Seit Wochen herrschen in Deutschland Temperaturen über 30 Grad. Frankreich hat den Wassernotstand ausgerufen, und auch in Deutschland ist die Sorge um Wasserknappheit ausgebrochen. Ist sie berechtigt oder ist alles nur Panikmache?
Wie viel Grundwasser hat Deutschland zur Verfügung? Mal ist die Rede von Hitze, dann von Dürre, und davon wird schnell auf das Grundwasservorkommen geschlossen. Dazwischen spielen Niederschläge, Verdunstung, Flächenversiegelung und noch vieles mehr eine Rolle. Aber in welchem Zusammenhang?
Unser langfristiges Klima verändert sich. Momentan macht sich das vor allem durch lange Hitzeperioden über die Sommermonate und relativ wenig bis gar keine Niederschläge bemerkbar. Der Dürremonitor vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) liefert täglich Informationen zum Zustand der Bodenfeuchte in Deutschland. Von einer Dürre spricht man laut UFZ, wenn die aktuelle Bodenfeuchte unter dem langjährigen 20-Perzentil liegt, dem Wert, der nur 20 Prozent der Jahre in einer langen Zeitreihe erreicht wird. Die Jahre 2018, 2019 und 2020 waren von April bis Oktober von starken Dürreperioden geprägt. Der 14-Tage-Rückblick ausgehend vom 11. August 2022 zeigt: Die Dürre in großen Teilen Deutschlands hat sich auch 2022 von einer „schweren" hin zu einer „außergewöhnlichen Dürre" entwickelt – wenn sie nicht bereits auf diesem Stand war. Nur Teile Norddeutschlands bilden momentan noch eine Ausnahme mit „ungewöhnlich trocken" oder „moderate Dürre".
Trockene Sommer, feuchte Winter
Der „Deutsche Klimaatlas" vom Deutschen Wetterdienst (DWD) gibt unter anderem einen Überblick über Niederschlagsdaten. In der Wissenschaft hat man sich auf eine Referenzperiode von 30 Jahren geeinigt. Anhand dieses Zeitraums werden die jährlichen Mittelwerte berechnet. Aktuell liegen große Teile Süddeutschlands 25 bis 70 Prozent unterhalb des deutschen Mittelwertes an Niederschlag für Juli, während der Juli in Teilen Norddeutschlands nicht ganz so trocken ausfiel. Trotzdem lag er unterhalb des deutschen Mittelwertes. Die Ausprägung von Dürren hängt jedoch nicht unmittelbar damit zusammen, ob Niederschlag fällt. Grundsätzlich kommt es nicht nur darauf an, wie viel Niederschlag fällt, sondern auch, über welche Zeiträume sich dieser verteilt und wie der Boden ihn aufnimmt. Wenn sehr viel Niederschlag innerhalb eines Tages fällt, kann der Boden ihn beispielsweise schlechter aufnehmen als wenn die gleiche Menge über eine Woche fällt.
Damit gelangt man zur Grundwasserneubildung (GWN). Gerade machen sich vor allem Teile Norddeutschlands wie Thüringen, Sachsen-Anhalt, das östliche Brandenburg oder auch Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern Sorgen um ihre GWN. Und auch das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) konnte in einer Simulation zeigen, dass die GWN von 2020 bis 2050 im Norden und Nordosten Deutschlands voraussichtlich geringer ausfallen wird als im Süden und Südwesten.
Insgesamt zeigte sich in Deutschland im Juli flächendeckend „Trockenstress". Davon ist die Rede, wenn die Wasserentnahmen 20 Prozent des zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Wasserdargebotes übersteigen.
Das Wasserdargebot umfasst die Menge an Grund- und Oberflächenwasser, die theoretisch genutzt werden kann. Die Grundlage bilden Niederschlag, Verdunstung, Zuflüsse nach und Abflüsse aus Deutschland. Grundwasser wiederum entsteht durch die Versickerung von Niederschlag und Oberflächenwasser. Je nach Gestein und Relief kann Regen- und Oberflächenwasser gut oder weniger gut, schnell oder langsam versickern. Es beeinflusst auch die Menge und Qualität an Grundwasser. Versickern kann dieses natürlich nur auf Flächen, die nicht versiegelt sind.
