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Nina Hagen bei einem TV-Auftritt 1987. Ihr schrilles Outfit wurde ihr Markenzeichen
Nina Hagen bei einem TV-Auftritt 1987. Ihr schrilles Outfit wurde ihr Markenzeichen

... Nina Hagen?

Nach ihrem Wechsel in den Westen 1976 stilisierte sich die DDR-Musikerin und Schauspielerin als exzentrische Punk-Diva. Die sozial engagierte 67-Jährige gerät immer wieder mit provokanten Äußerungen ins öffentliche Interesse. Ende Januar hat sie ihre neue Single „Shadrack" veröffentlicht.

Angst vor dem Älterwerden hat Nina Hagen nicht, „weil ich ja schon alt bin!", begründet sie bei t-online.de. Im März wurde sie 67 Jahre alt und gibt immer noch die Punk-Diva, als die sie sich seit den 80er-Jahren mit schrillen Outfits und öffentlichen Provokationen stilisiert. „Alt ist auch schön. Weil man die Gewissheit haben kann, dass man auf dem Weg nach Hause ist – dorthin, wo schon einige von meinen Liebsten ins ewige Leben abgeschwirrt sind", blickt sie heute gelassen nach vorn. Während Hagen in jungen Jahren glaubensmäßig bei Hinduismus und indischen Gurus Rat gesucht hatte, ließ sie sich „nach mehreren religiösen Enttäuschungen" 2010 evangelisch-reformiert taufen und hat in ihrem Gospel-Album „Personal Jesus" erfolgreich ihrem neugefundenen christlichen Glauben Ausdruck verliehen.

Nina Hagen bei einem Fototermin in Hamburg - Foto: picture alliance
Nina Hagen bei einem Fototermin in Hamburg - Foto: picture alliance

Kämpft gegen Falschmeldung

Hagens letztes Studioalbum „Return of the mother" datiert im Jahr 2000, ansonsten hat sie seitdem öfters an der Seite anderer Künstler experimentiert. 2020 veröffentliche sie dann wieder eine eigene Single: „Unity" ist eine Art Hommage an die Black Lives Matter-Bewegung. Im gleichen Jahr folgte die Kompilation „Was denn" mit einem Dutzend früherer Songs, darunter auch zwei Versionen ihres ersten Hits „Du hast den Farbfilm vergessen". Mit diesem Song aus dem Jahr 1974 geriet die „Godmother des deutschen Punk" vor einem halben Jahr noch mal ins öffentliche Interesse: Ex-Kanzlerin Angela Merkel wünschte sich den „Farbfilm"-Song zu ihrer offiziellen Verabschiedung, was Hagen auf ihrer Facebook-Seite kritisierte: Der „Farbfilm"-Text stamme von DDR-„Staatsdichter" Kurt Demmler, und Merkel habe gewusst, dass dieser Autor ein wegen systematischem Kindesmissbrauch verurteilter Sexualstraftäter war, der dann im Gefängnis Selbstmord beging. Diese Zusammenhänge dürfe man nicht verschweigen: „Sich vor der Wahrheit zu verstecken, so was ist mir ein Gräuel", betont Hagen. Ende Januar 2022 hat sie nun mit „Shadrack" einen neuen Song veröffentlicht, ein biblisch inspirierter Elektro-Funk-Gospel, den sie „als Einladung an uns alle" versteht, sich aus Nächstenliebe für eine gerechtere Welt einzusetzen. Insgesamt ist Hagens voluminöse Stimme weltweit auf annähernd 500 Tonträgern zu hören: 2005 listet das Nina-Hagen-Archiv 206 Vinyl-Platten, 180 CDs und 30 Audio- und 21 Video-Cassetten sowie zwölf DVDs auf.

Während Hagen sonst die sozialen Medien gern für ihre Meinungsdarstellung nutzt, kämpft sie bisher vergeblich gegen eine Falschmeldung, die in letzter Zeit bei „Telegram" kursiert: „Die posten Thesen und Slogans unter meinem Namen, die ich verabscheue", stellt Hagen beim schweizerischen Nachrichtenportal „NAU" klar. In dem Fake-Konto mit ihrem Namen wird sie mit verfälschten Zitaten als Corona-Leugnerin und Antisemitin dargestellt.

Stimme über vier Oktaven

Nina, Tochter der Schauspielerin Eva-Maria Hagen und des Drehbuchautors Hans Oliva-Hagen, wollte eigentlich Schauspielerin werden, was ihr in der DDR aber aus politischen Gründen nicht gestattet wurde, vor allem, weil DDR-Dissident Wolf Biermann ihr Ziehvater war. Dennoch hat Hagen vor der Kamera reüssiert und bis heute in über 30 Filmen mitgewirkt, darunter auch die erfolgreichen Kino-Komödien „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald" (2004) und die Fortsetzung „Sieben Zwerge – Der Wald ist nicht genug" (2006), wo sie die „böse" Schwiegermutter und die Hexe spielt. Im daraus hervorgegangenen Computer-Animationsfilm „Der 7bte Zwerg" sprach sie 2014 die Rolle der Eisfee Dellamorta. Mit ihrer schrillen Art und oft skurrilen Äußerungen, etwa über ihre Begegnungen mit Außerirdischen, war Hagen in den vergangenen Jahrzehnten häufig auch gerngesehener Gast bei TV-Talkshows, wo sie immer für Provokationen und verbale Angriffe auf andere Teilnehmer sorgte. Andererseits engagiert sich Hagen bis heute auch für soziale Zwecke: Sie kämpft für Bürgerrechte, Medikamentenopfer, Menschen in der Psychiatrie, brasilianische Straßenkinder und Kinderkrankenhäuser in Indien und Tschernobyl. Politisch setzte sie sich unter anderem in Bundestagswahlkämpfen für die Grünen (2009) und für die Linke (2017) ein.

2019 tauchte Nina Hagen, die 2010 ihre Autobiografie „Bekenntnisse" vorgelegt hatte, in zwei Büchern auf: Sie gehört in dem Dokumentations-Band „Berlinerinnen: 13 Frauen, die die Stadt bewegten" ebenso zu den Portraitierten wie in „Quartier Latin: Berlins legendärer Musikladen 1970-89". Im Januar 2020 präsentierte das Theatermuseum Hannover eine Nina-Hagen-Ausstellung mit zahlreichen Exponaten aus dem Leben der Künstlerin. Trotz aller Kontroversen rund um Hagen können selbst Kritiker ihr eine gewisse „künstlerische Daseinsberechtigung" nicht absprechen: „Es gibt wenige Kunstfiguren, die so konsequent Kunstfiguren sind. Eigentlich muss man Nina Hagen für voll nehmen", schreibt etwa der Autor Thomas Nöske in seinem Buch „Pop-Schamanismus". Zudem werden auch von Kollegen häufig ihre witzige Originalität, ihre Vier-Oktavenstimme und ihre bis heute „mitreißende Energie" gewürdigt.

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