US-Idol Tiger Woods ist beim Masters ein Golf-Wunder (noch) verwehrt geblieben, hat aber nur wenig mehr als ein Jahr nach seinem schweren Autounfall eines der beeindruckensten Comebacks der Sportgeschichte gefeiert. Dennoch will der 15-malige Majorgewinner kürzertreten.

Manchmal sind im Sport nicht Medaillen und Rekorde die Erkennungszeichen für richtig große Siege. Manchmal ist vielmehr Anerkennung von Mitstreitern, Konkurrenten, Medien und Fans die größte Auszeichnung für Sportler.
Daran gemessen konnte Golf-Idol Tiger Woods seinen 47. Platz beim prestigeträchtigen Masters locker verschmerzen, denn weltweit sangen nach der kaum für möglich gehalten Rückkehr des vielleicht besten Spielers aller Zeiten auf das Grün Anhänger, Kritiker und Kommentatoren Lobeshymnen auf den Kalifornier. Tatsächlich war Woods nur rund 14 Monate nach seinem schweren Autounfall und seinen schlimmen Verletzungen an der legendären Magnolia Lane von Augusta eines der imponierendsten Comebacks der Sportgeschichte gelungen.
Entsprechend ergriffen war der 46-Jährige trotz seines Einbruchs auf den beiden Schlussrunden auf dem berühmt-berüchtigten Monster-Kurs im US-Bundesstaat Georgia von der Wucht des Augenblicks. „Worte", sagte Woods, „Worte können es nicht beschreiben. Wenn man bedenkt, wo ich vor etwas mehr als einem Jahr war und was meine Perspektiven waren, ist es ein unglaubliches Gefühl, bei diesem Turnier dabei gewesen und sogar vier volle Runden gespielt zu haben."

Tatsächlich muss sich für Woods das Masters nicht nur sportlich als Wiedergeburt angefühlt haben. Im Februar vergangenen Jahres nämlich, nur zwei Monate nach seiner fünften Rückenoperation wegen zweier versteifter Wirbel, hatte der Superstar im südlichen Umland von Los Angeles die Kontrolle über seinen SUV verloren und sich mehrmals mit seinem Fahrzeug überschlagen. Die Notfallsanitäter lieferten Woods mit mehreren Frakturen am rechten Bein in ein Krankenhaus ein, doch waren die Verletzungen insgesamt so schwer, dass die behandelnden Ärzte zwischenzeitlich auch eine Amputation des rechten Fußes nicht ausschließen konnten. Über drei Monate lag Woods nur im Bett.
Doch Aufgeben war für ihn keine Option. Natürlich möchte man fast sagen, wenn man sich an seinen US-Open-Erfolg 2008 mit einem Kreuzbandriss und zwei Stressfrakturen im linken Bein erinnert.
Veränderter Arbeitsablauf
Dabei darf man sich sein rechtes Bein nach dem Crash und mehreren Operationen nur als mit Stangen, Schrauben und Nägeln zusammengeflickt vorstellen. Da Woods das Bein, wie er sagte „24/7", also 24 Stunden an allen sieben Tage der Woche, starke Schmerzen bereitet, kann er längst nicht so hart trainieren wie zu seinen besten Zeiten. Einst war sein Tagesablauf an Tagen ohne Turnierrunden streng reglementiert: Woods begann einen Tag sehr oft schon um fünf Uhr morgens, joggte sechs Kilometer, machte Krafttraining, schlug drei Stunden Bälle auf der Übungswiese, spielte 18 Löcher und arbeitete dann an seinem kurzen Spiel und lief dann noch einmal sechs Kilometer. „Heute brauche ich allein drei Stunden, um mich auf eine Runde Golf vorzubereiten, und die Erholungszeit nach einer Runde ist nicht viel kürzer", erzählte Woods in Augusta nochmals, wie sich sein Arbeitsleben seit dem Unfall verändert hat: „Früher habe ich in vier oder fünf Stunden tausend Bälle geschlagen. So wie es die jungen Kollegen heute tun. Heute kann ich nur auswählen, worauf ich mich an einem Tag konzentrieren will. Jetzt geht es mir vor allem darum, meinen Körper zu stärken und zu versuchen, so mobil wie möglich zu werden."
Das mangelnde Training verhinderte denn auch in Kombination mit der fehlenden Wettkampfpraxis seit seinem bis Augusta letzten Turnier im Herbst 2020 an gleicher Stelle ein besseres Comeback-Ergebnis.

