Die Klimakrise löst in vielen Menschen nur noch Angst oder Frustration aus – Gefühle, die niemand besonders mag. Dabei erfüllen sie einen wichtigen Zweck: Sie warnen uns, wenn es Zeit ist, aktiv einen neuen Weg einzuschlagen. Das geht bei diesem Thema ebenso – auch jetzt noch.
eder kennt das Gefühl: dem einen verursacht es Druck auf der Brust, während die andere eher eine Art innere Unruhe verspürt. In manchen löst es eine unangenehme Unsicherheit aus, während andere blanke Panik verspüren: Angst. Manche packt diese auch, wenn sie über die Entwicklung unseres Klimas nachdenken. Mittlerweile gibt es sogar einen Fachbegriff dafür: „climate anxiety“, Klimaangst.
Katharina van Bronswijk hat sich schon mit dem Klima beschäftigt, bevor sie Psychologin wurde. Heute bemüht sie sich in der Klimaaktivismusgruppe Psychologists/Psychotherapists for Future (Psy4F) darum, die Klimabewegung mit ihren psychologischen Kenntnissen zu unterstützen. Das machen die Psy4F-Mitglieder zum Beispiel durch Konfliktmoderation, Burnout-Prävention im Klimaaktivismus, mit Kommunikationspsychologie oder Workshops und offenen Gesprächskreisen, in denen sie Menschen die Möglichkeit geben, über Klimagefühle zu sprechen.
„Moralische Appelle alleine reichen nicht“
Klimaangst klingt laut Katharina van Bronswijk ein bisschen wie eine Diagnose, obwohl sie eigentlich gar keine ist. Der Begriff kommt aus der Forschung und ist im Grunde noch gar nicht richtig definiert. Jeder empfindet sie anders. „Ich würde sagen, Klimaangst ist eines der vielen Klimagefühle, die wir haben. Und zwar die ängstliche Reaktion darauf, dass wir diese Bedrohung tatsächlich wahrnehmen. Denn es ist ja tatsächlich eine wissenschaftlich belegte, existenzielle Bedrohung unserer Lebensgrundlagen, die da stattfindet“, erklärt sie. Zusätzlich lägen die Effekte der Klimakrise teilweise so weit in der Zukunft, dass das menschliche Gehirn gar nicht in der Lage sei, dies zu verarbeiten. Das sei auch der Grund, warum der Mensch sich damit so überfordert fühlt.
Vor 30 Jahren wurde in Genf die United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) ins Leben gerufen. Sie hatte das Ziel, ein internationales Abkommen zu beschließen, das eine gefährliche, menschengemachte Störung des Klimasystems verhindert und die globale Erwärmung mit all ihren Folgen verlangsamt. 2015 in Paris entschieden dann über 150 Staats- und Regierungschefs auf der Internationalen Klimakonferenz, einen historischen Schritt zu gehen und sich im Pariser Klimaabkommen gemeinsam dazu zu verpflichten, die Weltwirtschaft auf klimafreundliche Weise zu verändern. Vorrangiges Ziel sollte sein, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad, zu beschränken. Die Probleme sind bekannt, Lösungen liegen auf der Hand. Warum also jetzt nach 30 Jahren noch eine Umwelt-Rubrik starten?
Nicht, um all die Dinge aufzulisten, die seitdem passiert sind – oder nicht passiert sind – was Politik und Wirtschaft also versäumt haben, weshalb wir unser Klimaziel noch nicht erreicht haben. Viele Menschen spüren, dass ihnen das Wasser nicht nur sprichwörtlich, sondern buchstäblich bis zum Hals steht. Denn Alarmrufe gibt es in den Nachrichten, in den Zeitungen und bei Twitter mehr als genug. Entscheidend ist ein Perspektivwechsel. Warum? Weil er bitter nötig ist.
Zum einen hilft es sich klarzumachen, dass Angst per se nichts Schlechtes ist. „Angst ist ja erst mal nur ein Gefühl. Und Gefühle sind eine ganz normale Reaktion der Psyche. Wir haben Gefühle, weil es evolutionär sinnvoll ist, dass wir irgendeine Warnleuchte haben, die angeht, wenn etwas schiefgeht. Und das ist Klimaangst: Unsere Warnleuchte, die sagt: Achtung, hier geht gerade etwas schief!“, so die Psychologin. Zu erkennen, dass etwas schiefläuft, ist also erst mal etwas Gutes. Dann kommt es darauf an, wie man mit dieser Erkenntnis umgeht.
