E-Autos wird von Experten ein langes Autoleben mit oft etlichen 100.000 Kilometern Laufleistung prognostiziert. Damit haben die Stromer das Zeug zum perfekten Gebrauchtwagen. Trotzdem sollte man genau nachrechnen.
Kein Exotenimage hat das E-Auto längst abgelegt. Eher verwunderte zuletzt eine Meldung von Toyota: Mit dem bZ4X bringt der japanische Konzern nun ein vollelektrisches Auto. Was daran irritierte: Es ist das erste reine E-Auto, dass die Japaner, einst mit dem Hybridauto Prius Pionier bei der Teilelektrifizierung vorne mit dabei, auf den Markt werfen. Ein Markt, auf dem sich nahezu alle Hersteller und Marken seit Monaten mit neuen Stromern fast täglich zu überbieten scheinen.
Einer Umfrage der Beratungsfirma Bearing Point zufolge will schon jeder Vierte in Deutschland bei der Neuanschaffung ein Fahrzeug mit elektrischem Antrieb kaufen. Noch vor einem Jahr war es nur jeder sechste Kunde. Begleit-effekt: Es entsteht auch fürs E-Auto ein Gebrauchtwagenmarkt, der sukzessive wächst – zumal Second-Hand-Stromer oft schon nach dem Auslaufen von Leasing-Verträgen in den freien Verkauf kommen, also in der Regel nach zwei oder drei Jahren. Noch sei der Markt „weiterhin sehr überschaubar", sagt Martin Weiss, der bei der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) die Abteilung Fahrzeugbewertung leitet. Doch es befänden sich Fahrzeuge „aus dem Kleinstwagensegment ebenso darin wie gebrauchte hochpreisige Premium- und Performance-Fahrzeuge". Im gesamten Jahr 2021 wechselten laut Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) nur 47.472 E-Autos den Besitzer – verglichen mit der Gesamtmenge von 6,7 Millionen Gebrauchtwagen mit Besitzumschreibungen ein verschwindend geringer Anteil. Im Vergleich zum Vorjahr, in dem 19.173 Besitzumschreibungen von rein batteriebetriebenen Pkw registriert wurden, ist der Markt allerdings um fast 150 Prozent gewachsen. Was die Nachfrage derzeit zudem weiter anziehen lassen könnte: Gebrauchte Fahrzeuge sind bereits produziert und vorhanden. Denn in Zeiten von Chipkrise und langen Lieferzeiten müssen Neuwagenkunden oft sehr lange warten: „Daher kann ein gebrauchtes Elektrofahrzeug eine Alternative sein", sagt Weiss.
Auch gebrauchte E-Autos meist teuer
Wer auf mobile.de, der führenden Handelsplattform für Gebrauchtwagen, nach E-Autos filtert, bekommt immerhin mehr als 28.000 Suchergebnisse ausgespuckt. Die Preise beginnen bei rund 5.000 Euro für elektrische Kleinstwagen wie den Mitsubishi i-Miev (später: Mitsubishi EV), der zusammen mit den bau-gleichen Modellen Peugeot iOn und Citroën C-Zero mit Marktstart Ende 2010/Anfang 2011 zu den ersten modernen E-Modellen zählte. Allerdings hapert es bei dem Triple noch an Reichweite. In der Praxis reicht es oft kaum für 100 Kilometer. Ein relevanter Einwand, denn während Neuwagen-Stromer mittlerweile oft mit akzeptablen Aktionsradien von 400 Kilometern und mehr aufwarten, zählt für Gebrauchtinteressenten laut DAT-Report 2022 die „begrenzte Reichweite" zu den Hauptgründen, die sie abwinken lassen.
Unter den rund 3,50 Meter langen Stadtautos rangiert der erste VW e-Up! mit laut Prospekt bis zu 258 Kilometern Reichweite. Preise für Fünfjährige beginnen bei etwa 13.000 Euro, der Neupreis des neu aufgelegten Modells liegt bei knapp 27.000 Euro. Ein E-Auto am Markt mit einem Stauraum, der auch mal einen Wochenendtrip erlaubt (338 Liter), ist der gut vier Meter lange Renault Zoe – neu ab knapp 30.000 Euro zu haben, gebraucht ab etwa 8.000 Euro, allerdings mit Mietbatterie, die laufende Kosten verursacht. Im Format vergleichbar ist der BMW i3, sechsjährige Exemplare: kaum unter 15.000 Euro. In der Kompaktklasse fahren Nissan Leaf, der E-Golf und Teslas Model 3. Ältere Exemplare des Leaf mit 24-kWh-Batterie sind für um die 9.000 Euro zu haben. Mehr Reichweite bieten die 40-kWh-Versionen (270 Kilometer), die als Zweijährige ab etwa 20.000 Euro gehandelt werden (Neupreis: 29.990 Euro).
