Das Saarland steht vor einer Zäsur in der Politik. Das amtliche Endergebnis der Wahl hat die neuen Rollenverteilungen bestätigt. Für großes Verschnaufen bleibt keine Zeit – weder für die Gewinner noch die Verlierer.
Alea iacta est, würde der Lateiner sagen. Die Würfel sind gefallen, das amtliche Endergebnis der Landtagswahl hat das vorläufige Ergebnis bestätigt. Bitter für die Grünen, die mit nur 23 fehlenden Stimmen an ihrem großen Ziel gescheitert sind: dem Wiedereinzug in den Landtag. Für die Liberalen war der Abstand zum großen Ziel, nach zehn Jahren wieder parlamentarisch mitwirken zu können, etwas größer. 4,8 Prozent am Ende sind ein gutes Stück weg vom ursprünglich selbst gesteckten Acht-Prozent-Ziel.
Dabei haben beide kleinere Parteien an absoluten Stimmen zulegen können, am deutlichsten die FDP, die knapp 4.200 Stimmen mehr als fünf Jahre zuvor erringen konnte, ein Zuwachs von 1,5 Prozentpunkten. Der Zugewinn bei den Grünen fiel mit einem Plus von gut 1.200 Stimmen etwas geringer aus, ist aber vor dem Hintergrund der bekannten internen Querelen durchaus ein beachtlicher Erfolg.
Die Zuwächse für die zwei Parteien sind auch insofern trotz verfehlter Wahlziele beachtlich, weil sich zum Schluss die alte Erfahrung bestätigt hat, dass die Kleineren bei einem zugespitzten Spitzenkandidatenduell um den Chefsessel in der Staatskanzlei etwas an den Rand gedrängt werden, und beide Parteien den Wahlkampf aus dem außerparlamentarischen Abseits führen mussten. Das hatte naturgemäß zur Folge, dass ihr Spitzenpersonal nicht ständig im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit stand. Das aber war schon vor dem Start in den Wahlkampf klar. Dass der Aufwärtstrend auf Bundesebene nach der Bundestagswahl für beide nicht getragen hat, ist sicher auch der Besonderheit geschuldet, dass im Saarland SPD und CDU nach wie vor den Charakter von Volksparteien beanspruchen können, jetzt aber in umgekehrten Verhältnissen.
Über den nun auch amtlich bestätigten Absturz der Linken an den Rand der Bedeutungslosigkeit ist bereits viel diskutiert worden. Die Dramatik wird in absoluten Zahlen noch deutlicher als in den Prozentergebnissen: Ein Verlust von fast 57.000 Stimmen, und mit gerade noch rund 11.700 Stimmen nur knapp vor der Tierschutzpartei (rund 10.400). Über die Rolle des ehemaligen Zugpferdes Oskar Lafontaine ist viel gesprochen worden, sein Rückzug alleine erklärt aber nicht, warum nur noch eine recht überschaubare Zahl von Wahlberechtigten die Linke für wählbar hielt. Eine zerbröckelnde Basis in den Kommunen infolge des internen Dauerkonflikts und so gut wie keine inhaltliche Präsenz: Die Linke wird es schwer haben, wieder Tritt zu fassen.
Bemerkenswert das Abschneiden der neuen Gruppierung Bunt.Saar. Für einen Newcomer bei einer Wahl wären 1,4 Prozent eigentlich gar kein so schlechtes Ergebnis, aber es steht in ziemlich deutlichem Gegensatz zu den selbst gesetzten Ansprüchen und Zielen, entsprechend groß ist die Ernüchterung. Entstanden ist Bunt.Saar als Reaktion auf die interne Entwicklungen bei den Grünen, aber auch den Linken. Es sollte eine neue Heimat werden für die von diesen Parteien Enttäuschten und Frustrierten. Am Ende könnte das den Grünen den Wiedereinzug in den Landtag vermasselt haben. Und Ex-Linke-Anhänger haben eher der SPD zur absoluten Mehrheit der Sitze verholfen, als Bunt.Saar zu einer stärkeren Kraft zu machen. Ob das Bündnis nun in den nächsten Kommunalwahlen durchstarten wird, wie es einige Protagonisten bereits hoffen, bedarf sicher noch einer internen Aufarbeitung nach der Ernüchterung.
Große Aufgaben für Verlierer und Gewinner
Beachtlich unter den übrigen zahlreichen Newcomern bei dieser Wahl ist das Ergebnis für die bereits erwähnte Tierschutzpartei. Die europäisch ausgerichtete Partei Volt hat immerhin aus dem Stand und trotz (noch) geringem Bekanntheitsgrad 0,6 Prozent erreicht. Ebenfalls neu dabei war die Partei „Die Basis", eine Neugründung im Umfeld der Querdenker-Bewegung, die auf knapp 6.500 Stimmen kam. Die geringste Stimmenzahl aller Bewerber bei dieser Wahl bekam eine Partei, die inhaltlich das genaue Gegenteil vertritt wie „Die Basis". Für die „Humanisten" wollten sich nur 233 Wahlberechtigte entscheiden. Erstmals bei der Landtagswahl dabei war auch die wahlweise als Spaß- oder Satirepartei bezeichnete „Die PARTEI", die zuletzt mit ihrer Fraktion im Rat der Landeshautstadt Saarbrücken für einige Aufmerksamkeit gesorgt hat. 1,0 Prozent standen zu Buche für die Partei, die beispielsweise mit einem Plakat mit dem einzigen Wort „Wahlplakat" für sich warb – was in der Klarheit der Aussage einem Faktencheck wohl standhalten würde.
Insgesamt haben sich über 32.000 Wahlberechtigte damit für Parteien entschieden, die bei der letzten Wahl nicht dabei waren, nimmt man traditionelle Kleinstparteien (Familie, Freie Wähler, Piraten) dazu, dann haben sich immerhin knapp 45.000 Wahlberechtigte für Parteien entschieden, deren Chance auf den Einzug ins Parlament von vornherein nahezu Null war. Für die einen ist das eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft, für die anderen eine buntere Vielfalt. Tatsache ist, dass gut zehn Prozent der Wähler sich für höchst unterschiedliche Alternativen zu den etablierten Parteien (zu denen in diesem Fall auch die AfD gehört) entschieden.
Die neue Farbenlehre im Saarland ist nach dieser Wahl jedenfalls einheitlich rot. Die Schattierungen dabei werden derzeit gemischt, das Ergebnis wird dem Land mehr Veränderungen bringen als nur eine neue Regierungsspitze. Genau diese Bewegung in einer zuletzt doch in Teilen einigermaßen erlahmten Politik wollten die Saarländerinnen und Saarländer – und das haben sie deutlicher klargemacht, als es vorher unbedingt zu erwarten war.
Die Herausforderungen sind beachtlich, einige sind im Wahlkampf intensiv diskutiert worden, andere standen nicht so sehr im Fokus, sind aber nicht weniger dringlich. Und welche noch zusätzlich in Folge der aktuellen Entwicklungen auf das Land zukommen, sind noch nicht in der ganzen Dimension greifbar. Das wird nicht nur die neue Regierung fordern, sondern auch die neue Opposition im Landtag mit in die Verantwortung nehmen. Für die außerparlamentarische Opposition bleibt die Aufgabe, sich so aufzustellen und bemerkbar zu machen, dass ihre Stimme gehört wird und ihre Themen kein Schattendasein fristen müssen.