Da die GWN regional unterschiedlich und auch zeitlich variabel ist, sind genaue Aussagen über das zukünftige Grundwasservorkommen in Deutschland schwierig. Derzeit beträgt das potenzielle deutsche Wasserdargebot insgesamt laut Umweltbundesamt 188 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. 25,3 Milliarden Kubikmeter davon werden für Haushalte, Industrie und Landwirtschaft gebraucht. Nur rund 5,4 Milliarden Kubikmeter davon nimmt dabei das Trinkwasser ein, so der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. „Ich wage sehr zu bezweifeln, dass man genau weiß, was bei der Wasserentnahme durch die Industrie entnommen wird. Weil das nämlich keiner kontrolliert", erklärt Dr. Hans Jürgen Hahn, Grundwasserökologe an der Uni Landau.
Im Moment reicht das Grundwasserdargebot in Deutschland noch aus, und bei der Trinkwasserversorgung besteht in den meisten Regionen kein Grund zur Sorge. In den kommenden Jahren ist jedoch mit einer grundsätzlichen Abnahme der GWN zu rechnen. „Wenn wir weniger Grundwasserneubildung haben, heißt das auch, dass wir weniger Wasser zur Verfügung haben. Und das gilt natürlich auch für die Wasserversorgung", so Hahn. „Wir müssen gucken, dass wir das Wasser in der Landschaft zurückhalten. Und die Trinkwasserversorgung muss aufpassen, wie sie mit den verfügbaren Ressourcen klarkommt", fährt er fort. Probleme könnten vor allem Wasserversorger bekommen, die an Quellen oder kleinen Grundwasserleitern hängen. „Die Systeme sind träge. Die alten Grundwässer reagieren erst nach Jahrzehnten, Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Das, was für uns momentan relevant ist, sind die oberflächennahen Grundwässer, die direkt am Wasserhaushalt teilnehmen. Und da reden wir über ein paar Jahre oder ein paar Jahrzehnte. Das heißt, wenn ich da weniger Wasser habe, dann hat das dramatische Folgen."
Zwar gibt es teilweise in tiefer gelegenen Schichten noch mehr Grundwasser, doch an dieses sollte möglichst niemand herangehen. „Das tiefe Wasser ist in der Regel gut geschützt und nicht belastet. Deshalb ist das quasi die eiserne Reserve." Denn es gilt eine Grundregel: „Je älter ein Wasser ist, desto länger dauert es, bis sich dieses erneuert." Der Ökologe erklärt: „Insofern hört sich das zwar mit der absoluten Menge sehr beruhigend an, ist es aber nicht – zumindest nicht, wenn ich in Nachhaltigkeitskategorien denke."
Doch es gibt Möglichkeiten der Anpassung. In der Landwirtschaft spricht man von Resilienz, Kulturarten, die besser mit Trockenheit umgehen können oder die Verdunstung reduzieren, wie beispielsweise Mulchsaat. Bei der Bewässerung kann auf weniger Verdunstungsverlust geachtet werden. Das Ziel ist es, Wasser besser in der Fläche zu halten und mehr Überschwemmungen zuzulassen. Grundsätzlich trägt auch die Renaturierung von Flächen zu mehr Bodenfeuchte bei.
Die Resilienz von Wäldern kann durch Mischwälder und angepasste Arten gestärkt werden. Dazu gibt es seit 2020 eine EU-Verordnung, die Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung für die landwirtschaftliche Bewässerung stellt. Diese soll ab 2023 auch in Deutschland in Kraft treten.
Zukünftig mit Wasserressourcen besser haushalten
In den Kommunen müssen Flächen entsiegelt und abflusshemmende Maßnahmen geschaffen werden. Es braucht mehr Grünflächen, Fassaden- und Dachbegrünung und Verdunstungsmöglichkeiten für gespeichertes Regenwasser. Durch Mulden-Rigolensysteme wird beispielsweise die dezentrale Regenwasserversickerung und -verdunstung erhöht. Oberflächenwasser kann so abgeleitet und versickert werden. Dazu könnte mehr Brauchwasser zum Einsatz kommen, also Regenwasser, aufbereitetes gering verschmutztes Abwasser oder aufbereitetes Kommunalabwasser.
Staudämme fangen Regenwasser auf und speichern es, und Verbundleitungen transportieren es dann aus nassen Gebieten in trockene, so wie es beispielsweise auch zwischen Koblenz und dem Westerwald der Fall ist. Da künftig weniger Niederschläge im Sommer, aber dafür mehr im Winter fallen, sollte Wasser möglichst effizient gespeichert und wenn nötig umverteilt werden. Nach dem Deutschen Klimaatlas bleiben die Niederschläge in Deutschland im jährlichen Mittel gleich, aber sie werden sich über das Jahr und auch regional anders verteilen. In heißen Sommern wie diesen gilt deshalb für alle dasselbe: Wasser überall da sparen, wo es geht.