Wasserstoff ist ein sehr flexibler Energieträger und könnte – zumindest in der Theorie – die Aufgaben übernehmen, für die bislang fossile Energieträger genutzt werden. Theoretisch deshalb, weil die Energiegewinnung daraus bislang noch sehr kostenintensiv ist.
Im Grunde gibt es für Wasserstoff vier große Einsatzfelder: Es lässt sich damit synthetischer Kraftstoff für Autos herstellen oder man kann mit ihm in Brennstoffzellen Strom erzeugen. Ein drittes Anwendungsfeld wäre Wasserstoff als Quelle für die Wärmeversorgung in unseren Häusern, und zu guter Letzt lässt sich Wasserstoff auch nutzen, um Rohstoffe für die chemische Industrie zu gewinnen, aus denen etwa Kunststoffe hergestellt werden können, für die man bislang Erdöl benötigt.
Zudem gilt Wasserstoff als wichtiger Speicher für regenerative Energien und somit als erheblicher Faktor der geplanten Energiewende. Bekanntermaßen kommt der Ausbau regenerativer Energien in Deutschland nur schleppend voran. Das liegt zum Teil auch daran, dass es für die durch Windräder oder Photovoltaik erzeugte Energie keine oder kaum Speichermöglichkeiten gibt. Neben Pump- oder Wärmespeichern und Akkus könnte Wasserstoff hier einen wichtigen Part einnehmen, denn anders als eine Batterie, die sich nach und nach entlädt, taugt Wasserstoff auch als langfristiger Speicher ohne großen Energieverlust. Durch das sogenannte Power-to-Gas-Verfahren, also die Umwandlung von Strom zu Gas, entsteht aus regenerativ erzeugtem Strom Wasserstoff. Dieser „grüne" Wasserstoff (siehe Grafik Wasserstoffarten Seite 36) kann dann gespeichert oder über das weit verzweigte Gasnetz verteilt werden.
H2 frisst derzeit mehr Strom, als er liefert
Derzeit ist es so, dass Solarsysteme und auch Windräder zur Schonung der Stromnetze häufig abgeschaltet werden, wenn die Sonne besonders anhaltend scheint oder der Wind sehr stark bläst. Dieser Energieüberschuss ließe sich theoretisch für die Herstellung von Wasserstoff nutzen. Die elektrische Energie würde in chemische umgewandelt, die gasförmig oder als Flüssigkeit gespeichert und transportiert werden kann. Energie aus erneuerbaren Quellen bliebe damit nutzbar und könnte zeitlich unabhängig von Wind und Sonne eingesetzt werden.
Das Problem: Die Mengen an Ökostrom, die für die Herstellung von „grünem" Wasserstoff benötigt werden, sind enorm. Bei der Elektrolyse gehen nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) nach aktuellem Stand der Technik je nach Verfahren 20 bis 40 Prozent der Energie verloren, wie das ARD-Wissenschaftsmagazin „Quarks" berichtet hat. Dazu kommen laut „Quarks" in der weiteren Verarbeitung Verluste bei der Verdichtung (bis zu 15 Prozent) oder Verflüssigung (bis zu 25 Prozent) für den Transport. Schon bevor Wasserstoff als Energieträger tatsächlich eingesetzt wird, geht also ein erheblicher Teil der grünen Primärenergie verloren.
Der gesamte Stromverbrauch in Deutschland – erzeugt durch fossile und regenerative Quellen – liegt derzeit bei etwa 550 Terrawatt-Stunden (TWh) – Tendenz steigend. Sollte diese Energiemenge ausschließlich durch Wasserstoff gedeckt werden, würde allein die Herstellung – wohlwollend geschätzt – mindestens 800 TWh benötigen. Erzeugt allein aus regenerativen Energien. Davon sind wir derzeit weit entfernt, und solange Ökostrom nicht im Überfluss zur Verfügung steht, ist eine großflächige Produktion von Wasserstrom in Deutschland daher sehr umstritten.
Der konsequente Ausbau erneuerbarer Energien ist also unabdingbar für die Zukunftsvision Wasserstoff.
Dabei könnte Wasserstoff die Lösung für den Schwerlastverkehr auf unseren Straßen werden. Auch wenn durch bessere Motoren, bessere Kraftstoffe und durch bessere Abgastechnik der Emissionsausstoß in den vergangenen 20 Jahren erheblich gesenkt werden konnte, ist die Verkehrsleistung, also die Anzahl der gefahrenen Lkw-Kilometer, im selben Zeitraum drastisch angestiegen. Die Folge ist laut Umweltbundesamt ein um 17 Prozent höherer Emissionsausstoß im Jahr 2020 im Vergleich zu 1995. In Zahlen: 45,9 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020.
Im Gegensatz zum Pkw ist ein herkömmlicher elektrischer Antrieb im Lkw keine Alternative. Schon aufgrund des Gewichts eines Lastkraftwagens würde eine riesige Menge an Strom benötigt, um realistische Reichweiten abbilden zu können und damit die Lkw nicht alle 200 Kilometer an die Ladesäule müssten. Hier könnte Wasserstoff dazu genutzt werden, synthetische Kraftstoffe herzustellen, die mit den herkömmlichen Verbrennermotoren genutzt werden könnten, aber sauberer sind als Dieselkraftstoffe. Das Problem: Hier ist die benötigte Menge an Energie zur Herstellung besonders hoch. Nach Angaben von „Quarks" würde die fünffache Menge an Energie benötigt.
