Hunderte von Kilometern über uns kreisen zahlreiche Satelliten um die Erde, von denen jeder seine eigene Aufgabe hat. Einige sammeln Daten zur Umwelt. Die helfen gerade in Zeiten des Klimawandels, in der Landwirtschaft rechtzeitig umzusteuern oder bedrohte Küstenregionen zu schützen.
Spannende Tage waren das für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Bereich Fernerkundung und Geoinformatik am Potsdamer Geoforschungszentrum GFZ. Denn nach jahrelanger Vorbereitung konnte am 1. April 2022 der Umweltsatellit EnMAP (Abkürzung für Environmental Mapping and Analysis Program) in seine Umlaufbahn in 650 Kilometern Höhe gebracht werden. An Bord einer Falcon-9-Rakete, die vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida startete.
Unter der wissenschaftlichen Leitung des GFZ soll der Hyperspektralsatellit mit den Abmessungen eines großen Kleiderschranks nun in den kommenden Jahren regelmäßig spektral hoch aufgelöste Bilder aufnehmen. Das sei auch das Besondere von EnMAP, erklärt Dr. Saskia Förster vom Geoforschungszentrum in Potsdam. Der Satellit trägt nämlich ein sogenanntes Hyperspektralinstrument, das die von der Erdoberfläche zurückgeworfene Sonnenstrahlung in mehr als 240 Farben erfassen kann. Vom sichtbaren Licht bis hin zum kurzwelligen Infrarotbereich reicht die Bandbreite der aufgefangenen Lichtstrahlung, die so entstehenden Aufnahmen sollen Aussagen über die stoffliche Zusammensetzung beispielsweise in Böden oder auch bei Pflanzen geben können. Und das mindestens für die nächsten fünf Jahre, so lang ist die durchschnittliche „Lebensdauer" von Satelliten.
Liefert Informationen in Krisensituationen
Durch die aufwendig entwickelte Technik hoffe man, viel schneller Aufschluss darüber zu erhalten, ob sich Pflanzen, beispielsweise in Wäldern oder auch auf landwirtschaftlich genutzten Flächen im Stress befänden, erklärt Dr. Saskia Förster. Die Veränderung des Wassergehalts ändere sich durch klimatische Schwankungen, bei länger anhaltender Trockenheit etwa, aber auch der Nährstoffgehalt und die Zusammensetzung der Nährstoffe ebenso wie die Blattpigmente. All das frühzeitig zu erkennen, biete die Chance, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das gelte auch für mit Schadstoffen belastete Böden. Hier stelle sich die Frage, welche Pflanzen dort wachsen könnten und wie es um ihre Versorgung mit Nährstoffen stehe.
Denkbar seien aber auch andere Anwendungsbereiche der von EnMAP gewonnenen Daten. Wisse man besser über die mineralogische Zusammensetzung in bestimmten Gebieten Bescheid, könne das auch der Lagerstättenerkundung dienen. Und im Falle von Umweltkatastrophen wie Tankerunglücken oder Schlammlawinen helfe der Blick aus dem All auch dabei, die Situation schneller einordnen und Hilfsmaßnahmen einleiten zu können.
Vom Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen wird nun der Umweltsatellit auf seiner Bahn um die Erde kontrolliert, und die gesendeten Daten werden allen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die meisten Interessenten würden wohl wissenschaftliche Einrichtungen auf der ganzen Welt sein, mutmaßt Dr. Saskia Förster vom Geoforschungszentrum in Potsdam. Doch auch Firmen – beispielsweise aus den Bereichen Landwirtschaft oder Umweltschutz – könnten zukünftig auf die durch EnMAP gesammelten Daten zurückgreifen.
Neu ist es nicht, dass die Europäer – im Fall von EnMAP die Deutschen – Satelliten zur Umweltbeobachtung ins All schicken. 2014 ließ die Europäische Raumfahrtagentur Esa den Satelliten Sentinel-1A durch eine Sojus-Trägerrakete vom französischen Weltraumbahnhof Kourou starten. Er war der erste einer ganzen „Flotte" von „Wächter-Satelliten", die im Rahmen des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus den aktuellen Zustand des blauen Planeten kontinuierlich erfassen und Fernerkundungsdaten über Ozeane, Landoberflächen, Atmosphäre und Klimawandel sammeln sollten. Mittlerweile sind bereits eine ganze Reihe dieser Sentinel-Satelliten im Einsatz – 2020 brachte eine Rakete von einer Airbase in Kalifornien aus den von Airbus gebauten Ozeanbeobachtungssatelliten Copernicus Sentinel-6 auf seine Umlaufbahn in rund 1.300 Kilometern Höhe. Bis zu sieben Jahre lang wird er aus dem All die Ozeanoberfläche kartieren, aber auch Daten zum Meeresspiegelanstieg sowie zur Ozeanzirkulation sammeln. Außerdem geht es um die Beobachtung von Temperatur und Feuchtigkeit in der Erdatmosphäre. Die Ergebnisse der Mission werden Regierungen und Einrichtungen helfen, unter anderem rechtzeitige Schutzmaßnahmen für Küstenregionen zu treffen, sagt Philippe Pham, Leiter des Bereichs Earth Observation, Navigation and Science bei Airbus. Dabei gehe es beispielsweise um Stadtplanung, um den Bau beziehungsweise die Ertüchtigung von Deichen oder die Sicherung von Gebäuden. Schließlich steige der globale Meeresspiegel derzeit als Folge der globalen Erderwärmung um etwa 3,3 Millimeter pro Jahr – mit möglicherweise dramatischen Folgen für Länder mit dicht besiedelten Küstenregionen.
Satellit Merlin für Methanmessung
Mit den Sentinel-Satelliten und dem jetzt in Betrieb genommenen EnMAP sind die Programme zur Umweltbeobachtung aus dem All aber noch längst nicht abgeschlossen. So soll 2027 beispielsweise die deutsch-französische Klimamission Merlin starten. Der gleichnamige Satellit wird aus einer Höhe von rund 500 Kilometern das Treibhausgas in der Atmosphäre aufspüren und den Gehalt messen. Und das mithilfe einer speziellen Technik namens Lidar. Die Abkürzung meint „Light Detection und Ranging" und steht für eine Lasertechnik, die bereits in einigen Apple-Produkten als Sensor zum Einsatz kommt, aber genauso eine wichtige Rolle bei „selbstfahrenden Autos" spielt. Am Satelliten angebracht soll sie auch unabhängig vom Sonnenlicht messen können, wie hoch der Methangehalt auf allen Breitengraden ist. Ebenso will man Aufschluss darüber gewinnen, an welchen Stellen und wie das Gas der Atmosphäre wieder entzogen wird. Geführt wird die Umweltmission EnMAP von der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).