernauslösung der Kamera. Besonders fein: Schreibt man auf dem Display, gibt es eine Art audiohaptisches Feedback. Es klingt wirklich so – und fühlt sich auch ein wenig so an – als würde man auf Papier schreiben. Kurz: Wer die Galaxy Notes bisher mochte, wird auch das S22 Ultra mögen.
Im Alltag schlägt sich das Note so, wie es sich für ein Smartphone zum Startpreis von aktuell knapp 1.300 Euro gehört. Sieht gut aus, läuft fix, läuft lange. In Sachen Komfort hat Samsung einen Schritt nach vorne gemacht. Der Fingerabdrucksensor sitzt nun endlich so, dass man ihn bequem mit dem Daumen erreicht. Das helle Display lässt sich auch bei Sonnenlicht sehr gut ablesen.
Auch die Kamera macht zunächst richtig Spaß. Schon seit dem S20 Ultra ist die Kombination aus vier Kameras leistungsstark und ziemlich vielseitig. Von Standfotos bis hin zu hochauflösenden Videos und Spezialmodi wie einer Kombination aus Fotos und Videos der unterschiedlichen Kameras (Single Take) funktioniert alles gut. Wer viel mit Video arbeitet, wird die Regiefunktion lieben: Hier lässt sich beim Filmen zwischen den einzelnen Zoomstufen und Linsen wechseln.
Unerwartetes Bildrauschen
Aufnahmen bei Tag gelingen scharf, farbig und lebendig. Bei wenig Licht spielt das Ultra seine Stärke aus. Die Kombination aus Linsen, Sensoren und Software sorgt für detailreiche Bilder auch bei schwacher Beleuchtung. Die mechanische Stabilisierung der Kameras verhindert dabei allzu große Verwackler. Bleibt man in niedrigen Zoomstufen, braucht man kein Stativ.
Apropos Zoom: Bis zu 100-fache Vergrößerung kann das Ultra mit einer Kombination aus optischem und digitalem Zoom liefern. In der Praxis bleibt man dabei aber besser unterhalb von Zoomfaktor 30, darüber wird es wirklich arg krümelig. Da hat sich seit dem S20 Ultra gefühlt nur wenig verändert. Ein wenig Jammern auf hohem Niveau muss aber auch sein. Zoomt man in die Aufnahmen rein, erkennt man gelegentlich ziemlich starke Eingriffe der Kamerasoftware. Im Ergebnis sorgt das für teils verwaschene Details und Bildrauschen an unerwarteten Stellen. Andere Samsungs, namentlich der Vorgänger S21 Ultra oder das kürzlich vorgestellte S21 5G FE, schnitten in diesem Punkt in einem Test der Fachzeitschrift „Chip" leicht besser ab.
Früher war die Frage: Note oder Galaxy? Die stellt sich nicht mehr. Das S22 Ultra vereint die Kamera- und Organizer-Eigenschaften beider Modelle sinnvoll in einem Gerät. Ein neues Note wird damit überflüssig. Und auch sonst ist das S22 Ultra so ziemlich die Spitze dessen, was aktuell im Android-Spitzensegment gut und teuer ist. Was aber nicht heißt, dass es konkurrenzlos ist. Oppos Find X5 Pro (ab circa 1.270 Euro) zum Beispiel kommt dem Ultra in Sachen Leistung und Fotoqualität nah, ohne dessen dezidierte Zoomkameras, dafür aber mit elegantem Keramikgehäuse. Auch Googles Pixel 6 Pro (rund 800 bis 1.280 Euro) ist ein fähiger Mitbewerber und muss sich bei der Bildqualität nicht verstecken. Die Kombination aus viel Leistung, toller Kamera und Stift gibt es aber momentan nur bei Samsung.
Abgesehen vom subjektiv schöneren Design und dem S-Pen ist der Fortschritt im Vergleich zum Vorgänger S21 Ultra (ab circa 900 Euro) aber gering und im Alltag eigentlich kaum zu spüren. Auch den Stift gäbe es gegen Aufpreis einzeln, allein der passende Stauraum im Telefon fehlt. Wer es lieber neu, runder und mit integriertem Stift mag, muss fürs S22 Ultra mit 128 GB internem Speicher und acht GB Arbeitsspeicher knapp 1.250 Euro in die Hand nehmen. Hier sind aber hundert Euro mehr gut angelegt: Für 1.350 Euro gibt es mit 256 und zwölf GB ein runderes Gerät.