Seit Fernseher multimediafähig sind, sind zahlreiche Gerätschaften und Utensilien aus dem heimischen Wohnzimmer verschwunden. Sie haben platzraubende CDs, DVDs in Ständern und Schränken, große Boxen und Stereoanlagen und zusätzliche Player überflüssig gemacht. Doch diese Entwicklung hat nicht nur Vorteile.
Die Digitalisierung macht auch vor der guten Stube nicht halt. Noch vor 20 Jahren sah es in vielen Wohnzimmern so aus: Die Sitzgruppe war zum meist maximal 32 Zoll großen Flimmerkasten ausgerichtet, der auf einem Fernsehtischchen stand, in dem auch der VHS-Videorekorder (noch) seinen Platz hatte. Gleich daneben waren Plattenspieler, Kassettendeck und CD-Player der Stereoanlage angeordnet. Vielleicht noch ein mehr oder weniger stylischer CD-Ständer für die passende Musiksammlung daneben. Wer besonders fortschrittlich war, nannte bereits einen der damals sündhaft teuren LCD- oder Plasmafernseher sein Eigen, die – zu jener Zeit gigantische – 109 Zentimeter Bildschirmdiagonale hatten. Dazu vielleicht noch die passende Heimkino-Anlage mit vier Boxen, einem Subwoofer und einer Centerbox, die sowohl Musik-CDs als auch Film-DVDs abspielen konnte, und zumindest klanglich so etwas wie Kino-Atmosphäre ins heimische Wohnzimmer zauberte. Blu-ray-Player waren 2002 noch Zukunftsmusik.
Ja, all das ist noch gar nicht lange her. Und heute? Auch heute ist die Sitzgruppe meist zum Fernsehgerät ausgerichtet, das alleine seiner Größe wegen nicht zu übersehen ist. Galten vor 20 Jahren 42-Zoll-Geräte als Gigantomanie, zählen heute 55-Zoll-Fernseher (140 Zentimeter Bildschirmdiagonale) fast schon wieder zu den kleinen Geräten. 65 Zoll (165 cm) etablieren sich langsam aber sicher als Standard, aber auch 75 Zoll (191 cm) und mehr sind längst keine Ausnahme mehr.
Fernsehtisch und das ganze andere Drumherum sind dagegen heute vielerorts verschwunden. Kleine Tische oder Regale unter dem Fernseher dienen allenfalls noch als Standort für die Spielkonsole. Die Fernseher sind so flach und trotz ihrer Größe so leicht, dass sie sich bequem an die Wand hängen lassen. Manche sind ausgeschaltet sogar nicht einmal mehr als solche zu erkennen, sondern sehen aus wie ein Gemälde (siehe Seite 29) oder eine Glasplatte. Oder ein entsprechender Hightech-Beamer wirft das Bild auf eine Leinwand oder direkt an die Wand und lässt sich danach wieder im Schrank verstauen. Für den ganzen Rest braucht es nur noch ein dünnes Kabel, das mit der Internetbuchse in der Wand verbunden wird. DVD-Filmsammlung? Überflüssig. Musiksammlung auf CD? Nimmt nur unnötig Platz weg. Klobige Boxen? Ein Anachronismus.
Musik und Filme einfach streamen
Moderne Flachbildschirme sind heute smarte Multimedia-Stationen, die alles vereinen. Wie bei einem Smartphone lassen sich diverse Apps installieren. Um Musik zu hören, braucht es nicht mehr die eigene Platten- oder CD-Sammlung, sondern man kann sich beispielsweise bei Spotify, Amazon Music, Apple und ähnlichem seine eigene Playlist zusammenstellen oder sich Musik vorschlagen lassen, die dem eigenen Geschmack entspricht und jederzeit streamen. Oder man installiert einfach eine der zahlreichen Apps, mit denen sich Musiksender aus aller Welt oder geordnet nach Musikrichtungen bis hin zu explizit einem Interpreten oder einer Gruppe individualisieren lassen.
