Es sollte eine Revolution des Gesundheitswesens werden und wurde vor allem ein tiefer Fall der Firmenchefin. Den Werdegang von Elizabeth Holmes schildert die Dokumentation „Die Erfinderin – Böses Blut im Silicon Valley". Sie ist zum Streamen und auf DVD verfügbar.
Schwarz gekleidet, blonde Haare, beinahe ikonisch hält sie die Ampulle in die Kamera, das angedeutete Lächeln ist kühl. Keine Frage: Elizabeth Holmes ist ein Blickfang. Die amerikanische Geschäftsfrau strebt ab 2003 an, eine Art weiblicher Steve Jobs zu werden und gründet ihr Unternehmen Real-Time Cures, das sie wenig später in Theranos umbenennt. Das Kofferwort steht für die englischen Begriffe „Therapy" und „Diagnosis", also Therapie und Diagnose. Nichts weniger als den Gesundheitssektor in ihrem Heimatland möchte sie revolutionieren – sie wird grandios scheitern. Weshalb und wie genau, schildert die sehenswerte Dokumentation „Die Erfinderin – Böses Blut im Silicon Valley", die auf Sky Ticket oder auf DVD zu sehen ist und bei Amazon Prime zubuchbar ist.
Der Film schildert den Werdegang der späteren Beinahe-Legende, die früh lernt, sich in Szene zu setzen, Kleidung und Haarfarbe beispielsweise in schönen Kontrast setzt. Ihr Studium an der Stanford University bricht sie im Jahr der Unternehmensgründung ab, da ist sie gerade 19. Zuvor hatte sie unter anderem in Singapur gearbeitet und war dort an der Erforschung von Sars-CoV-1 beteiligt. Ihre eigene Legendenbildung sagt, sie sei auf die Idee zu Theranos durch ihre Angst vor Spritzen gekommen. Ihr Unternehmen soll die Entnahme von Blutproben revolutionieren – das dafür zuständige Gerät nennt sich „Edison", benannt nach dem berühmten Erfinder.
Grandioses Scheitern statt technischer Revolution
Der Kasten soll der attraktiven Optik wegen von Anfang an eine gewisse Form haben. Darin enthalten sein sollen Untersuchungsmöglichkeiten zu verschiedenen Krankheiten. Wie im Film anhand von Interviews mit ehemaligen Angestellten gezeigt wird, ist der „Edison" von Anfang an störanfällig. Auch ist er viel zu klein dimensioniert, weswegen das Blut teilweise einfach darin umherspritzt. Verkürzt gesagt ist es das Ziel des „Edison" und somit von Theranos, den Patienten die Blutuntersuchung kostengünstig und sehr schnell zur Verfügung zu stellen – die muss man in den USA offensichtlich selbst bezahlen. Das Gerät soll zuerst in ExtraFilialen, dann auch in Arztpraxen zur Anwendung kommen und Blut anhand von Gentests anstatt von Nährböden untersuchen.
Durch ihren nicht zu leugnenden Charme und ihre Ausstrahlung gelingt es Elizabeth Holmes, eine enorme Anschubfinanzierung zu bekommen. So ist etwa der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger finanziell mit an Bord. Politische Hochkaräter wie der jetzige US-Präsident Joe Biden sind ebenfalls ganz auf ihrer Seite. Bis 2013 steigt die Zahl der Mitarbeiter stetig an, der Theranos-Wert liegt 2013/14 bei geschätzten zehn Milliarden US-Dollar. Ab 2015 wird es unangenehm für die Frau, die angeblich niemals oder nur seltenst blinzelt. Da veröffentlicht Journalist John Carreyrou, der im Film ebenfalls zu Wort kommt, im „Wall Street Journal" einen kritischen Bericht.
Holmes’ Geschichte kürzlich auch als Serie verfilmt
Das Verhalten von Holmes wird immer haarsträubender, die Fehler in Entwicklung und Umsetzung immer gröber. Immer offensichtlicher wird bewusst betrogen oder es werden nur Halbwahrheiten erzählt. So steht außen das Gehäuse des „Edison", während innen eine komplett andere Technik genutzt wird. Holmes, die in der Dokumentation durch Archivaufnahmen präsent ist, gerät immer mehr in ihre selbst gestrickte Falle. Das alles ist spannend und nachvollziehbar erzählt. Eine andere Art, ihre Geschichte zu erzählen, wählte die Miniserie „The Dropout", die gerade auf Disney+ angelaufen ist. In den acht Episoden spielt Amanda Seyfried die Erfinderin.
Die knapp zweistündige Dokumentation „Die Erfinderin – Böses Blut im Silicon Valley" wurde realisiert von Alex Gibney, der 2007 in „Taxi zur Hölle" das Schicksal des unschuldigen afghanischen Taxifahrers Dilawar aufzeigte, der im US-Militärgefängnis Bagram zu Tode gefoltert wurde. 2005 realisierte er „Enron: The Smartest Guys in the Room", der den Zusammenbruch des Energieriesen Enron als Sujet hatte. Für Ersteren erhielt er den Oscar, für Letzteren war er nominiert. Der New Yorker hat also das Ohr am Puls von gesellschaftlich relevanten Themen, die er anhand von einer Person oder Personengruppe herunterbricht. Und so ist „Die Erfinderin" nicht nur eine Art Psychogramm von Elizabeth Holmes, sondern auch eine Abhandlung über das erschreckend kaputte amerikanische Gesundheitssystem.