Ob in Frankreich, Spanien oder Deutschland, nahezu jede Woche gibt es in diesem Sommer einen größeren Waldbrand. Trauriger Spitzenreiter hierzulande ist Brandenburg mit 600 Bränden in den Forsten pro Jahr.
Erst vor einer Woche galt Warnstufe A in Hessen. Ein Waldbrand bei Königstein im Taunus. Das Feuer loderte und flammte lichterloh. Es fraß sich durch Sträucher, Geäst und Bäume und breitete sich schnell aus bis zu einer Fläche von etwa 25.000 Quadratmetern. Der Brand im Taunus ist einer von unzähligen in diesem Sommer in Deutschland. Auch in vielen anderen Ländern Europas brennt es in den Forsten. Wie gefährdet ist konkret der deutsche Wald, der seit Jahrhunderten vielfach gemalt, besungen und geradezu mythisch verehrt wird?
„Wir stehen an einer neuen Ära, der Ära des Pyrozäns", zitierte neulich das Wochenmagazin „Zeit" den Forstwissenschaftler Johann Goldammer. Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Universität Freiburg, betrachtet Goldammers Prognose von einem neuen Erdzeitalter des Feuers verhaltener. „Ich wäre vorsichtiger", sagt er im Gespräch. „Sicherlich wird das zukünftige Klima Feuer begünstigen. Wie wahrscheinlich die Zunahme des Feuers ist, hängt aber davon ab, wie wir uns darauf einstellen werden." So hängt das Schicksal des Ökosystems Wald an einem seidenen Faden, den der Mensch in seinen Händen hält. Noch eine Spur optimistischer klingt die Einschätzung von Michael Müller, Professor für Waldschutz und Waldbau an der Technischen Universität Dresden. „Deutschland ist kein Waldbrandland", sagt er. „99 Prozent der Waldbrände bleiben klein, die haben wir gut im Griff." Dieser Großteil der Waldbrände betreffe eine Feuerfläche unter einem Hektar. „Wir sind Weltspitze in der Waldbrandüberwachung", erläutert er. „Wenn irgendwo in Deutschland ein Wald brennt, erkennen wir das innerhalb von zehn Minuten, und zumeist ist 15 Minuten später die erste Feuerwehr da." Trotz hervorragender Überwachung gibt es heikle Fälle. „Die Großbrände, die wir gesehen haben, das heißt Feuer über zehn Hektar Brandfläche, fanden fast alle in munitionsverseuchten Gebieten statt, weil dort aus Sicherheitsgründen nicht unmittelbar gelöscht werden kann", erzählt Michael Müller. Erst vor Kurzem kam es zu mehreren Bränden im Berliner Grunewald, die tagelang andauerten. Auf dem Areal lagert die Polizei Munition, alte Granaten, Weltkriegsbomben und beschlagnahmte Feuerwerkskörper. In anderen Wäldern erschweren spezielle lokale Gegebenheiten wie Gebirgslagen oder Bergbaufolgelandschaften eine schnelle Löschung ebenso.
Selbstentzündung nicht möglich
Lang anhaltende Hitze und Klima sind nicht ursächlich für Waldbrände verantwortlich. Das sagen auf Anfrage von FORUM Christopher Böttcher, Meteorologe und Waldbrandexperte des Deutschen Wetterdienstes (DWD), und der Forstwissenschaftler Michael Müller unisono. „Es gibt keine Selbstentzündung, denn dazu wird mindestens eine Temperatur von 300 Grad benötigt", erläutert Michael Müller. Hauptverursacher von Waldbränden sind die Menschen durch konkretes Tun. „Da reicht schon eine Zigarette", sagt Christopher Böttcher vom DWD. Ebenso verheerend können der Funke eines Lagerfeuers, der Funkenschlag eines Gerätes bei Erntearbeiten oder vor allem vorsätzliche Brandstiftung sein. Hinzu kommen natürliche Ursachen wie Lavaströme und Blitzeinschläge. „Wir haben circa 400.000 Blitzschläge pro Jahr in und über Wäldern in Deutschland", so Forstwissenschaftler Michael Müller. Doch nur durchschnittlich 100 führten zu Waldbränden, die zudem fast immer sehr klein blieben.
