Ist noch genug da? Diese Frage stellen sich Haushalte und Gartenfreunde, aber auch Landwirte, Industriebetriebe und die Wasserwirtschaft. Sie zu beantworten ist nicht leicht. Wasser wird zum Politikum.
Sommer, Sonne, Dürrezeit. Und das bereits seit Wochen, abgesehen von teils nur wenigen Litern Regen auf den Quadratmeter. In Europa leiden über 50 Prozent der Fläche unter extremer Dürre, vor allem in Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland – gepaart mit teils verheerenden Waldbränden. Luxemburg kehrt nach ersten Warnungen vorsichtig in den Normalzustand zurück, in Frankreich hat die Zentralregierung einen Krisenstab gebildet, weil mehr als 100 Gemeinden nur noch per Tankwagen mit Trinkwasser versorgt werden können. Zudem ist die auf Atomkraft basierende Stromversorgung des Landes gefährdet, weil Kühlwasser aus den Flüssen – entweder mangels Wasser oder wegen zu hoher Wassertemperaturen – kaum mehr für die Kraftwerke nutzbar ist. Und bei uns?
Im Saarland hat sich vor allem durch die geplante Ansiedlung des Batterieherstellers S-Volt in einem Wasserschutzgebiet die Debatte um die entscheidende Ressource verschärft. Nachdem Umweltministerin Petra Berg (SPD) in einer Pressemitteilung angesichts der anhaltenden Trockenheit und französischer Krisenstäbe die Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern adressieren wollte und dabei Zahlen von 1995 verwendete, kritisierten die Grünen vor allem jene Zahlen und verwiesen auf trockene Bäche und Teiche. „Dabei handelt es sich jedoch um Oberflächengewässer, die nichts mit unserer Grundwasserneubildung zu tun haben", stellt die Ministerin nun auf FORUM-Nachfrage klar. „Auch die Trockenheitsprobleme der Land- und Forstwirtschaft beruhen auf dem Wassermangel in den obersten Bodenschichten und stehen in keinerlei Zusammenhang mit dem Grundwasser."
Grundwasser reagiert langsam
Grundwasser entstehe vor allem in den niederschlagsreichen Wintermonaten – dann, wenn der Boden wassergesättigt ist und die Vegetation kein Wasser verdunstet. Im Sommer werde dagegen in der Regel kein Grundwasser gebildet, das Grundwasser laufe in dieser Zeit, seinem natürlichen Gefälle folgend, in die Quellen und Gewässer aus. Sinkende Grundwasserspiegel seien daher ein natürliches Phänomen, in besonders trockenen Sommern können dann auch verstärkt Quellen versiegen. Grundwasser habe jedoch ein „langes Gedächtnis" und reagiere daher nur geringfügig auf kurzfristige Ereignisse, so dass sich auch mehrmonatige Trockenphasen nur wenig auf die gesamte Menge an verfügbarem Grundwasser auswirken könnten.
Klar ist, dass der Klimawandel das deutsche Klima verschiebt, hin zu heißen und trockenen Sommern und feuchten Wintern mit starken Regenfällen. Insgesamt fehlen laut Deutschem Klimaatlas derzeit mehr als Dreiviertel des üblichen Niederschlags. Und wenn der Regen fällt, verdunstet er rasch wieder, weil trockene Böden weniger Wasser aufnehmen können. Insgesamt, so die Klimamodelle unter anderem des Deutschen Wetterdienstes, blieb die Wasserbilanz bisher im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten zwar am Ende des Jahres in etwa gleich, weil es im Winter genügend regnete. Doch die Verschiebung, die vor allem in den vergangenen Jahren bereits spürbar an Fahrt aufnahm, setzt neue Bedingungen, auch für Wasser als Verbrauchsgut in Privathaushalten, in der Landwirtschaft und der Industrie. Denn wenn im trockenen Sommer Oberflächenwasser fehlt, neigen Gartenbesitzer ganz gern zum Rasensprengen und Landwirte zur Gemüsebewässerung – im schlechtesten Fall mit eben jenem Grundwasser, das sich gerade nicht neu bilden kann.
