Am 16. August wird Ministerpräsident a.D. Reinhard Klimmt 80. Er hat Höhen und Tiefen der Politik und im Sport erlebt, Siege gefeiert und Niederlagen verkraftet, ist sich dabei in seinen Haltungen und Leidenschaften treu geblieben – und weiter vielfältig engagiert.
Es hätte alles auch ganz anders kommen können. Der junge Reinhard Klimmt hat während seiner Cello-Übungsstunden in Osnabrück wohl kaum damit geliebäugelt, einst als Ministerpräsident eines Bundeslandes und als Bundesminister in höchsten politischen Ämtern Verantwortung zu übernehmen. Eher vielleicht schon, sich irgendwann den Traum eines Hauses voller Bücher erfüllen zu können.
Klimmt kam zum Studium der Geschichte ins Saarland. Und das hat ihn dann nicht mehr losgelassen. Heute, kurz vor seinem 80. Geburtstag, arbeitet er noch an einer weiteren Publikation über historische Entwicklungen des Landes, in dem er das Auf und Ab in der Politik, aber auch im Sport durchlebt und erfahren hat. Das Land hat sein Gesicht in diesen Jahrzehnten verändert. Als Klimmt Vorsitzender der Saar-Jusos war, war der das Land prägende Bergbau schon unter Druck wegen der preisgünstigeren internationalen Konkurrenz. Auch im boomenden Stahlbereich zeichneten sich Anfang der 1970er-Jahre erste dunkle Wolken ab, die Stahlkrise 1975 erschütterte das Land.
Im Saarland dominierte zu dieser Zeit die CDU unter Ministerpräsident Franz-Josef Röder, der von 1959 bis 1979 20 Jahre an der Regierungsspitze stand. Gleichzeitig prägte die 68er-Bewegung mit ihren Folgen die politische Entwicklung der Bundesrepublik. Willi Brandt hatte eine neue politische Ära als Außenminister und später Bundeskanzler eingeläutet. Für Reinhard Klimmt ist Brandts politische Orientierung, insbesondere die Friedenspolitik, bis heute ein wesentlicher Maßstab. Die SPD unter Willi Brandt ist Klimmts politische Heimat. Nicht selten hat er deshalb gehadert, wenn die Partei sich auf andere Wege begeben hat.
Entwicklung des Landes gestaltet
„Soziale Gerechtigkeit, Solidarität und die gerechte Verteilung gemeinsam erwirtschafteter Reichtümer sind für mich zentrale Punkte der SPD-Programmatik", betonte Klimmt zu einer Zeit, als er die Partei mit einem „Modernisierungskurs" auf Abwegen sah. Klimmt war Mitglied der Grundsatzprogrammkommission, die das „Hamburger Programm" von 2007 unter dem Motto „Fortschritt und Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert" formulierte.
Das politische Wirken war eng und lange Zeit untrennbar mit dem von Oskar Lafontaine verbunden. Lafontaine, der ungestüme Katholik und Jesuitenzögling, und Klimmt, der pflichtbewusste evangelische Ausputzer.
Das klingt vielleicht etwas sehr plakativ, beschreibt aber im Kern ein Politikerduo, welches das Saarland in bewegten Zeiten und existenzbedrohenden Krisen geprägt hat. Oskar Lafontaine hat als SPD-Ministerpräsident die erste große Teilentschuldung verhandelt, Klimmt als Nachfolger an der Regierungsspitze die zweite Teilentschuldung in trockene Tücher gebracht.
Die Rollenverteilung war über lange Strecken klar. Während Lafontaine als Oberbürgermeister Saarbrückens das Gesicht der Landeshauptstadt umzukrempeln begann, hielt Klimmt die Saarbrücker SPD zusammen. Nach dem Wahlsieg seiner Partei 1985 wurde Lafontaine Ministerpräsident, Klimmt mächtiger Chef einer mit absoluter Mehrheit ausgestatteten Fraktion. 1990 managte er den Bundestagswahlkampf für Kanzlerkandidat Lafontaine, der mit seinen Positionen nach dem Fall der Mauer im Jahr zuvor aber keine Chance hatte. Als Lafontaine 1998 Bundesfinanzminister wurde, wurde Klimmt Ministerpräsident im Saarland. Gestützt auf eine absolute Mehrheit konnte er nun die Geschicke des Landes lenken. Die turnusgemäße Wahl 1999 sah zunächst wie ein Selbstläufer aus, bis zum Paukenschlag im März. Lafontaine warf die Brocken hin, trat im Streit mit Kanzler Schröder als Finanzminister und gleich von allen anderen Ämtern auch zurück.
Entwicklung des Landes gestaltet
Die Stimmungslage gegenüber den Sozialdemokraten hatte sich bundesweit gedreht, im Heimatland Lafontaines löste der Rücktritt Entsetzen und Enttäuschung aus. SPD-Wähler blieben der Wahl fern, Klimmt verlor in einem Wahlkrimi mit wenigen Tausend Stimmen gegen CDU-Herausforderer Peter Müller. Entsprechend groß waren Frust und Verärgerung.
Die anschließende Zeit als Bundesverkehrsminister währte nur kurz, Klimmt trat wegen einer Finanzaffäre beim 1. FC Saarbrücken zurück. Die Leidenschaft für den Fußball und seinen Verein, den er als Präsident vor einem drohenden finanziellen Aus retten wollte, wurden zum Stolperstein. Sich Reinhard Klimmt ohne den Fußball vorzustellen ist ebenso unmöglich wie ohne seine andere große Leidenschaft: Bücher. Nach Ende der politischen Karriere konnte er diese Leidenschaft richtig ausleben, als Autor, Herausgeber, Verleger, Antiquar – und natürlich als Sammler.
Zusammen mit seinen ehrenamtlichen Engagements, die er weiter ausübt, steht Klimmt auch mit (demnächst) 80 weiter mitten im öffentlichen Leben. Mit seinen Erfahrungen – und beachtlichen Netzwerken. Seine Stimme hat weiter Gewicht.