Deutschland braucht grünen Strom. Dazu müssen erneuerbare Energien, allen voran Windenergieanlagen, schnellstmöglich ausgebaut werden. Klare Ziele gibt es, Flächen gibt es auch – doch nicht auf allen darf ein Windrad stehen. Deshalb sollen nun Änderungen her.
Deutschland, allen voran Grünen-Politiker und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, arbeitet unter Hochdruck an Lösungen für grünen Strom. Ein erstes Ergebnis: das Osterpaket vom 6. April mit „Sofortmaßnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energien“. Es brachte unter anderem Anpassungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) und neue Verordnungen im Energierecht mit sich. Aber was genau bedeutet das jetzt?
Zum einen hat Deutschland sich zum Ziel gesetzt, dass seine Stromversorgung bereits 2035 nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien beruhen soll. Dafür braucht es neue Flächen und verbesserte Rahmenbedingungen für den Ausbau von Fotovoltaikanalagen, die Ausweitung der Beteiligung der Kommunen sowie die Erschließung windschwacher Standorte. Auch den Ausbau der Windenergie will man entschieden vorantreiben mittels der Ausschreibung bereits voruntersuchter Flächen sowie bisher nicht voruntersuchter Flächen. Damit das glücken kann, müssten vor allem Hemmnisse abgebaut und Planungs- und Genehmigungsverfahren verschlankt werden. Aus einem Planfeststellungsverfahren bei bereits untersuchten Flächen für einen Offshore-Windpark wird ein Plangenehmigungsverfahren – das geht schneller. Und wie soll sich die Flächennutzung für die Erneuerbaren an Land ändern?
Zwei-Prozent-Klausel für Windkraft
Die Anpassungen im EEG sollen diese Energien bis 2030 auf 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs anheben. Damit würde der Anteil innerhalb eines Zeitraums von weniger als einem Jahrzehnt quasi verdoppelt. Damit das EEG-Ausbauziel erreicht wird, müssen zwei Prozent der Bundesfläche für Windenergie ausgewiesen werden. Daher wurden erneuerbare Energien jetzt als „vorrangiger Belang“ fest im Gesetz verankert: Anlagen für Erneuerbare werden damit rechtlich deutlich aufgewertet und sogar sicherheitsrelevant für den deutschen Staat. Konkretes Ziel: Im Jahr 2030 sollen Windenergieanlagen an Land im Umfang von insgesamt rund 115 Gigawatt (GW) installiert sein. Zur Einordnung: Im November 2021 waren laut Umweltbundesamt rund 0,8 Prozent der Landesflächen planerisch festgelegt. Nach Abzug der Flächen, die durch Einschränkungen nicht nutzbar sind, blieben gerade mal 0,52 Prozent Fläche für Windenergieanlagen an Land übrig. Diese böte ein Leistungspotenzial von 20 GW. Die Fläche, die bislang für Windkraft ausgewiesen war, konnte zudem nicht einmal ausgeschöpft werden: 30 Prozent der geplanten Leistung auf von 2016 bis 2020 ausgewiesenen Flächen blieb ungenutzt – wegen Mindestabstandsregelungen oder anderen Beschränkungen.
Da jedoch genau jene Hemmnisse bei Wind an Land nicht im EEG gelöst werden können, hatte Robert Habeck bereits ein gesondertes Gesetzpaket mit dem Titel „Sommerpaket“ angekündigt, das sich vor allem auf Regelungen zu Flächen, Genehmigungssituation und Artenschutz beziehen soll. Ein erster Teil dieses Sommerpakets wurde am 15. Juni vom Bundeskabinett vorgestellt, der zweite Teil soll am 6. Juli beschlossen werden.
Jene Flächenplanung ist für den Ausbau von Windenergieanlagen von entscheidender Bedeutung. Der Eindruck, es stünden mehr als genug Flächen zum Ausbau von Windenergieanlagen zur Verfügung, täuscht. Denn bei der Flächennutzung prallen zahlreiche unterschiedliche Interessen aufeinander – auch jene von Bund und Ländern. Auch hier gibt es offenbar auf Gesetzesebene noch Verbesserungsbedarf. Ein erster Schritt ist daher die Neukonzeption der Länderöffnungsklausel, die die derzeitigen landesrechtlichen Mindestabstände für den Bau von Windenergienanlagen wieder kippen könnte. Denn diese Mindestabstände erschwerten es den Bundesländern teilweise, überhaupt geeignete Flächen für Windräder zu finden – sofern sie dies politisch überhaupt wollten. So in Bayern mit seiner Zehn-Hektar-Mindestabstandsregelung zu Wohnbebauung oder in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg mit einem Mindestabstand von 1.000 Metern.