Mögliche Lösung für den Lkw-Verkehr
Interessanter ist da schon der Brennstoffzellen-Antrieb. Für den Antrieb in wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen sorgt eine Brennstoffzelle. Ihr Treibstoff ist gasförmiger Wasserstoff, der in einem chemischen Prozess mit Sauerstoff reagiert. Dabei wird die im Wasserstoff gespeicherte Energie als Strom freigegeben, der dann einen Elektromotor antreibt. Ein Brennstoffzellenfahrzeug ist also ein Elektrofahrzeug, das keine schädlichen Emissionen erzeugt. Als Abgas entsteht nur Wasserdampf. Es gibt bereits leistungsfähige Brennstoffzellenfahrzeuge, die Reichweiten von bis zu 700 Kilometern ermöglichen.
Nach Angaben des Energieunternehmens EnBW liegt der Wirkungsgrad einer Brennstoffzelle bei mehr als 60 Prozent. Zum Vergleich: Der Wirkungsgrad eines Benzinmotors liegt nur bei 25 bis 35 Prozent. Derzeit gibt es in Deutschland 94 Wasserstofftankstellen für Pkw. Um eine flächendeckende Versorgung für Wasserstoff-Pkw gewährleisten zu können, rechnet der ADAC eine Anzahl von etwa 2.000 Tankstellen vor. Zum Vergleich: In Deutschland können Autofahrer an mehr als 14.000 Tankstellen Benzin tanken und an gut 33.000 Ladepunkten Strom für ihren Elektrowagen zapfen. Für Lkw sieht der Verband Energie.Wasser.Leben (BDEW) aber weniger die Tankstellendichte, sondern vielmehr die Platzierung als entscheidend an. Also dort, wo der Schwerlastverkehr rollt. Und das sind vorwiegend Autobahnen und viel befahrene Bundesstraßen. Und dort sei Deutschland im europäischen Vergleich auf einem guten Weg. Das Betanken eines Wasserstoffautos dauert laut BDEW gerade einmal etwa vier Minuten. Grundsätzlich wird Wasserstoff in Form von Gas in 350 oder 700 bar getankt, wobei 350 bar vor allem bei Wasserstoffnutzfahrzeugen zum Einsatz kommt. Durch eine doppelte Druckzufuhr kann dem gleichen Tankvolumen aufgrund der Erhöhung der Dichte etwa 67 Prozent mehr Füllung zugeführt werden. Weltweit sei man sich dementsprechend einig, einen Ausbau von 700 bar für Wasserstoff-Pkw und -Lkw stärker zu unterstützen.
Die Reichweite im Verhältnis zu den Tankkosten komme einem durchschnittlichen Benziner nahe, betont der Verband. Auch wenn der Kilogrammpreis von etwa 9,50 Euro (Stand April 2022) für Wasserstoff auf den ersten Blick abschreckend sei, lohne sich ein zweiter Blick. Der Toyota Mirai II, Pionier in Sachen Wasserstoffauto, verbrauche etwa 0,76 Kilogramm Wasserstoff auf 100 Kilometer. Ein VW Golf mit 80 PS hingegen 6,4 Liter Benzin je 100 Kilometer. Für den Mirai ergeben sich dadurch „Spritkosten" von 7,22 Euro pro 100 Kilometer, beim VW Golf Benziner bei derzeit um die 2 Euro pro Liter 12,80 Euro.
Einsatz in Industrie ist eine Kostenfrage
Brennstoffzellen könnten aber auch zum Heizen und zur Stromerzeugung in den eigenen vier Wänden genutzt werden. Die Brennstoffzelle arbeitet nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung, es werden also gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt. Brennstoffzellen-Heizgeräte nutzen dabei ein simples Prinzip: die Elektrolyse – nur auf umgekehrte Weise. Wasserstoff hat die natürliche Eigenschaft, von sich aus zusammen mit Sauerstoff wieder zu Wasser reagieren zu wollen. Unter kontrollierten Bedingungen kommt es ohne externe Energiezufuhr zu einer kontrollierten „Knallgasreaktion". Dieser Vorgang wird als kalte Verbrennung bezeichnet. Hierbei entstehen elektrische Energie und Wärme. Ersetzt man in einem Einfamilienhaus mit circa 42.000 kWh/Jahr Erdgasverbrauch den 25 Jahre alten Gas-Niedertemperaturkessel durch ein hochinnovatives Brennstoffzellengerät, so reduziert sich der Brennstoffbedarf deutlich, rechnet der BDEW vor. Durch die gleichzeitige Stromerzeugung könnten in der Regel etwa 60 Prozent des Haushaltsstrombedarfs durch die Eigenproduktion abgedeckt werden. Jede kWh Strom, die selbst erzeugt und verbraucht wird, reduziere die Strombezugskosten. Überschüssig erzeugter Strom könne zudem ins Netz eingespeist und vergütet werden.
Nicht zuletzt auch in der Industrie könnte Wasserstoff dazu beitragen, künftig große Mengen an CO2 einzusparen und so die Klimaziele zu erreichen – wenn das Problem der kostenintensiven Herstellung gelöst wird. Wasserstoff wird bisher vor allem in der chemischen Industrie, beispielsweise zur Herstellung von Stickstoffdünger verwendet. In Erdölraffinerien wird er zur Raffinierung von Mineralöl oder bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen genutzt. Bei der Stahlerzeugung oder der Ammoniakproduktion werden aktuell meist Kohle oder Erdgas genutzt, in Zukunft könnten auch diese Prozesse zunehmend auf Wasserstoff umgestellt werden.