Viele der modernen Multimedia-Flachbildschirme haben ein solch gutes Soundsystem an Bord, das zusätzliche Boxen überflüssig werden. Für andere reicht eine einzelne Soundbar, also eine flache, lang gezogene Box, die unterhalb des Bildschirms liegt oder hängt, um ein tolles Sounderlebnis zu garantieren. Puristen werden an dieser Stelle protestieren und auch weiter auf ihre Boxen schwören, doch für Otto Normalverbraucher sind die genannten Möglichkeiten meist vollkommen ausreichend.
Auch die DVD- oder Blu-ray-Sammlung, die im Ständer verstaubt oder im Schrank Platz wegnimmt, ist dank moderner Fernseher überflüssig. Filme und Serien lassen sich bei Netflix, Sky, Amazon Prime, Disney+, Google Play, Youtube, Apple TV und Ähnlichen ebenso bequem streamen, immer häufiger sogar in UHD – eine entsprechende Internetleitung vorausgesetzt. Und auch für das klassische lineare Fernsehen gibt es immer mehr Mediatheken und Dienste, mit denen der Nutzer die Inhalte genau dann schauen kann, wann er möchte. Der „Tatort" läuft dann eben nicht zwingend am Sonntagabend um 20.15 Uhr, sondern dann, wann der Nutzer möchte. Ebenso die „Heute"-Nachrichtensendung oder die „Tagesschau". Gleiches gilt übrigens auch für alle möglichen Sportveranstaltungen. Auch dafür gibt es entsprechende Anbieter und Apps.
Schöne neue Welt. Oder doch nicht? Wie alles hat auch diese Entwicklung nicht nur Vorteile. Währende die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen kostenfrei zugänglich sind, muss, wer Musik und Filme oder Serien streamen möchte, ein Abo beim jeweiligen Anbieter abschließen. Und das kostet monatliche Gebühren. Meist um die zehn Euro und mehr – pro Anbieter. Wer ganz aktuelle Filme sehen möchte, zahlt oftmals noch einen Aufpreis. Das läppert sich schnell. Sportangebote sind häufig noch teurer. Außerdem geht einem die eigene Musik- oder Filmsammlung verloren, wenn man das Abo beim jeweiligen Anbieter kündigt. Die Inhalte sind nämlich nur auf Zeit geleast und danach nicht mehr nutzbar, da die Daten auf den Servern der Anbieter liegen und nicht etwa auf der heimischen Festplatte.
Sehgewohnheiten werden analysiert
Zudem gibt man bei jedem Anbieter entsprechende Daten über sich preis – und das Nutzerverhalten wird genauestens analysiert. Einerseits ist das bequem, weil ich entsprechend immer genau Musik oder Filme vorgeschlagen bekomme, die ich ohnehin gern höre oder sehe. Andererseits lässt sich so ein genaues Bild der Gewohnheiten des Nutzers zeichnen.
Wer seine eigene Musik- und Filmsammlung hingegen ohnehin bereits digitalisiert hat, braucht die oben genannten Angebote nicht. Die heutigen Multimedia-Geräte bieten genügend USB-Anschlüsse, um die auf Festplatten oder Sticks gespeicherten digitalen Daten direkt von dort abzurufen.
Wer nicht permanent mit seinem Fernseher mit dem Internet verbunden sein möchte, findet auch Geräte ohne Internetzugang, muss aber dennoch nicht komplett auf die oben genannten Inhalte verzichten. Spezielle Sticks machen dies möglich, die sich immer dann per USB-Anschluss anschließen lassen, wenn man mal etwa etwas in einer Mediathek oder Ähnlichem abrufen möchte.
Klassische Smart-TV-Geräte hingegen wollen ständig mit dem Internet verbunden sein, um permanent Apps oder digitale Programmführer und mehr aktualisieren zu können und auf dem neuesten Stand zu halten. In Haushalten, in denen ohnehin eine Spielkonsole wie Play Station, Xbox oder Switch steht, lassen sich auch diese Geräte als Zugang zum Internet nutzen und die gängigen Apps installieren. Der Vorteil: Die Internetverbindung ist nur so lange aktiv, wie die Konsole eingeschaltet ist. Nehme ich sie vom Netz, kann ich trotzdem fernsehen, ohne ständig Daten von mir übers Internet preiszugeben. Und je nach Ausführung sind die Konsolen auch in der Lage, noch die alte CD, DVD oder Blu-ray abzuspielen, von denen sich der Nutzer nicht trennen kann oder will.