Es schien das erstrebenswerte Ziel überhaupt: Work-Life-Balance. Arbeit und Privatleben im Einklang, zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Wohl des Unternehmens hoch motiviert sind. Der Einfallsreichtum, wie das zu schaffen ist, war beachtlich, eine neue Branche an hilfreichen Geistern im Beratergewand entwickelte sich und wuselte mit nicht selten selbstkreierter Expertise durch Flure, Konferenzräume und Foyers. Verschwunden sind sie nicht ganz, aber heute geht es um ein ganz anderes Ausbalancieren.
Sich an den (bislang) heißesten Tagen Gedanken ums Heizen zu machen und dabei alles einigermaßen cool im Gleichgewicht zu halten, ist eine Herausforderung der besonderen Art. Wenn dann noch Waldbrände im Lieblingsurlaubsgebiet dazu kommen, löst das Klimathema kurzfristig den Krieg und die Folgen wieder ab. Omikron in welcher Subvariante auch immer hat da kaum noch eine Chance auf einen der ersten beiden Plätze in der Aufmerksamkeitsskala. Zu Unrecht.
Konzerte, Sport, große Stadtfeste sind zwar wieder scheinbar unbeschwert möglich, gleichzeitig muss ein erstes Krankenhaus einen Besucherstopp verhängen, in anderen Häusern gelten einschränkende Besuchsregelungen. Wenn das die „Sommerwelle" ist, was erwartet uns dann im Herbst? Die Aussicht auf Quarantäne oder Homeoffice in kühleren Wohnungen? Klingt nicht gerade nach Work-Life-Balance.
Die Welt sortiert sich gerade neu, wir werden es in unserem Verhalten auch müssen. Die Frage ist, ob es dabei gerecht zugeht. Aber was ist gerecht? Eine „Reichensteuer", um explodierende Energiekosten abzufedern? Und gäbe es eine gerechte Priorisierung bei massiven Energie-Engpässen?
In normalen Zeiten stünde bei vergleichsweise einfachen Abwägungen ein mehr oder minder gelungener Kompromiss am Schluss. Nur sind die Zeiten nicht normal.
In den Unsicherheiten der Pandemie ist die Zunft der Ethiker bei gravierenden Entscheidungen wieder entdeckt worden. Es wäre mit Blick auf den Herbst geboten, sie erneut zu fragen.
Wenn schwere Entscheidungen notwendig werden und sie zwangsläufig massive Folgen haben – und dafür spricht der Krisendreiklang aus Krieg, Klima und Corona – dann müssen sie klar und gut begründet werden. Ansonsten können wir uns Appelle an Solidarität ziemlich sparen.