Doch immerhin schaffte Woods ein Vierteljahrhundert nach seinem ersten Masters-Triumph bei seiner 22. Teilnahme an dem Klassiker als Profi nacheinander den Cut und damit den Sprung in die beiden Schlussrunden. Nur sein Landsmann Fred Couples, der Masters-Gewinner von 1992, und der legendäre Südafrikaner Gary Player spielten beim Masters noch einmal öfter auch noch am Wochenende mit. Zudem waren einige Topspieler bereits wieder aus Augusta abgereist, als Woods auf die dritte Runde ging: Prominente Namen wie Jordan Spieth, Brooks Koepka, Bryson DeChambeau und Xander Schauffele, der Olympiasieger, waren allesamt schon am Cut gescheitert. Insofern darf Woods das Masters mindestens als Achtungserfolg verbuchen.
Woods war jedoch sehr bewusst, dass ein solches Resultat nicht als Einzelkämpfer möglich gewesen wäre. Entsprechend bedankte sich der „Tiger" bei seinem Team mit einem ungewöhnlichen Vergleich: „Mein Team hat einen Höllenjob gemacht, um mich hinzubekommen und die Karosserie zu reparieren", erklärte der fünfmalige Augusta-Champion. „Man kennt das von den Nascar-Rennen: Kaputtmachen, reparieren. Ich bin gut darin, es kaputtzumachen. Sie sind gut darin, es zu reparieren."

Als Sieg-Auto kam sich Woods aber noch nicht ganz vor. „Ich fühle mich nicht so gut, wie ich mich gerne fühlen würde. Aber das ist in Ordnung. Ich bin noch ein bisschen eingerostet, aber ich komme langsam wieder zu mir", resümierte der langjährige Weltranglistenerste nach seinem Comeback-Turnier. Durch seine Verärgerung über seinen Absturz im Leaderboard aus den Top 10 nach der ersten Runde bis auf Position 47 ließ Woods auch seinen gefürchteten Erfolgshunger zumindest wieder erahnen: „Es hat sich angefühlt, als ob ich auf den Grüns 1.000 Putts benötigt hätte. Ich hatte null Gefühl auf den Grüns", arbeitete der frühere Branchenführer ungewohnte Schwächen an seinem Spiel in Augusta heraus.
Bei genauerer Beobachtung waren auch andere Folgen des Unfalls zu registrieren. Auf seinen Wegen übet den hügeligen Kurs in Augusta war sein Hinken unübersehbar, und außerdem kniete Woods auf den Greens nicht mehr so tief in der Hocke wie als Jungspund.
„Dinge, an denen wir arbeiten müssen"
Die meiste Selbstkritik verband Woods mit zwangsläufigen Mängeln in seiner körperlichen Fitness: „Die Ausdauer im Bein ist nicht sehr gut. Wenn ich anfange, tut es höllisch weh, und wenn es dann aufgewärmt ist, ist es gut, und ich schlage ein paar gute Schläge. Dann lässt die Ausdauer nach, und ich treffe ein paar ziemlich hässliche Schläge", berichtete Woods über seine Selbstwahrnehmung: „Das sind Dinge, an denen wir arbeiten müssen."

Seinen Kollegen war sein Comeback derweil ein Vergnügen. „Es ist gut, Dich wieder hier draußen zu haben, große Katze", twitterte Woods-Konkurrent Kevin Kisner. Auch Justin Thomas schwärmte: „Es ist wirklich unglaublich. Wow! Ich freue mich so für ihn." Der enge Freund von Woods hatte als einer der wenigen nach dem Unfall das nahezu zertrümmerte rechte Bein seines Kumpels gesehen. „Das war entsetzlich. Ich habe gesehen, wie hart er gearbeitet hat", sagte Thomas. Woods sei einfach „der Größte aller Zeiten".
Woods wäre aber nicht er selbst, würde der 82-fache Turniersieger außer den Komplimenten nicht auch die Probleme als Ansporn empfinden, „Niemals aufgeben. Jage Deinen Traum", verriet Woods sein Credo für die kommenden Wochen.
Sein Programm wird hauptsächlich aus Training bestehen. Denn der Rückkehrer wird ungeachtet aller Begeisterung der Fans spürbar kürzertreten. „Ich werde nie wieder ein komplettes Programm spielen, sondern nur noch die großen Events", bekräftigte Woods einen bereits vor dem Masters durchgesickerten Entschluss. Er wisse nicht, ob er die PGA Championship in Southern Hills spielen werde oder nicht, er werde versuchen, sich auf das Turnier im Mai vorzubereiten. Aber er freue sich auf die British Open Mitte Juni in St. Andrews, sagte Woods. In Schottland hatte Woods zwei seiner drei British-Open-Triumphe gefeiert und mag den Platz in den Highlands deswegen besonders: „Das ist etwas, das mir sehr am Herzen liegt, es ist die Heimat des Golfsports und mein Lieblingsgolfplatz auf der Welt. Da werde ich dabei sein", versprach Woods.