Die Saar-CDU muss sich nach der Wahlniederlage personell, organisatorisch, strukturell und inhaltlich neu aufstellen. Kurzum: Sie muss sich eigentlich neu erfinden. Der Start zeigt, wie mühsam das wird.
Es war der erste öffentliche Test für die Saar-CDU nach der Wahlniederlage. Und er zeigt, dass die CDU mit einer neuen Standortbestimmung noch ganz am Anfang steht. Gute vier Wochen nach der Wahl ist für sie eine neue Zeit angebrochen: eine Zeit auf der Oppositionsbank, die bekanntlich als ziemlich hart gilt.
Anke Rehlinger (SPD) hatte mit ihrer ersten Regierungserklärung als Ministerpräsidentin die Vorlage für eine erste Bewährungsprobe für die neue Gegenseite im Landtag geliefert. Für einen Oppositionsführer üblicherweise das, was man als „gefundenes Fressen" bezeichnen würde.
Nur ist derzeit im neuen Landtag noch ziemlich wenig „üblich", in der neuen CDU-Fraktion erst recht nicht. Zahlenmäßig ist sie deutlich geschrumpft, wirklich junge Gesichter sind Fehlanzeige. Die junge Truppe, die vor fünf Jahren loslegte, ist jetzt zwar eine erfahrene Parlamentsriege, aber eben mit der Erfahrung einer regierungstragenden Fraktion. Opposition ist für diese Generation der CDU-Politiker ein Fremdwort. Sie haben das politische Geschäft seit ihrer Jugend in der führenden Regierungspartei gelernt. Oppositionelle Reden zu halten ist ein weitgehend unbekanntes Terrain.
Damit wirkte auch ihr erster Auftritt als Antwort auf die Regierungserklärung eher künstlich. Da war von der „Kreativität einer Weinbergschnecke" zu hören, von einem „zu kleinen Karo", von „Worthülsen" und „Floskeln". Bekannte Wortbausteine aus Oppositionsreden, ebenso zitierfähig wie inhaltlich kaum aussagekräftig und damit auch selbst kritikwürdig.
Opposition muss gelernt werden
Es würde zu kurz greifen, den Zustand der CDU vier Wochen nach einem niederschmetternden Ergebnis an dieser „Jungfernrede" eines Oppositionsführers festmachen zu wollen. Trotzdem ist es symptomatischer Ausdruck für vieles.
Das beginnt schon damit, dass Alexander Funk zwar als Fraktionsvorsitzender bestätigt wurde, somit auch in der Rolle des Oppositionsführers im Parlament ist, aber das wohl nur eine Zwischenetappe ist.
Ende Mai will die CDU eine neue Führung wählen, und es scheint weitgehend Konsens, dass der Parteichef dann auch den Fraktionsvorsitz übernehmen soll. Friederich Merz hat das auf Bundesebene vorgemacht, und es gibt Gründe für eine solche Personalunion.
Aus der ersten Gegenrede zur neuen Regierung tiefere Rückschlüsse darauf zu ziehen, wie sich die CDU inhaltlich neu sortiert, wäre allein schon anhand dieser äußeren Umstände kaum zulässig. Zumal zu erfahren ist, dass dieser Oppositionsauftritt in den eigenen Reihen nicht unumstritten war.
Dass der ehemalige Landtagspräsident Stephan Toscani Ende Mai den Parteivorsitz übernimmt, schien zunächst unumstritten und in gewisser Weise ziemlich alternativlos. Aber auch das sehen nicht alle in der Partei gleichermaßen als schon abschließend ausgemachte Sache. So werden dem ehemaligen Justizstaatssekretär Roland Theis Ambitionen nachgesagt, obwohl der sich bereits öffentlich dazu erklärt hat.
Es ist auch nicht zu erwarten, dass irgendetwas in der Partei derzeit als Selbstläufer durchgeht, dazu sind die Probleme zu gravierend, vor denen die Partei steht. Das beginnt bereits mit den äußeren Rahmenbedingungen. Mit dem Verlust der Regierungsbeteiligung und dem dünnen Wahlergebnis fallen Strukturen und finanzielle Mittel weg. Dass der Wahlkampf ein Loch in der Kasse gelassen hat, ist eher normal. Aber die Partei hat sicherlich mit einer anderen Einnahmesituation nach der Wahl kalkuliert. Das gilt für alle Einnahmequellen, von der Parteienfinanzierung bis zu Beiträgen von Mandatsträgern. Das wiederum dürfte sich auf die Strukturen auswirken, die in den bisherigen Formen dauerhaft kaum aufrechterhalten werden können.