Teil eins von Habecks Sommerpaket hat jetzt verbindliche Flächenziele für den Bau von Windrädern für jedes einzelne Bundesland vorgegeben und damit den Druck auf die Bundesländer erhöht, trotz Mindestabstandsregelungen mehr Fläche auszuweisen. Dabei dürfen die Bundesländer zwar weiterhin über Mindestabstände entscheiden, allerdings nur so lange, wie sie auch ihre Flächenziele erreichen. Ist dies nicht der Fall, treten die landesspezifischen Abstandsregelungen außer Kraft.
Da die Verfehlung der Flächenziele künftig auch Folgen für die Planungen der Länder haben wird, sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren unter anderem durch Digitalisierung erleichtert werden. Dazu braucht es natürlich auch genügend Fachpersonal, das über den zweiten Teil des Sommerpakets kommen soll.
Träger Ausbau wegen Immissionsschutz
Die Tatsache, dass Fläche da ist, heißt nicht, dass man sie auch nutzen darf. Was damit geschehen darf und wie, regeln die Raumordnungspläne auf Bundes-, Länder- und regionaler Ebene. Und dann gibt es noch den Flächennutzungsplan einzelner Kommunen. Dabei handelt es sich um einen vorbereiteten Bauleitplan, der Auskunft über Bauflächen, Baugebiete, Verkehrsflächen und Grünanlagen gibt. Er hat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern jedoch keine unmittelbare rechtliche Wirkung, weshalb er nicht zu verwechseln ist mit dem Bebauungsplan. Durch das Sommerpaket bekommen die Länder nun die Möglichkeit, die verbindlichen Flächenziele in Raumordnungsplänen auszuweisen oder sie im Rahmen der Bauleitplanung an die Kommunen zu delegieren und gegebenenfalls benötigte Flächenbeiträge länderübergreifend zu verhandeln.
Unabhängig jedoch davon, ob ein wirksamer Flächennutzungsplan zur Steuerung der Windenergie vorliegt oder nicht: Die Grundlage für den Betrieb einer oder mehrerer Windenergieanalagen bleibt ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Dieses berücksichtigt beispielsweise Interessen des Naturschutzes, Emissionsprüfungen wie Lärm, Wohnorte oder touristische Nahschutzgebiete, weshalb letztlich doch ein Mindestabstand gegeben sein dürfte. Die Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz werden je nach Bundesland von unterschiedlichen Behörden auf unterschiedlichen Ebenen begleitet. Auch Gerichte sind natürlich an dem Thema Windkraft maßgeblich beteiligt, etwa wenn einer Planung eines Windrades durch eine Bürgerinitiative oder Naturschutzbehörde widersprochen und eine Klage eingereicht wird. Durch die rechtliche Aufwertung der erneuerbaren Energien verspricht sich die Bundesregierung schnellere Gerichtsverfahren.
Für saarländische Genehmigungsverfahren gilt die Regelung einer Umweltverträglichkeits-Vorprüfung für Windparks ab drei Anlagen. Durch diese Vorprüfung kann sich die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ergeben. Die UVP-Pflicht gilt grundsätzlich ab einer Anzahl von 20 Windanlagen. Dabei wird geprüft, welche Auswirkungen das Bauvorhaben auf Mensch und Umwelt haben wird. Im Falle einer UVP-Pflicht sind an dem Verfahren neben den Trägern öffentlicher Belange auch die Öffentlichkeit, also Bürgerinnen und Bürger, zwingend zu beteiligen. Sollte sich aus der Vorprüfung ergeben, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist, wird das Ergebnis öffentlich gemacht und eine weitere Beteiligung der Öffentlichkeit entfällt.
Mal wieder zeigt sich: Theorie ist nicht gleich Praxis. Nur weil theoretisch freie Flächen für Windräder existieren, heißt das nicht, dass dort auch in der Praxis Windräder gebaut werden können – auch nicht, wenn die Bundesregierung die Genehmigungsverfahren vereinfacht. In einer Schutzgüterabwägung hat sie sich nun pro Klimaschutz entschieden. Den Anti-Windkraft-Bürgerinitiativen wird dies sicherlich nicht den Wind aus den Segeln nehmen.