Jetzt höherer Wasserbedarf
Dort, wo reichlich Oberflächen- und Quellwasser genutzt wird, liegen die Probleme derzeit auf der Hand. Viele französische Gemeinden können derzeit nur noch per Tanklaster Frischwasser erhalten. Dies liegt vor allem in der örtlichen Bodenbeschaffenheit. Laut dem französischen geologischen Dienst BRGM ist etwa die saarländische Nachbarregion, das Département Moselle, vor allem von Karstgestein geprägt. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es extrem wasserdurchlässig ist, aber kaum speicherfähig, anders als der saarländische Buntsandstein. Trotz vieler Quellen kann eine solche Region daher in diesen Tagen rasch austrocknen, die Quellen versiegen.
600 Kilometer nordöstlich von Metz kämpft auch die Region Berlin-Brandenburg mit Wassermangel. „Die Region gilt als die Sahelzone Deutschlands", sagt Benedikt Lux, umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, im Gespräch. „Hier gibt es am meisten anhaltende Trockenheit, die meisten Hitzewellen und dadurch einen höheren Bedarf an Wasser." Im Juli hatte der Politiker gefordert, das Land Berlin müsse bei Knappheit den Wasserverbrauch seiner Bewohner begrenzen können. In Brandenburg ist das bereits der Fall. Nach Angaben des Senats für Umwelt machen Privathaushalte etwa dreiviertel des Wasserverbrauchs der Stadt aus. „Nach jahrelangem Rückgang des Trinkwasserverbrauchs seit den 1990er-Jahren steigen seit einigen Jahren die Verbrauchsmengen wieder merklich an", heißt es seitens der Senatsverwaltung. Die wachsende Bevölkerung in der Region werde zu einem „steigenden Trinkwasserbedarf" und somit auch zu einem „erhöhten Abwasseranfall" führen. Im sogenannten „Masterplan Wasser" will der Senat jetzt einer „Übernutzung der Grundwasserressourcen" entgegenwirken. Angedacht sind unter anderem die Reaktivierung stillgelegter Wasserwerksstandorte, die Aufforstung von Mischwäldern, eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung und die Entsiegelung von Bodenflächen.
Wissen wir jedoch genug von einer unserer wichtigsten Ressourcen? Die offiziellen saarländischen Zahlen von 1995 beispielsweise erscheinen auf den ersten Blick völlig veraltet. Die Niederschlagsdaten des Deutschen Wetterdienstes, und hier liegen seit 1891 kontinuierliche Daten für das Saarland vor, zeigen jedoch, dass die für die Regeneration des Grundwassers besonders wichtigen Winterniederschläge in den letzten 140 Jahren bis heute im Schnitt zugenommen haben. Dass also das Grundwasser seither weniger geworden ist, ist unwahrscheinlich, vor allem auch, weil weniger Grundwasser abgepumpt wird als jährlich neu gebildet wird.
Wasserspiegel können sinken
Wie viel Grundwasser in einer Region insgesamt tatsächlich vorhanden ist, ist aber nicht auf den Liter genau feststellbar, denn es wird in seiner Gesamtheit berechnet, nicht gemessen. Die bestimmenden Faktoren wie Klima, Geologie oder Landnutzung sind zu vielfältig und komplex, sodass Messungen alleine nicht ausreichen. Berechnet werden die Grundwasserdaten, das ist wissenschaftlicher Konsens, alle 30 Jahre – nicht nur wegen ihrer Komplexität, sondern vor allem wegen der starken jährlichen Schwankungen des Wettergeschehens. Sonst müssten zudem Wasserrechte, die wie sie die Wasserversorger, Industriebetriebe, Brauereien oder Mineralwasserproduzenten besitzen, ständig neu ausgehandelt werden. In der sogenannten Kliwa-Kooperation (Klimaveränderung und Wasserwirtschaft) verschiedener Bundesländer, zu denen auch das Saarland gehört, werden derzeit flächendeckend Grundwasserneubildungsdaten berechnet, rückwirkend für jedes Jahr ab dem Jahr 1951. Auf der Basis verschiedener Klimamodelle werden dazu auch die in der Zukunft bis 2100 zu erwartenden Veränderungen berechnet. Diese Daten sollen nach Ministeriumsangaben spätestens bis Ende 2023 vorliegen. „Aber auch wenn im Saarland genügend Grundwasser vorhanden ist, heißt dies natürlich nicht, dass es verschwendet werden darf", schließt die Umweltministerin. Denn die Erfahrung zeige auch, dass es bei erhöhter Belastung der Leitungssysteme, wie aktuell in diesen trockenen Zeiten, in einigen Versorgungsgebieten zu Versorgungsproblemen kommen kann, weil die Infrastruktur nicht auf die dann benötigten Wassermengen ausgerichtet ist.