Gleichzeitig wurde bereits in den ersten Tagen nach der Wahl immer wieder auf das nächste Eckdatum hingewiesen. In zwei Jahren, 2024, stehen Kommunalwahlen an. Die könnten für die CDU zu einer zentralen Weichenstellung werden. Gelingt ihr dort ein vorzeigbares Ergebnis, kann das den Erneuerungsprozess stabilisieren. Andernfalls droht eine Abwärtsspirale mit ungewissem Ausgang. Für die neue Führung ist damit ein klares Arbeitsdatum gesetzt.
Das wiederum wird nicht nur eine Herausforderung für die Spitze, es wird eine Frage der Motivation.
Es gehört quasi zur DNA der CDU, Regierungspartei zu sein und sich auch entsprechend aufzustellen, angefangen bei strukturellen Zugriffsmöglichkeiten bis hin zur Personalrekrutierung.
Was die Union im Bund nach der Wahlniederlage erlebt, erlebt jetzt die CDU im Land sozusagen in einer zweiten Welle. Experten hatten in Wahlanalysen bereits darauf hingewiesen, dass die Niederlage der Saar-CDU zwar viele hausgemachte Ursachen hat, aber eben auch im Sog des Niedergangs der Bundespartei einzuordnen ist. Dass diese unter Friedrich Merz einen entscheidenden Auftrieb gewonnen hätte, ist nicht wirklich auszumachen. Da hat wiederum das Ergebnis der Saar-CDU umgekehrt einen Dämpfer gesetzt, auch wenn die Bundesspitze bemüht war, das als regional singuläres Ereignis abzutun.
Klare Analyse der eigenen Fehler nötig
Dass diese Entwicklung alles, nur nicht sonderlich motivierend wirkt, liegt auf der Hand. Dazu kommen fehlende Perspektiven, wenn es keine Aussicht gibt, im politischen Geschäft in gestaltende Positionen aufsteigen zu können. Davon hat aber nun mal eine Oppositionspartei nicht allzu viel zu bieten. Genau davon aber hat die CDU bei ihrer Personalrekrutierung gelebt, im Saarland über zwei Jahrzehnte, also eine Politikergeneration lang, wie im Bund in der Ära Merkel.
Verloren gegangen ist dabei auch eine inhaltlich motivierende Perspektive. Warum sollten sich gerade junge Menschen, die ohnehin für Parteiarbeit nur schwer zu begeistern sind, in der CDU engagieren? Nimmt man Analysen zu den letzten Wahlen als Grundlage, gab es für die junge Generation zwei wichtige Motivationsstränge bei ihren Entscheidungen. Entweder die Zukunftssorge Klima (und alles, was damit zusammenhängt) oder die persönliche Zukunftssorge (berufliche Perspektiven, Lebensgestaltung). Die einen entschieden sich bei der Bundestagswahl für die Grünen, die anderen für die FDP. Bei der Wahl im Saarland hat es die SPD geschafft, beiden Themen eine Heimat zu geben, und das gleichzeitig generationenübergreifend zu formulieren. Die CDU dagegen mäanderte im Klein-Klein von Themen, und hat zudem noch zu Wahlkampfbeginn explizite SPD-Themen (G9, gebührenfreie Kitas, 365-Euro-Ticket) übernommen. Wofür die CDU steht, war dabei nicht mehr auszumachen. Diese Entkernung macht den Mitgliedern schon länger Bauchschmerzen, und neue Leute zu finden grenzt damit fast an eine Unmöglichkeit.
Erstaunlich ist, dass die CDU an der Saar bislang trotz all dieser Umstände zumindest in einem Punkt eine Konstante aufweist: Die Diskussionen werden zumindest bislang nicht prominent in der Öffentlichkeit geführt. Dass die Wahlniederlage im Saarland nur ein Betriebsunfall aufgrund widriger Umstände war, zugestanden eigener handwerklicher Fehler und einem unglücklich agierenden Spitzenkandidaten, der über die Kommunal- bis zur nächsten Landtagswahl zu korrigieren ist, wäre für die Analyse ein „zu kleines Karo". Entscheidend wird, in welcher Klarheit die eigene Analyse vorangetrieben und in welcher Offenheit mögliche Perspektiven diskutiert werden.
Das ist keine Frage von wenigen Wochen. Trotzdem ist gerade in dieser Phase jedes Signal wichtig, das die Partei sendet. Das wiederum lässt der Fraktion im Landtag eine neue Rolle und bislang ebenfalls ungeübte Rolle zukommen. Sie ist der besonders wahrnehmbare Teil einer Partei in der Opposition. Damit steht die Saar-CDU im Landtag vor derselben Aufgabe wie die Union im Bund. Opposition ist ein demokratisches Geschäft, das gelernt sein will, so schwer das einer abgelösten Regierungspartei auch immer fallen mag.