Ein Universal-Corona-Impfstoff wird wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen. Gleichzeitig wird aber derzeit global an rund 360 Impfstoff-Projekten gegen bekannte Corona-Varianten gearbeitet und die Wirksamkeit von mehr als 625 Medikamenten erprobt.
Angesichts eines stotternden und immer weiter sinkenden Corona-Impftempos hat sich längst so etwas wie Ratlosigkeit unter den deutschen Politikern breitgemacht. Zusätzlich hat der Ukraine-Krieg die Corona-Problematik auch in den Medien etwas in den Hintergrund gedrängt. Längst ist keine Rede mehr von der erhofften Herdenimmunität, für die laut Robert-Koch-Institut mindestens 85 Prozent der Gesamtbevölkerung genesen oder vollständig geimpft sein müssten. Selbst das ambitionierte Ziel einer Quote von 80 Prozent bei den Erstimpfungen, wie es die Bundesregierung schon Anfang Januar 2022 erreichen wollte, scheint angesichts eines harten Kerns von Impf-Verweigerern wohl kaum realistisch zu sein.
Anfang April 2022 scheiterte dann auch eine allgemeine Corona-Impfpflicht im Bundestag. Trotz hoher Erwartungen gab es auch nur eine geringe Nachfrage nach dem fünften und jüngsten in der EU zugelassenen Vakzin Novavax, das als Proteinstoff eine akzeptable Alternative zu der bei manchen Menschen Ängste schürenden mRNA-Technologie hätte sein sollen. Den Verantwortlichen in Bund und Ländern blieb eigentlich nur noch das Prinzip Hoffnung. Hoffnung auf einen jahreszeitlich bedingten Rückgang der Neuinfektionen und des Inzidenzwertes sowie auf eine anhaltend niedrige Hospitalisierungsrate. Mit den bisherigen Impfkampagnen hat man offenbar das Ende der Fahnenstange erreicht, auch wenn immer wieder Stimmen laut werden, die eine neue Aufklärungsoffensive mit einer „positiveren Ansprache" verlangen – mit wohl geringen Erfolgschancen.
77,6 Prozent der Deutschen geimpft
Die von renommierten Instituten erstellte sogenannte Cosmo Studie hatte im März ergeben, dass sich 83 Prozent der Impf-Verweigerer auch künftig keinesfalls piksen lassen wollen. Die aktuellen Zahlen (Stand: 10. Mai) über den Impfstatus der deutschen Bevölkerung scheinen allerdings auf den ersten Blick Grund zur Zuversicht zu geben, obwohl die Bundesrepublik damit im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld angesiedelt ist: 64,5 Millionen Menschen (77,6 Prozent der Bevölkerung) haben bisher mindestens eine Impfdosis erhalten. Davon sind 63 Millionen Menschen (75,8 Prozent) bereits grundimmunisiert. 49,5 Millionen Menschen (59,5 Prozent) haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten, 4,4 Millionen Menschen (5,3 Prozent) bereits eine zweite Booster-Impfung. Das wahre Dilemma der Impfkampagne zeigt sich allerdings, wenn man sich die winzige Zahl an täglichen Erstimpfungen anschaut, die am 10. Mai mit bescheidenen 2.246 angegeben wurde.
In den hiesigen Medien dreht sich alles nur um die fünf von der EU zugelassenen Vakzine: BioNTech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca, Johnson & Johnson/Janssen und Novavax. Fast Dreiviertel aller Impfdosen von insgesamt rund 203 Millionen entfallen dabei auf BioNTech/Pfizer. Weltweit sind laut Angaben der ARD-Tagesschau sogar 36 Corona-Impfstoffe zugelassen, ein Großteil davon allerdings nur in einzelnen oder ganz wenigen Ländern. Global wird derzeit sogar an mehr als 360 Corona-Impfstoffprojekten (wovon bemerkenswert viele von deutschen Unternehmen oder Instituten betreut werden) gearbeitet, wie aus einem Beitrag des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) in Deutschland hervorgeht.