Negativschlagzeilen, Skandalisierung und einseitige mediale Berichterstattung können dazu führen, dass man den kranken Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. An allen Ecken und Enden tauchen plötzlich Probleme auf. So vieles müsste geändert werden und noch dazu am besten alles gleichzeitig. Denn, nicht zu vergessen: die Uhr tickt – und wie der Meteorologe Prof. Dr. Mojib Latif einmal sagte: „Die Einschläge kommen immer näher.“ Denn neben jährlich immer schlimmer werdenden Waldbränden in Australien, Griechenland, Italien und Russland, hat auch die Flutkatastrophe im Ahrtal gezeigt, dass die Folgen des Klimawandels auch in Deutschland keine Illusion, sondern brutale Realität sind.“
Wie also kann man mit einem so großen Problem, das so real und doch so wenig greifbar ist, auf Augenhöhe kommen? „Im Endeffekt geht es darum, dass ich am Anfang ein Problembewusstsein brauche. Dann muss ich gucken, was die Möglichkeiten sind, was ich tun kann. Dann muss ich mich irgendwie motivieren ins Handeln zu kommen. Und ich muss diese Handlungen aufrechterhalten.“ Das klingt allerdings leichter gesagt als getan und ein Blick auf die letzten Jahre zeigt, dass sich mit der Erkenntnis alleine die Welt nicht retten lässt. „Diese Theorie der moralischen Entscheidung besagt, dass moralische Appelle alleine nicht ausreichen, wenn die Hürden für das veränderte Verhalten auf der anderen Seite sehr groß sind. Und das ist der Fehler, den die Umweltbewegung lange Jahre gemacht hat. Dass wir also dachten, wenn wir den Leuten nur sagen, wie groß das Problem ist und mit Moralappellen kommen, dann werden die auch ihr Verhalten ändern“, so die Klimaaktivistin und Psychologin van Bronswijk.
Worin besteht also der Perspektivwechsel? Möglicherweise darin, erst einmal Ordnung in das Chaos der Fragen zu bringen und dabei wenn möglich sinnvolle Prioritäten zu setzen. Denn ja: Im Grunde genommen ist alles wichtig. Aber nein – man kann nicht alle Probleme gleichzeitig lösen. Wobei Lösungen an sich dringend gebraucht werden. Denn anstatt ständig nur davon zu reden, was alles schiefläuft, wäre es auch eine Möglichkeit, einmal darüber zu sprechen, was man eigentlich konkret tun kann.
Auf Augenhöhe mit der Klimakrise gehen
Wenn es ein Problem gibt, sucht man häufig direkt nach einer „schuldigen“ Person. Mehr noch ist es vor allem die Suche nach einem Menschen, der die Verantwortung übernimmt. Und an dieser Stelle kommt auch schon der nächste entscheidende Punkt ins Spiel. „Ich glaube, dass sich tatsächlich viele Menschen politisch ohnmächtig und nicht zuständig fühlen“, erklärt Katharina van Bronswijk und fährt fort: „Wir lernen und verstehen nicht, dass wir die Gesellschaft sind. Wir sind verantwortlich für das, was hier passiert. Und wenn uns das, was in der Politik passiert, nicht passt, dann müssen wir mit den Politikerinnen und Politikern reden. Wir denken, wir wären nur Konsumenten, die auf der empfangenden Seite stehen, aber nicht auf der gestaltenden Seite.“ Und gestalten heißt, mögliche Lösungen aufzuzeigen und zu diskutieren.
Gegen Angst hilft vor allem der Aufbau von Selbstbewusstsein. Und Selbstbewusstsein gibt Sicherheit und macht den Menschen handlungsfähig, sodass er in der Lage ist, mit Problemen umzugehen und sich damit weniger überfordert zu fühlen. Vor allem wenn es ein Problem ist, das eine derart unüberschaubare Dimension hat. Doch auch das muss nicht nur abschreckend sein. Die Größe des Problems bedeutet auch, dass es viele Menschen betrifft. Das wiederum kann bedeuten, dass man das Problem gemeinsam angehen kann und nicht komplett alleine damit dasteht. Und trotzdem heißt es nicht, dass man als einzelne Person nichts bewegt. Denn ohne den oder die Einzelne gäbe es auch keine Gruppe.
Auf manche Fragen gibt es Antworten, auf andere noch nicht. Wegdiskutieren lässt sich die Klimakrise nicht mehr, aber sie lässt sich anpacken. Schritt für Schritt, gemeinsam und mit einem fokussierten Blick auf die Technologien und Lösungen, die die Menschheit über Hunderte von Jahren zustande gebracht hat.
Somit werden wir handlungsfähig, begegnen dem Problem auf Augenhöhe und können am Ende unsere Klimaangst überwinden.