Die Füchse Berlin haben die Champions-League-Qualifikation zwar nicht mehr in eigener Hand, doch sich selbst können sie zumindest keinen Vorwurf machen. Das Team baut seine Siegesserie aus, während andernorts der Grundstein für eine noch bessere Zukunft gesetzt wird.
Die Füchse Berlin haben ihre Erfolgsserie ausgebaut und sind weiter im Rennen um die Königsklasse, das erfreut auch Bob Hanning. Schließlich arbeitet der Geschäftsführer seit Jahren akribisch darauf hin, dass der Hauptstadtclub endlich im Konzert der Großen mitspielen darf. Doch in diesen Tagen hat Hanning ein – aus seiner Sicht – noch größeres Ziel vor Augen: den Aufstieg von Kooperationspartner VfL Potsdam in die 2. Handball-Bundesliga. „Da geht es um mehr als um die Qualifikation für die Champions League", sagte er mit Blick auf die Playoff-Spiele gegen die SG Pforzheim/Eutingen.
Diese Aussage hört sich zunächst reichlich vermessen an, doch Visionär Hanning verknüpft mit dem Aufstieg der Potsdamer große Hoffnungen auf langfristig positive Effekte für die Füchse. Denn dann wäre man in der 1. (Füchse), 2. (Potsdam) und 3. Liga (Jungfüchse) vertreten, das Netzwerk mit kurzen Wegen wäre „wohl einzigartig in der Welt", sagte Hanning dem RBB. Er selbst ist das wichtigste Verbindungsstück dafür. Vor der Saison übernahm der Tausendsassa auch noch das Traineramt beim VfL Potsdam, damit nach fast einem Jahrzehnt endlich der Sprung in die 2. Liga geschafft wird. „Er hat den Verein praktisch umgekrempelt", sagte Linksaußen Tim Freihöfer über Hanning: „Er denkt groß und gibt alles für den Verein." Mit Erfolg: Durch den 30:25-Auswärtssieg in Pforzheim hatten sich die Potsdamer einen komfortablen Vorsprung für das Rückspiel in eigener Halle geschaffen.
Das langfristige Projekt der Füchse läuft also, und auch das kurzfristige Ziel ist weiter in Reichweite. Das ungefährdete 31:25 beim HC Erlangen war der vierte Sieg in Serie für die Berliner, die damit zum Spitzenquartett in der Bundesliga zählen. Als Tabellendritter hofft der Club weiter auf die Champions-League-Qualifikation, für die man aber auf Schützenhilfe angewiesen ist. Die großen Hoffnungen, dass der THW Kiel im schweren Nordderby bei der SG Flensburg-Handewitt Federn lässt, erfüllte sich nicht: Der Rekordmeister setzte sich mit 29:28 durch und behauptete seinen zweiten Tabellenplatz hinter dem SC Magdeburg, dem der erste Meistertitel seit 21 Jahren winkt.
Vertreten in allen drei Profi-Ligen?
Den Füchsen ist zumindest der dritte Platz vor den abschließenden Saisonspielen gegen die GWD Minden, HB Balingen-Weilstetten und Flensburg kaum noch zu nehmen. Ob es am Ende noch für mehr reicht, liegt nicht mehr in den Händen der Berliner. Sie wollen die Saison möglichst mit noch drei weiteren Siegen beenden. „Wir versuchen eine ähnliche Performance wie in den letzten Spielen hinzubekommen", versprach Trainer Jaron Siewert. Als Messwert dient das Spiel gegen Erlangen. „Die Höhe und auch das Resultat sind verdient", sagte Siewert, „und so bin ich sehr glücklich, die Phase, die hinter uns liegt, mit einem Sieg in Erlangen gekrönt zu haben." Man habe „über das ganze Spiel den kühlen Kopf" behalten, lobte der Coach. Das zeichne eine Spitzenmannschaft aus.
Natürlich machte der 29-Jährige auch noch Verbesserungspotenzial aus, dafür ist er ein viel zu großer Perfektionist. Sein Team habe in der ersten Halbzeit „mit den Anspielen an den Kreis Probleme" gehabt und im zweiten Durchgang „zu viele Aktionen aus dem Rückraum bekommen". Das kam nicht von ungefähr, denn aufgrund der großen Verletzungssorgen stand in Mijajlo Marsenic nur ein gelernter Kreisläufer im Kader. Der Serbe war am Ende mit acht Treffern trotzdem der erfolgreichste Torschütze und in der Abwehr mit seiner Aggressivität und Robustheit ein gewohnter Rückhalt. Das traf auch auf Torhüter Dejan Milosavljev zu, der starke Paraden zeigte und sich auch als Siebenmeter-Killer bewies. Es ist auffällig, dass sich das Zusammenspiel zwischen Keeper und Defensive deutlich gebessert hat, was zu einer größeren Kompaktheit führt. Dadurch werden die Tempogegenstöße besser eingeleitet, das war auch schon bei den Siegen bei SC DHfK Leipzig (34:25) und gegen Göppingen (37:31) klar zu erkennen.
