Der Anteil der Elektroautos unter den Neuzulassungen war im vergangenen Jahr so groß wie noch nie. Dennoch stehen viele Autofahrer der E-Mobilität noch immer skeptisch gegenüber. Sind die Stromer wirklich alltagstauglich?
Noch nie sind zu Jahresbeginn so viele neue Elektroautos angekündigt worden wie zum Jahreswechsel 2021/2022. Allein in diesem Jahr sollen knapp 30 neue Modelle auf den Markt kommen. Bedient werden soll dabei die komplette Bandbreite: von kleinen bezahlbaren Modellen bis hin zu Luxuskarossen für den dickeren Geldbeutel – immer vorausgesetzt, die benötigten Teile stehen rechtzeitig zur Verfügung. Angesichts der Corona-Pandemie und der aktuellen politischen Weltlage steht dahinter allerdings ein immer größer werdendes Fragezeichen.
Grundsätzlich zeigt sich aber, dass der E-Auto-Markt härter umkämpft und immer internationaler wird. Nach Tesla, das mit seinem Werk in Brandenburg jährlich 500.000 Fahrzeuge produzieren möchte, drängen beispielsweise auch die US-Hersteller Fisker und Lucid Motors auf den deutschen und europäischen Markt, und auch die Chinesen machen sich auf, über Finnland in Deutschland und Europa Fuß zu fassen.
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) 681.410 Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen. Im Jahr zuvor waren es noch knapp 395.00 neu zugelassene E-Autos. Dennoch sollte man bei diesem Wert klar differenzieren. Etwas mehr als die Hälfte (knapp 356.000) der Neuzulassungen waren 2021 demnach reine Elektrofahrzeuge, etwas weniger als die andere Hälfte (knapp 325.500) sogenannte Plug-in-Hybride. Ob bei Letzteren der E-Motor angesichts der äußerst geringen Reichweite überhaupt zum Einsatz kommt oder hier vor allem die Umweltprämie des Bundes – für Plug-in-Hybride maximal 6.750 Euro – den Kaufausschlag gegeben hat, darüber darf in vielen Fällen sicherlich trefflich gestritten werden.
Dennoch belief sich so der Anteil von Pkw mit Elektromotor an den Gesamtneuzulassungen auf mehr als 25 Prozent – der bislang höchste Wert überhaupt. Insgesamt wurden in Deutschland im vergangenen Jahr etwa 2,62 Millionen Pkw neu zugelassen – Pandemiebedingt gleichzeitig das schlechteste Ergebnis seit drei Jahrzehnten. Bis zum erklärten Ziel der EU, bis 2035 komplett aus der Produktion von Verbrennungsmotoren auszusteigen, ist es aber noch ein weiter Weg. Auch das Ziel der neuen Bundesregierung, in den kommenden acht Jahren 15 Millionen E-Autos auf deutsche Straßen zu bringen, bedarf noch einer großen Überzeugungsarbeit.
Schadet ständiges Schnellladen auf Dauer dem Akku?
Denn noch immer stehen viele Autofahrer der neuen Technologie skeptisch gegenüber. Während VW mit dem e-Up! (30.800 verkaufte Autos), dem ID.3 (26.700) und dem ID.4 (12.700) gleich drei Modelle unter den Top Ten der 2021 zugelassenen E-Autos hatte und damit die Plätze zwei und drei hinter Tesla belegte, schaffte es BMW mit dem i3 (12.180) gerade noch auf Platz zehn. Der erste Mercedes landet mit dem EQA (5.780) gerade einmal noch auf Platz 20. Ohnehin überwiegen eher kleinere Fahrzeuge wie e-Up!, Renault Zoe und Twingo, Smart EQ, Fiat 500, Opel Corsa und Mokka sowie Kia e-Niro auf der Rangliste.
Das dürfte nicht zuletzt am im Vergleich zum Verbrenner noch immer hohen Preis für Elektroautos liegen. Man muss kein Prophet sein, um sagen zu können, dass ohne Förderung seitens der Bundesregierung die Zulassungszahlen fraglos ganz anders aussehen würden. Die Frage ist, wie lange es sich die Regierung leisten will und kann, die automobile Wende auf diese Weise zu subventionieren. Bis 2025 zumindest soll der Anreiz (6.000 Euro vom Staat, 3.000 vom Hersteller für reine E-Autos) bestehen bleiben.
Der trotz Förderung hohe Preis ist aber nicht der einzige Grund für die Zurückhaltung vieler potenzieller Kaufinteressenten. Ein weiterer Grund ist fraglos die Reichweite der Fahrzeuge. Auch wenn es immer mehr Modelle gibt, die nominell 400 Kilometer und mehr schaffen, liegen die meisten E-Autos damit noch meilenweit von der Reichweite herkömmlicher Verbrenner entfernt. Zumal die Reichweite in den wärmeren Monaten eine deutlich größere ist als in den kalten. Das hängt zum einen damit zusammen, dass in den kalten Monaten zusätzliche Verbraucher wie Heizung und Lüftung erhebliche Energie ziehen, die auf Kosten der Reichweite geht. Zum anderen aber auch daran, dass die Ladefähigkeit der Akkus selbst im Winter deutlich geringer ist (siehe Text Seite 36). Viele Verbraucher warten daher lieber auf Weiterentwicklungen in der Akku-Technik.