Klimaveränderungen und Wetter spielen dennoch eine wichtige Rolle bei Bränden im Forst. Vor allem wenn es um die Expansion des Feuers geht. „Wenn es längere Hitzeperioden gibt und die Luftfeuchtigkeit unter 40 Prozent sinkt, trocknet das Brennmaterial aus", sagt der Experte. In Deutschland betroffen seien vor allem die Regionen Brandenburgs. Sie machten mit 600 Bränden pro Jahr jeden zweiten Waldbrand aus. Aber auch Teile Niedersachsens, Sachsen-Anhalts, Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsens seien betroffen, da dort viele nicht natürliche Kiefernwälder leicht brennbare Bodenvegetation und Streuauflagen hervorbrächten. Kommen diese Materialien mit Feuer in Berührung, wird aus einem leicht entflammten Blatt, Zweig oder Holzstück schnell ein großer Waldbrand. Gut durchfeuchtetes Holz und lebende Bäume hingegen brennen nicht, so der Dresdener Forscher.
Forstexperten haben Viele Lösungen in Petto
Dass es vermehrte Waldbrände hierzulande in diesem Jahr gibt, bestätigt Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus: „Die Statistik ist da sehr eindeutig." Bereits im vergangenen Jahrhundert gab es in sehr trockenen Sommern mehr Waldbrände. „In der Geschichte haben wir in sehr trockenen Phasen immer wieder Peaks erlebt, wie in der Nachkriegszeit, in den frühen 1970er-Jahren und in 2003", so der Forscher. Auch die Windrichtung spielt mit hinein: „Bei einem Ost- oder Nordwind ist die Brandgefahr höher als bei einem Westwind, bei dem die Luftmassen feuchter sind", sagt Meteorologe Christopher Böttcher. Durch Waldbrände ist nicht nur Menschenleben gefährdet. Auch zerstörte Infrastruktur und Erosionen können die Folge sein. Leidtragende sind natürlich auch Flora und Fauna. „Wir haben hier in Deutschland keine natürlichen Ökosysteme, die in ihrer Dymanik vom Feuer geprägt sind", sagt Jürgen Bauhus. Anders sähe es etwa in Australien aus, wo die Eukalyptusbäume Feuer für ihre Entwicklung bräuchten, und die Tier- und Pflanzenarten darauf eingestellt seien.
Die Forstwissenschaftler haben eine ganze Palette an Lösungen in petto: „Ich plädiere für ferngesteuerte Löschverfahren oder Löschbarrieren aus Schaum, Wasserabwurf aus der Luft unterstützt die Bodenkräfte", sagt Michael Müller. Mit Luftfahrzeugen allein lösche man keinen Waldbrand. Das müsse durch die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren am Boden erfolgen. Müller und sein Fachkollege Jürgen Bauhus halten auch Feuerschutzriegel für sinnvoll, damit ein kleiner Brand nicht zu einem großen wird. Auch müsste aus Jürgen Bauhus Sicht die Wasserentnahme verbessert werden, wie zum Beispiel nahe gelegene „Tiefbrunnen und Feuerlöschteiche". Eine weitere Möglichkeit sei das sogenannte „controlled burning", bei dem Feuer mit Feuer bekämpft werde. Durch das kontrollierte Abbrennen von Feinreisig und Bodenvegetation könne man prophylaktisch zukünftigem Feuer „die Nahrung nehmen", so der Freiburger Forscher. Das funktioniere aber nur an kühlen, trockenen und windstillen Tagen im Frühjahr oder Herbst. Die Überlegung einiger Wissenschaftler, die Forste von Totholz zu befreien, um den Wald vor potenziellem Brennmaterial zu schützen, teilt Jürgen Bauhus nicht grundsätzlich: „Um größeres Totholz muss man sich weniger Sorgen machen, es ist nicht leicht entflammbar, brennt nicht mit hoher Intensität und fördert somit kein Kronenfeuer." Anders sei es bei einer frisch abgestorbenen Fichte, deren feine Nadeln und Zweige schnell entflammbar seien. Totholz sei zudem „sehr wichtig für die Biodiversität", erläutert der Forstwissenschaftler. „Man schätzt, dass ein Viertel der im Wald lebenden Arten auf Totholz angewiesen ist." Das seien Hunderte, sagt er. Darunter befinden sich zum Beispiel etliche Käfer, Schnecken und Pilze. Daher plädiert der Wissenschaftler für eine weitere, mäßige Anreicherung der Wälder mit starkem Totholz. Ein Waldumbau hin zu einem Mischwald mit mehr Laubbäumen und weniger Nadelbäumen wie Kiefern bietet sich als langfristige Lösung an. „Die Resultate werden wir erst in Jahrzehnten erleben", so Forstwissenschaftler Müller. Nichtsdestotrotz forderte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir neulich genau das: „Wir brauchen dringend gesunden Mischwald." Er sei „unsere natürliche Klimaanlage" und brenne nicht so leicht wie Monokulturen.