Kaum hat Tesla in Grünheide seine weltweit fünfte Gigafactory eröffnet, stehen die Laufbänder vorübergehend still. Gleichzeitig protestieren Umweltschützer gegen eine Erweiterung und der Verbraucherverband klagt wegen Greenwashing.
Telefoniert man mit Manuela Hoyer über die Tesla Gigafactory in Grünheide, kann man regelrecht hören, wie wütend die Gesprächspartnerin am anderen Ende der Leitung ist. Die Aktivistin der Bürgerinitiative Grünheide erzählt von dem Wasser, das mit Tanklastwagen auf Fahrwegen des Fabrikgeländes versprüht wird. „Angeblich soll es sich dabei um Regenwasser handeln", sagt die gebürtige Berlinerin gegenüber FORUM. Auch auf Anfrage der ortsansässigen „Märkischen Oderzeitung" sprachen das Landesamt für Umwelttechnik (LfU) und die zuständige Wasserbehörde des Landkreises einstimmig von „aufgefangenem Regenwasser". Doch das, so der Einwand der Aktivistin, könne „rein rechnerisch nicht funktionieren". Schließlich hat es schon seit Wochen in der Gegend gar nicht oder kaum geregnet. „Wir alle kennen die langen Trockenphasen innerhalb der letzten Monate in Brandenburg." Jetzt vermuten Manuela Hoyer und ihre Mitstreiter, dass es sich um kontaminiertes Wasser handele, das ständig versprüht wird und ungehindert ins Grundwasser gelangt. Hoyer weist auch darauf hin, dass in der Nebenbestimmung der Baugenehmigung für die Fabrik formuliert sei, das Areal „ständig feucht zu halten".
Wasserverbrauch wird rationiert
In den sozialen Netzwerken kursierte vor Kurzem ein Videofilm über die Wasser spendenden Tankwagen auf dem Tesla-Gelände. Bilder, die gerade an heißen, trockenen Tagen ihre Wirkung nicht verfehlen, besonders bei den Anwohnern. Schließlich hat die Kommune den Wasserverbrauch für die Bürger „massiv rationiert", wie Manuela Hoyer sagt. Neu Zugezogene dürften nur noch 105 Liter pro Tag verbrauchen, und für die sogenannten Alt-Kunden gilt die Bestimmung ab 2024, berichtet sie. Seit es die Fabrik gebe, habe sich das „Mikroklima verschlimmert", erzählt die Aktivistin weiter. Die Luft sei „viel heißer" geworden, und man habe „letztendlich eine Staubwüste" in Grünheide. Menschen, die in der Nähe der Fabrik wohnten, berichteten von einem beißenden Geruch, der nachts ausströme. „Wir wissen, dass dort nachts in der Lackiererei etwas abgeblasen wird, aber nicht, ob und welche Filteranlage genutzt wird." Deswegen, so weiß Manuela Hoyer, wurde auch eine Strafanzeige wegen Luftverschmutzung gegen Unbekannt gestellt. Den Akteuren der Bürgerinitiative ist laut Manuela Hoyer auch unverständlich, warum die Elektroautofabrik „ohne Baugenehmigung und mit 19 vorzeitigen Zulassungen nach BImsch (Bundesimmissionsschutzgesetz, Anmerkung der Redaktion; Anm. d. Red.) § 8a gebaut werden durfte." Das Areal befindet sich in einem Wasserschutzgebiet, unzählige Bäume fielen dem Fabrikbau zum Opfer. Dabei wüssten im „Zuge des Klimawandels" doch alle, dass Bäume „große CO2-Speicher" seien, sagt die Umweltaktivistin. Und von der rot-grünen Brandenburger Landespolitik fühlt sie sich nicht ernst genommen: „Die Politik belügt uns nach Strich und Faden."