Lauf vfa wollen viele laufende Projekte dabei nicht einmal die bislang aufgetretenen Corona-Varianten berücksichtigen, sondern konzentrieren sich auf die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Ur-Virus aus der chinesischen Provinz Wuhan. Natürlich beruhen auch die fünf in der EU zugelassenen Impfstoffe auf dem ursprünglichen Virusstamm. Doch wegen der inzwischen entstandenen Varianten, vor allem der als hochansteckend geltenden Omikron-Variante, können sie keinen vollständigen Schutz mehr bieten, wohl aber schweren Krankheitsverläufen vorbeugen. Es wird daher mit Hochdruck an Impfstoffen der zweiten Generation gearbeitet. BioNTech/Pfizer und Moderna haben offenbar wieder die Nase vorn. Beide arbeiten für künftige Booster-Impfungen an einem speziell auf die Omikron-Variante zugeschnittenen Impfstoff, der womöglich noch rechtzeitig für den kommenden Herbst/Winter verfügbar sein könnte.
Impfstoffe der zweiten Generation
Interessant, dass auch das Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac, dessen viel gehypter Impfstoffkandidat „CvnCoV" mangels Wirksamkeit gestoppt worden war, wieder mitspielen darf. Der Bund als Miteigentümer des Unternehmens hat die Abnahme von 80 Millionen Dosen eines derzeit noch in der klinischen Frühphase befindlichen Impfstoffs der zweiten Generation gegen verschiedene Corona-Varianten garantiert. Ähnlich langfristige Vereinbarungen hat die Bundesregierung mit BioNTech getroffen, aber auch mit drei weiteren Firmen: Celonic, IDT Biologika sowie Wacker/CordenPharma. Sie verfügen allesamt noch nicht über eine Impfstoff-Zulassung. Auch eine Kombination des Wuhan-Wirkstoffs mit Varianten-Anpassungen oder auch eine Mischung zweier Varianten-Impfstoffe könnte ein interessanter Ansatz sein, wie es Moderna derzeit mit Wuhan- und Beta-Variante oder BioNTech/Pfizer mit den Varianten Alpha und Delta erproben. Dieser sogenannte bivalente Impfstoff könnte dann womöglich auch gegen andere Varianten wirksam sein.
Neben der Entwicklung von Impfstoffen der zweiten Generation, die vornehmlich einen besseren Schutz vor neuen Corona-Varianten bieten sollen, hat sich die weltweite Forschungsgemeinschaft auch noch zwei weitere Aufgaben gestellt. Zum einen gilt es Impfstoffe zu finden, die auch bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, beispielsweise im Verlaufe einer Krebs-Therapie, einsetzbar sein können. Dabei sollen vor allen die T-Zellen des Immunsystems zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 animiert werden. Die Universität Tübingen könnte mit ihrem Peptid-basierten Impfstoff „CoVac-1" ein interessanter Vorreiter werden. Zum anderen sollen als Nasensprays, Nasentropfen oder Inhalationsimpfung applizierbare Wirkstoffe entwickelt werden, die eine starke Immunabwehr speziell in den Atemwegen hervorrufen sollen, damit künftig kein symptomloser Geimpfter mehr das Virus in den Atemwegen beherbergen und andere damit anstecken kann. Am weitesten sind die diesbezüglichen Forschungen laut vfa in China mit dem intranasal anzuwendenden Vektor-Viren-Impfstoff „DelNS1-2019-nCoV-RBD-OPT1" fortgeschritten. Er befindet sich schon in der letzten und aufwändigsten klinischen Phase III.
Über allem steht allerdings der Forschertraum eines Corona-Universal-Impfstoffs, der ähnlich wie bei der Grippe-Impfung einmal jährlich injiziert werden könnte. Dieser Universal-Impfstoff sollte möglichst nicht nur gegen schon bekannte Corona-Viren, sondern auch gegen etwaige neue Varianten schützen. Vor allem Wissenschaftler der University of Northern California arbeiten bereits an einem solchen Durchbruch. Wobei sie nicht mehr wie bei allen bislang zugelassenen Impfstoffen die sich ständig verändernden Zacken des Spike-Proteins des Virus im Fokus haben, sondern sich auf die stabileren Stiele konzentrieren. Mit überschäumendem Optimismus sollte man sich allerdings besser zurückhalten. Denn auch in der internationalen Influenza-Forschung läuft man seit Jahrzehnten vergeblich einem universellen Impfstoff gegen sämtliche zirkulierenden Virus-Varianten hinterher.