Ob Tesla Model 3, Hyundai Kona Elektro, Kia e-Soul oder DS 3 Crossback E-Tense: Vor allem, wer sich für einen jungen Gebrauchten interessiert, sollte den Vergleich mit Neuwagen anstellen, denn diese werden mit dem Umweltbonus gefördert, der 2019 bis 2025 verlängert wurde. Bis zu 9.000 Euro Prämie gibt es bei einem vollelektrischen Auto mit einem Nettolistenpreis bis zu 40.000 Euro – 6.000 Euro vom Staat, 3.000 Euro vom Hersteller. „Ein Kaufinteressent weiß, dass er noch in den nächsten Jahren ein fabrikneues E-Auto immer zu einem stark rabattierten Preis erwerben kann. Das zieht das gesamte Wertniveau von gebrauchten E-Autos nach unten", heißt es bei der DAT. Die Problematik betreffe vor allem Fahrzeuge, deren Neupreis durch die Prämie stark gemindert wird.
Verschleiß beim Antrieb kaum ein Problem
Anderseits empfiehlt DAT-Experte Weiss Gebrauchtwageninteressenten gerade den Griff zu nicht allzu betagten Fahrzeugen – denn er hat einen Smartphone-Effekt beobachtet, der ältere Stromer aufgrund von Technologiesprüngen unattraktiver mache: „E-Autos älteren Baujahrs verfügten schon als Neufahrzeug über eine relativ geringe Reichweite." Speziell bei alternativen Antrieben mit seinen kürzeren Entwicklungssprüngen gelte: Was hier neu ist, ist schneller alt als bisher. Volker Blandow, E-Mobilitäts-Experte beim Tüv-Süd, ergänzt: „Neuere Fahrzeuge nutzen effizientere Heiztechnik wie Wärmepumpen." Will heißen: Wer’s im Auto schön warm mag, zahlt dies nicht so teuer mit Reichweitenkilometern. Da Aktionsradien und Batteriegrößen ohnehin ein sensibles Thema sind, dürften viele Interessenten zu jüngeren Autos tendieren.
Aber auch einen positiven Methusalem-Effekt gibt es, denn die Laufleistung über das ganze Autoleben hinweg scheint bei E-Autos kaum noch ein Kriterium zu sein. „Eine Million Kilometer oder mehr sind kein Problem", sagt der Tüv-Mitarbeiter. Der Verschleiß? Zumindest beim Antriebsstrang kaum der Rede wert. Der Grund für die schwindende Pflegebedürftigkeit liegt in der einfacheren Antriebstechnik. Es entfallen Zahnriemen und Zündkerzen, weder könnte ein Auspuff rosten noch ein Ölwechsel fällig werden. Durch das Zusatzgewicht der Batterie wird das Fahrwerk zwar stärker beansprucht, ist darauf in der Regel aber ausgelegt. In Studien wurde herausgefunden, dass die Reparaturkosten bei Elektroautos deutlich niedriger liegen als bei Autos mit Verbrennungsmotor.
Dennoch gibt es strukturelle Schwachpunkte: Bei den Reifen sorge das hohe Drehmoment für erhöhten Verschleiß, „schlicht, weil der Ampelstart so viel Spaß macht", sagt Volker Blandow. Auch die Bremsscheiben sollten genau inspiziert werden. Denn diese sind im E-Auto oft arbeitslos, wenn die Technik rekuperiert, also mittels Motorbremse kinetische in elektrische Energie gewandelt und der Traktionsbatterie zugeführt wird. Die Folge: Mehr Reichweite, aber die Bremsscheiben rosten. Deshalb haben VW beim ID.3 die weniger korrosionsanfälligen Trommelbremsen und Porsche beim Elektro-Viertürer Taycan feste Wartungsintervalle wie anno dazumal wieder eingeführt.
Reparaturen günstiger als bei Verbrennern
Doch die Achillesferse ist die Batterie: Ihr Energiegehalt bestimmt die Höhe der Reichweite, und je älter sie wird, desto mehr lässt ihre Leistung nach. „Ihr Zustand steht ganz oben auf der Checkliste beim Kauf eines Gebrauchten", sagt Blandow. Wie fit sie noch ist, kann man von außen schlecht sehen und hängt auch davon ab, wie das Auto gefahren wurde oder wie viel Schnellladungen die Zellen hinnehmen mussten. Vorsicht ist besonders bei geringer Laufleistung geboten: Auch einem E-Auto tut es nicht gut, wenn es steht.
Um auf Nummer sicher zu gehen, lässt man sich bei einem Vertragshändler einen Zustandsbericht der Batterie geben, der in der Regel aber auch im Zuge der regelmäßigen Fahrzeugwartung erstellt wird. „Über ein Batterie-Management-System kann jeder Renault-Partner den Zustand der Batterie einsehen", heiß es zum Beispiel bei dem französischen Hersteller. Ist der Akku nicht mehr fit, tritt der Garantiefall ein – welche Bedingungen gelten, sollten Interessenten beim jeweiligen Hersteller vor Kauf abklären.
Beim Tüv-Süd hat man die Erfahrung gemacht, dass die Zellen langsam altern und teils nach 200.000 Kilometern Laufleistung noch bei 80 bis 90 Prozent ihrer anfänglichen Leistungsfähigkeit liegen. Beruhigend für Gebrauchtwageninteressenten ist, dass die Garantieversprechen fahrzeuggebunden sind, also auf den neuen Halter übergehen.