Andererseits zeigen statistische Erhebungen des Kraftfahrtbundesamtes, dass der Durchschnittsdeutsche im Mittel 35 Kilometer am Tag und maximal 250 Kilometer pro Woche zurücklegt. Das schaffen die meisten E-Autos problemlos mit einer Ladung pro Woche. Problematischer werden allenfalls längere Fahrten und vor allem Urlaubsfahrten, die im Vorfeld geplant werden sollten.
Denn vor allem für längere Fahrten kommen die Wartezeiten hinzu, die man fürs Laden investieren muss. Zwar sind immer mehr E-Autos auch schnellladefähig und lassen sich mit 100 kW – vereinzelt sogar bis zu 350 kW – in wenigen Minuten bis 80 Prozent laden, doch inwiefern dieses Schnellladen die Lebensdauer der Akkus nachhaltig beeinflusst, ist noch nicht klar. Grundsätzlich gilt eine Ladeleistung ab 100 kW als ausreichend, um als langstreckentauglich zu gelten. Eine hohe Ladekapazität bedeutet aber auch eine deutlich höhere Wärmeentwicklung und damit eine größere Belastung für die Akkus. Und damit auch eine größere Herausforderung an das Batteriemanagement des Fahrzeugs. Dieses sorgt dafür, dass die Akkuzellen gleichmäßig geladen werden und keine zu großen Spannungsunterschiede zwischen den einzelnen Zellen entstehen. Dies kann sogar dazu führen, dass das Auto von sich aus die Ladeleistung an der Säule beispielsweise nach 40 Prozent kontinuierlich herunterregelt, um den Akku zu schonen. Umgekehrt verlängert dies die Ladedauer.
Hinzu kommt, dass nahezu alle Hersteller empfehlen, die Akku-Leistung stets zwischen 20 und 80 Prozent zu halten, um die Akkus zu schonen und so die Lebensdauer zu erhöhen. Den Akku also nahezu komplett zu entleeren ist ebenso wenig sinnvoll, wie ihn ständig auf 100 Prozent zu laden.
Die Angst, keine Ladestation zu finden, ist dagegen unbegründet. Zum Jahreswechsel 2021/2022 gab es nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bundesweit bereits etwa 50.000 öffentliche Ladepunkte, 10.000 mehr als noch im Vorjahr. Gleichzeitig stieg demnach auch die Ladeleistung der Ladepunkte weiter an. So wurden 2021 bisher mehr als 1.700 Schnelllader in Betrieb genommen. Insbesondere die Anzahl an sehr schnellen Ladepunkten ab 150 kW, den sogenannten High Power Chargern (HPC), habe sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Höherer Strombedarf für mehr E-Autos ist kein Problem
Da die meisten Autofahrer wie oben beschrieben aber nur 250 Kilometer im Schnitt pro Woche fahren, reicht vor allem für Eigenheimbesitzer eine private Wallbox in der Garage, um mobil zu sein. Laut BDEW finden 85 Prozent der Ladevorgänge im privaten Heim statt. Das vielfach heraufbeschworene Horrorszenario, dass durch diese privaten Ladevorgänge das Stromnetz überlastet oder gar völlig zusammenbrechen werde, ist allerdings eine Mär. Der Energieversorger EnBW, gleichzeitig einer der größten Betreiber öffentlicher Ladesäulen, hat eineinviertel Jahre lang getestet, was eigentlich passieren würde, wenn alle Anwohner einer Straße auf E-Autos umsteigen und ihr Fahrzeug zuhause laden würden (siehe Interview ab Seite 30). Das Ergebnis: kaum nennenswert.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geht in einem im März vergangenen Jahre veröffentlichten Papier zur „Entwicklung des Bruttostromverbrauchs bis 2030" davon aus, dass der Strombedarf von 595 TWh im Jahr 2018 auf 658 TWh im Jahr 2030 ansteige. Darin heißt es: „Insbesondere die gesteigerte Elektromobilität im Straßenverkehr trägt zum Anstieg bei (+68 TWh). Davon entfallen rund 44 TWh auf die Pkw, 7 TWh auf leichte Nutzfahrzeuge und 17 TWh auf schwere Nutzfahrzeuge. Wird zusätzlich der Stromverbrauch für Busse und Zweiräder hinzugezählt, ergibt sich im Jahr 2030 insgesamt ein Stromverbrauch für die Elektromobilität von rund 70 TWh". Angenommen wird dabei eine Zahl von 16 Millionen E-Autos sowie 2,2 Millionen Plug-in-Hybride. In Summe sinke der Stromverbrauch durch Effizienz und Struktureffekte etwa durch bessere Haushaltsgeräte bis zum Jahr 2030 um 51 TWh gegenüber 2018.
Auch der BDEW sagt dazu ganz klar: „Sollten 2030 wirklich zehn Millionen Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein, würde der Stromverbrauch nur um vier Prozent steigen. Darauf ist die Energiewirtschaft vorbereitet. Gleichzeitig wird dieser Strom dann bereits zu zwei Dritteln aus erneuerbaren Energien stammen – deren Ausbau treibt die Energiewirtschaft konsequent voran". Andere Experten sprechen von sechs Prozent mehr Energiebedarf bis 2030 – bei 16 Millionen Fahrzeugen. Und halten auch das allenfalls für Peanuts.