Einfache Dinge können sich als ziemlich schwierig entpuppen. Wer ausrechnen will, wann die obligatorische Hunderttage-Bilanz einer Regierung zu ziehen ist, muss erst klären, wann Tag Eins war. Wahl der Regierungschefin? Vereidigung der Minister? Erste Kabinettssitzung? Egal, die hundert Tage sind eh längst vorbei und die Politik im Land hat sich einigermaßen sortiert.
Die allein regierende SPD vermittelt Lust am Regieren und Gestalten. G9 ist das sichtbarste Zeichen, auch wenn das zu Beginn nicht ganz rund lief. Die Ford-Entscheidung ist ein markantes Datum für das Land, letztlich aber nicht völlig überraschend. Die Regierungsspitze vermittelt zumindest, dass es einen Plan B (vielleicht auch C) gibt und daran hartnäckig gearbeitet wird. Das Ziel von 400.000 „guten" Arbeitsplätzen ist eben doch nicht unterambitioniert. Die ersten Monate wirken stringent, die Rollenverteilungen sind klar. Das soll auch so manche in den Ministerien mit anderer politischer Farbe aufatmen lassen.
Die CDU ist nach dem ersten großen Wundenlecken dabei, ihre Oppositionsrolle zu definieren. Partei- und Fraktionschef Stephan Toscani macht offenkundig Druck bei der inhaltlichen Neuaufstellung. Die ersten Haushaltsdebatten im Landtag versprechen seit Langem wieder eine muntere Diskussion im Hohen Haus. Mit der in der Fraktion versammelten Erfahrung kann sich die CDU profilieren, schwieriger wird es mit der Neuaufstellung der Partei.
Die übrigen Parteien haben sich weitgehend selbst abgemeldet. Die AfD-Fraktion im Landtag ist ohne Kontur, die Partei weiter mit sich selbst beschäftigt. Die Grünen, denkbar knapp bei der Wahl gescheitert, melden sich zwar zu Sachthemen zu Wort, sorgen aber vor allem mit der Fortsetzung der internen Querelen für Schlagzeilen. Die FDP äußert sich zwar regelmäßig inhaltlich, ist aber als Partei in der dritten außerparlamentarischen Legislatur kaum sichtbar. Die Linke ist nach dem Wahldesaster abgetaucht.
Das Land bleibt auch bald fünf Monate nach der Wahl eine „Sonderpolitikzone". Mit kleinen Parteien, die zu großen Teilen selbst dafür sorgen, dass sie kaum Gewicht haben, und zwei Volksparteien, die jetzt klar verteilte Rollen haben, sich aber wie zuvor in der Groko zur Verantwortung für ein Land in Umbrüchen bekennen.
Oliver Hilt, Politik-Redakteur bei FORUM