Noch vor Monaten nahmen Landes- und Bundespolitiker die Eröffnung der Fabrik voller Euphorie auf. Kein Wunder, bestand doch die Hoffnung, dass das strukturschwache Brandenburg dank Tesla einen wirtschaftlichen Aufschwung erfährt. Eine „unglaublich positive, europaweite Strahlkraft" gehe von dem Projekt aus, sagte vor einem Jahr Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen). Man werde jetzt erleben, dass die Umstellung auf Elektromobilität viel schneller vonstattengeht, als man das vor ein paar Jahren noch gedacht hätte. Überschwängliches Lob erntete Tesla-Chef Elon Musk gleichwohl von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, als das weltweit fünfte Teslawerk in Grünheide im Frühjahr eröffnet wurde. Der grüne Bundesminister lobte den US-Amerikaner für seine „Unternehmens-Wagemut-Kultur". Beeindruckt zeigte sich Robert Habeck auch vom Tempo des Fabrikbaus. Diese kurze Zeit könne ein bisschen auch eine Maßgabe sein für Tesla-Tempo in anderen Bereichen, so Habecks Hoffnung.
Produktionsstopp in der Gigafactory
Der US-Elektroautobauer hat eigenen Angaben zufolge im vergangenen Quartal seinen Umsatz auf 16,9 Milliarden Dollar im Jahresvergleich gesteigert. Der Gewinn lag bei knapp 2,3 Milliarden Dollar. Im Vorjahresquartal erzielte der Konzern rund zwölf Milliarden Dollar Umsatz bei einem Gewinn von rund 1,1 Millionen Dollar. Trotzdem hat der Firmengründer und Milliardär Elon Musk seine Werke in Grünheide und in Texas Ende Mai in einem Video-Interview als „gigantische Geldverbrennungsöfen" bezeichnet. Die Standorte würden ihn Milliarden kosten. Ihr Ausstoß sei viel zu gering, die Kosten zu hoch und es gebe Lieferkettenprobleme. Es sagte, er sorge sich darum, dass die Fabriken nicht pleitegingen, wie man sie am Laufen halten könne, um die Arbeiter zu bezahlen. Kritiker sehen darin eine Drohung an die Mitarbeiter, mit der die Werke in Texas und Grünheide auf maximale Ausbeutung und Profitabschöpfung getrimmt werden sollen. Wie auch immer: Derzeit befindet sich die Gigafactory in Grünheide in einem Produktionsstopp bis Ende Juli. Genaueres wurde nicht bekannt. Das Unternehmen ließ nur verlauten, die Pause sei Bestandteil einer „Umbauphase", um Abläufe zu „optimieren und nachzujustieren". Laut dem Firmenmagazin „Teslamag" soll das Arbeitstempo je Produktionsschritt von gegenwärtig 90 auf 45 Sekunden beschleunigt werden.
Kritik muss sich das Unternehmen auch hinsichtlich des sogenannten Greenwashings gefallen lassen. Nach Auffassung des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZVB) verbreitet Tesla irreführende Werbung zu Kohlendioxidemissionen. Der US-Konzern wirbt zwar auf seiner Webseite damit, dass Tesla-Fahrzeuge keine CO2-Emissionen hätten. Aber er verschweigt gleichzeitig, dass er einen Milliardenumsatz durch den Verkauf von „Emission Credits" macht. Mit dem Handel von Emissionsrechten ermöglicht es Tesla anderen Herstellern, die für ihre Fahrzeugflotte geltenden Grenzwerte zu überschreiten. Nach Auffassung des Bundesverbandes gehen Käufer davon aus, dass sie durch die Anschaffung des Fahrzeugs den CO2-Ausstoß durch Pkw insgesamt verringern. „Für viele ist das ein entscheidender Anlass zum Umstieg auf ein E-Auto", heißt es auf der Webseite des VZBV. Der Verband reichte bereits im Mai eine Klage beim Landgericht Berlin ein.
Ende Mai wurde außerdem bekannt, dass der Elektroautobauer eine Erweiterung der Fabrik in Grünheide plant. Die zusätzlichen Flächen sollen hauptsächlich für Logistik-Einrichtungen einschließlich eines Güterbahnhofs genutzt werden, aber auch für einen Betriebskindergarten. Wenn dem Antrag von Tesla stattgegeben wird, würden weitere 170 Hektar Wald gerodet werden. „Das wäre auch mehr als die Hälfte der schon gerodeten Fläche", sagt Manuela Hoyer. „Wir werden alles versuchen, den B-Plan, das heißt die weitere Bebauung durch Tesla, zu verhindern." Manuela Hoyer hält die E-Mobilität für „eine Brückentechnologie". Sie fürchtet, dass in zehn Jahren oder früher Elon Musk wieder abziehe, und dann werde in der Gegend eine Fabrikruine stehen.