„Da haben wir uns in meinen Augen stark entwickelt", meinte Sportvorstand Stefan Kretzschmar. Der einstige Weltklasse-Handballer nimmt das Spiel in Leipzig als Paradebeispiel für die Entwicklung des Teams. „Wir haben dort mit sehr viel Tempo gespielt", lobte Kretzschmar: „Das ist Handball, der Spaß macht, Handball wie wir ihn interpretieren und sehen wollen." Hohes Tempo, Leidenschaft, Variabilität, Motivation. Und das bei einem Gegner, gegen den es in der Vergangenheit nicht immer gut ausgegangen war. „Beim letzten Mal sind wir hier rumgesprungen wie die Flummies, jetzt stehen wir da wie begossene Pudel", sagte der DHfK-Geschäftsführer Karsten Günther nach der verdienten Heimpleite der Leipziger.
Auch offensiv überzeugen die Füchse am Ende der kräftezehrenden Saison, vier Siege in Folge mit 30 Toren oder mehr sprechen eine klare Sprache. „Mit dem Angriff können wir mehr als zufrieden sein", sagte zum Beispiel Kapitän Paul Drux nach dem Sieg gegen Göppingen, „das war wirklich stark." Und könnte noch wichtig sein, denn bei Punktgleichheit mit Kiel käme es auf die Tordifferenz an, und die spricht aktuell klar für THW. „Es zählt jetzt jedes Tor und natürlich auch jedes Gegentor", meinte Drux, dem deshalb die 31 Gegentore gegen Göppingen schwer im Magen lagen: „Das ist die Kehrseite der Medaille."
Eines muss man dem Team aber hoch anrechnen: Der Wille ist immer da. Das ist eine positive Entwicklung im Vergleich zu den Vorjahren. „Wir wussten, dass es in den letzten Jahren für uns wenig in Erlangen zu holen gab, das hat für die Extraportion Motivation gesorgt", sagte Nationalspieler Fabian Wiede, „wir waren da und bereit, den Kampf anzunehmen. Immer wieder haben wir uns gut durchgesetzt, den Vorsprung zur Halbzeit erkämpft und das bis zum Ende durchgezogen."
Nicht aus dem Konzept zu bringen
Die Mannschaft lässt sich auch von Rückschlägen im Spiel nicht aus dem Konzept bringen, sie vertraut auf die Automatismen und die eigenen Stärken. Im Tor ist in brenzligen Situationen auf Milosavljev Verlass, die Abwehr hält Führungsspieler Marsenic zusammen, im Rückraum dreht vor allem Wiede immer mehr auf, und im Angriff hat Oldie Hans Lindberg nichts von seiner Treffsicherheit eingebüßt. Hinzu kommt, dass die Vielspielerei der vergangenen Wochen die Füchse eher noch stärker gemacht hat. „Jetzt bekommen wir ein bisschen von dem Gefühl wieder, was wir die letzten Wochen vermisst haben, warum wir gerne so einen engen Rhythmus spielen", erklärte Siewert.
Sollte es am Ende also nicht mit dem zweiten Platz und der Champions-League-Qualifikation klappen, wäre das kein Grund für Trauer im Fuchsbau. Die Saison dürfte als Erfolg verbucht werden, der Abstand zu den Top-Teams ist merklich kleiner geworden. In der kommenden Spielzeit soll dann mit Top-Neuzugang Mathias Gidsel (Dänemark) der Angriff auf den Titel folgen. Der SC Magdeburg beweist gerade, dass die Vorherrschaft der Nordclubs Kiel und Flensburg kein Naturgesetz ist. Mittel- und langfristig wollen die Füchse ohnehin in jedem Jahr titelreif sein, und für diese Zukunftsvision ist der VfL Potsdam ein wichtiger Schlüssel. Ein Aufstieg würde das Handball-Förderungskonzept im Raum Berlin-Brandenburg auf eine neue Stufe heben. Davon würden am Ende der Nahrungskette vor allem die Füchse massiv profitieren. Und genau deshalb ist Hanning das aktuell sogar noch wichtiger als die Champions League in diesem Jahr.