Als Muse oder Aktmodell waren Frauen von jeher in der Kunst beliebt, als Künstlerin oder Gestalterin wurden sie oft übersehen. Das will die Ausstellung „Ansehen! Kunst und Design von Frauen 1880–1940" im Berliner Bröhan-Museum ändern.
Sie waren Malerinnen und Grafikerinnen, Bildhauerinnen, Keramikerinnen und Glaskünstlerinnen, Silberschmiedinnen, Möbel- und Textildesignerinnen. Von den mehr als 20.000 Sammlungsobjekten des Berliner Bröhan-Museums stammen etwa 1.500 von Frauen. Das sind rund 7,5 Prozent. Den knapp 1.000 männlichen Künstlern stehen 99 Künstlerinnen gegenüber. Dieses Unverhältnis zieht sich durch viele museale Sammlungen. Gleichzeitig sind Frauen und weibliche Akte in der Kunst allgegenwärtig. „Do women have to be naked to get into the Met?", fragten schon die Guerilla Girls 1989 das New Yorker Metropolitan Museum of Art (Met). Die feministischen Aktivistinnen wiesen darauf hin, dass weniger als fünf Prozent der Künstler im größten Museum der USA Frauen sind, aber mehr als 85 Prozent der Akte weiblich. Ausgehend von diesem eklatanten Ungleichgewicht widmet das Bröhan-Museum seinen Künstlerinnen erstmals eine exklusive Ausstellung unter dem Motto „Ansehen! Kunst und Design von Frauen 1880–1940".
Bis 1919 Ausschluss vom Kunststudium
Die Schau zeigt mit rund 300 Exponaten zahlreiche Werke aus der museums-eigenen Sammlung sowie ausgewählte Leihgaben. Gemälde und Skulpturen, Designobjekte und Möbelstücke aus den Jahren 1880 bis 1940 werden in ihrem jeweiligen Entstehungskontext präsentiert. Dabei bekommen die Besucher Einblicke in Genderdebatten der Jahrhundertwende, und es werden gesellschaftspolitische Fragen reflektiert. So etwa der Zugang zu künstlerischen Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen und ihre Akzeptanz als Künstlerinnen. Und von der historischen Betrachtung wird der Bogen zu Themen gespannt, die auch heute für Künstler- innen wichtig sind – wie Mutterschaft, Care-Arbeit oder der Gender Pay Gap.
„Schülerinnen finden keine Aufnahme", hieß es bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts in den Statuten der Königlich Preußischen Akademie der Künste Berlins. Auch alle anderen deutschen Kunsthochschulen schlossen Frauen bis 1919 vom Studium aus. Frauen, die den Beruf der Künstlerin ergreifen wollten, blieb daher nur der Weg über private Kunstschulen, sogenannte Damenakademien oder ein Studium im Ausland. Viele Malerinnen gingen deshalb nach Paris. Dort nahmen die renommierten Privatakademien auch Studentinnen auf. Auch freischaffende Künstlerinnen mussten hart um Anerkennung kämpfen, wurden sie doch oft als „Malweiber" verspottet. Noch am ehesten wurde Frauen ein Können als Textilgestalterinnen und Modedesignerinnen zugestanden, galten sie doch als besonders geeignet für Sticken und Stricken, Häkeln, Weben und Nähen. „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib", sagte Oskar Schlemmer 1928 und bediente damit ein damals gängiges Klischee. Nachdem der weiblich konnotierte Textilbereich zunächst lange mit Geringschätzung bedacht wurde, erfuhr er im Jugendstil eine Aufwertung. Gerade die Reformmode um 1900 bot der ein oder anderen Frau einen Einstieg in den Designberuf. Viele private und öffentliche Kunst- und Kunstgewerbeschulen hatten „Frauenklassen", in denen „weibliche Handarbeiten" unterrichtet wurden. Seit den 1920er Jahren waren Frauen nicht mehr nur ausführend tätig, sondern wurden auch als Gestalterinnen immer präsenter. Einige ihrer Werke sind jetzt im Bröhan-Museum zu sehen – so etwa von Marie Schulz, die für die damals beliebten Gauklerfeste fantasievolle Kostüme wie „Spinat mit Ei" oder „Regenbogen" entwarf. Oder Marta Lutz’ Stoffmusterentwürfe im Art Deco-Stil.
Gezeigt werden aber auch Skulpturen der Bildhauerin Chana Orloff. Die französisch-israelische Künstlerin ukrainischer Herkunft gehörte zu der École de Paris, einer künstlerischen Avantgardebewegung in der französischen Hauptstadt im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Ein Schritt hin zu mehr Akzeptanz von Künstlerinnen war 1899 die Gründung der Berliner Sezession. Zu den 68 Gründungsmitgliedern gehörten auch vier Malerinnen: Dora Hitz, Sabine Lepsius, Ernestine Schultze-Naumburg und Julie Wolfshorn.
Silberschmiede galt als Männerdomäne
In der gewerblichen Kunst war das Schmieden von Silber eine Männerdomäne. Im Gegensatz zum formbaren, weichen und daher „weiblichen" Ton ist das Schmieden von Silber harte körperliche Arbeit. So wurde die erste deutsche Silberschmiedemeisterin erst 1912 ernannt. Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der besseren Ausbildungsmöglichkeiten strömten in den 1920er-Jahren immer mehr Frauen in den anspruchsvollen Beruf. Einige Silberschmiedinnen wie Paula Straus oder Erna Zarges-Dürr lernten den Beruf von der Pike auf und sind mit ihren Exponaten auf der Ausstellung vertreten. Zu sehen sind auch Gestalterinnen aus weiteren Branchen wie etwa der Glaskunst, des Möbeldesigns oder der Keramik. Gezeigt werden Werke wie zum Bespiel von Margarete Heymann-Loebenstein, von Vally Wieselthier oder von Hedwig Marquardt. Letztere war eine expressionistischen Malerin, die durch ihre Arbeit für die Kieler Kunst-Keramik AG auch kunsthandwerklich tätig war. Architektur findet ebenfalls Einzug in die Schau. So wird mit Margarete Schütte-Lihotzky eine der Protagonisten des Neuen Frankfurts mit ihrem Küchenentwurf vorstellt. Sie war die einzige festangestellte Architektin in der Frankfurter Baubehörde. Das Neue Frankfurt galt als Modellprojekt für fortschrittliche Architektur und Gestaltung. Schütte-Lihotzkys Küchenmodell richtete sich an die berufstätige Frau der damaligen Zeit: Erwerbstätig und gleichzeitig eingespannt in Haushalt und Kindererziehung. Sie sollte durch eine kompakte, multifunktionale Einrichtung entlastet werden. Dass Männer sich mit an der Haushaltsführung beteiligen, stand damals noch nicht zur Debatte.