Ist also genug Wasser da? Ja und nein. Nahe der Oberfläche sicher nicht. Dadurch und durch unsere verstärkte Entnahme während trockener Perioden sinkt das Gesamtdargebot an Wasser in den verschiedenen wasserleitenden Schichten. Regnet es danach zu wenig, bildet sich weniger neues Grundwasser, oberflächennahe Quellen können versiegen. Regnet es ergiebig, füllen sich oberflächennahe Speicher rascher als tiefer liegende. Denn dort dauert es Monate oder Jahre, bis das Sickerwasser diese Schichten erreicht. Entscheidend ist also, wie das Klima in den kommenden Jahrzehnten aussieht.
188 Milliarden Kubikmeter Wasser stehen Deutschland, das als sehr wasserreich gilt, als sogenanntes Dargebot pro Jahr zur Verfügung – rein rechnerisch gemittelt über viele Jahrzehnte. Nicht einmal ein Viertel davon wird von Haushalten, der Industrie und Landwirtschaft entnommen. Zudem sind die Entnahmemengen seit Jahren rückläufig und werden weiter sinken, wenn die wasserintensiven Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Dennoch reißen die Warnungen aus der Wissenschaft nicht ab. Und das hat seinen Grund.
Der Klimawandel wird einen Effekt auf das Wasser in Deutschland haben – regional je nach Klima, Boden und Wasserdargebot in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. In Karlsruhe haben Forscher Wetter- mit Grundwasserdaten in Beziehung gesetzt. Projektionen der Erderwärmung lassen Rückschlüsse auf die künftige Entwicklungen zu, wobei die Wissenschaftler drei mögliche Szenarien angenommen haben: eine Erwärmung um zwei Grad, 2,6 Grad und fünf Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter. Die Ergebnisse zeigen: Der Grundwasserspiegel insgesamt sinkt in allen drei Szenarien. Aktuell führt der Klimawandel zu einer Erwärmung von knapp einem Grad Celsius.
Den Wasserverlust bestätigt die Nasa-Mission „Grace" des kanadischen Global Institute for Water Security (Globales Institut für Wassersicherheit, GIWS): Satelliten, die eine Region überflogen, veränderten ihre Flugbahn – wo mehr Wasser vorhanden war, sanken sie aufgrund der stärkeren Schwerkraft etwas ab. Diese Flugbahnveränderungen übertrugen kanadische Forscher in Modelle, die den Rückgang des Grundwassers in Deutschland insgesamt schon heute bestätigen: um 2.500 Kubikmeter pro Jahr. Heiße Sommer sorgen für starke Verdunstung an der Oberfläche. Ist nicht genügend Oberflächenwasser vorhanden, wird verstärkt tiefer gepumpt. Die dortigen tieferen Speicher füllen sich aber weniger rasch auf: Gerade wegen übermäßig starken Regens fließt dieses Wasser eher in Flüsse ab statt zu versickern. Das könnte für einige Regionen, die vor allem von oberflächennahem Wasser leben, fatale Folgen haben. Welche, zeigt in beunruhigendem Maße das Département Moselle. In Deutschland ist vor allem rund um Lüneburg, in Bayern und Baden-Württemberg der Grundwasserschwund im Vergleich deutlich, so die kanadischen Wissenschaftler.
Gemessen an dem sogenannten Wasserdargebot von 188 Milliarden Kubikmetern hören sich 2.500 Kubikmeter zwar eher gering an. Dennoch ist dies Grund genug, angesichts des sich verstärkenden Klimawandels diese Ressource besonders zu schützen.