Pferde trugen die Menschen über Jahrtausende im wahrsten Sinne des Wortes durch die Epochen. Die Tiere verschafften den Zweibeinern ungeahnte Möglichkeiten, zogen mit ihnen über die Kontinente, eroberten neue Welten, verliehen ihnen Kraft und Schnelligkeit. Die Geschichte einer einzigartigen Verbindung.

Napoleon, der als Feldherr vor seinem Heer läuft? Ein sicher lächerlicher Anblick wäre das gewesen. Auch die gefürchteten Reiterheere der Hunnen unter ihrem König Atilla hätten wohl als Wandergruppe vermutlich weniger Angst und Schrecken verbreitet. Und wie hätte wohl ein Ritter ohne Pferd ausgesehen, zu Fuß, wankend, mit schleppendem Schritt, weil seine Rüstung so schwer war.
Diese Liste lässt sich beliebig und fast unendlich lang fortsetzen, denn eines ist klar: Ohne Pferde wäre in der Geschichte der Menschheit einiges sehr viel anders verlaufen. Der Start der Pferde in der Welt der Menschen war in grauer Vorzeit zunächst der der meisten Tiere: Sie wurden gejagt und gegessen. Doch da gab es offenbar noch mehr, irgendetwas anderes schien die frühen Menschen an den Tieren zu faszinieren. Zum Beispiel findet man in der Höhle von Lascaux unter den Steinzeit-Malereien viele Abbildungen von Pferden. Über die Datierung sind sich die Experten noch nicht ganz einig. Die Zuordnung schwankt zwischen 17.000 und 15.000 v. Chr. oder 36.000 bis 19.000 v. Chr. Sehr sorgfältig und detailliert haben die Menschen die Pferde auf die Felsen gezeichnet. Es wirkt, als hätten diese Steinzeitbewohner den Pferden auch eine gewisse Ehrfurcht entgegengebracht.
Im Galopp bis zu 60 Stundenkilometer

Der urzeitliche Vorfahre der Pferde ist rund 50 Millionen Jahre alt. Das Urpferdchen wurde bei Ausgrabungen in der Nähe von Darmstadt gefunden. Das Tier war gerade mal 40 Zentimeter hoch und hatte keinerlei Ähnlichkeit mit späteren Pferden. Angefangen von diesem fuchsgroßen Lebewesen entwickelte sich dann im Laufe der Evolution das Pferd, das wir heute kennen. Und das ist ein wahres Wunderwerk. Um Raubtiere zu erkennen, sehen Pferde zum Beispiel ausgesprochen gut, nachts sogar besser als wir. Sie haben eine fast perfekte Rundumsicht mit nur zwei blinden Flecken: Direkt hinter ihnen und direkt vor ihnen. Die Lippen der Pferde sind ein hochempfindliches Tastorgan, mit tausenden Nervenenden. Ähnlich der menschlichen Hand. Auch mit ihren Barthaaren können sie Dinge ertasten, die sie nicht gut sehen können. Im Laufe der Evolution wurden die Beine der Pferde länger, je größer die Tiere wurden. Sie wurden zu Langstreckenläufern, ein Vorteil gegenüber Raubtieren. Im Schnitt kann ein Pferd im schnellen Galopp bis zu 60 Stundenkilometer erreichen. Einzigartig ist auch der Huf der Pferde, der aus dem mittleren Zeh des Urpferdchens entstanden ist. Verglichen mit der menschlichen Hand laufen Pferde auf dem Mittelfinger und hinten auf dem mittleren Zeh.
Die Faszination, die von Pferden ausging, ließ die Tiere auch in die Mythologie mancher Völker einfließen. Bei den alten Griechen zum Beispiel verschmelzen Mensch und Pferd zu dem Fabelwesen Zentaur und der griechische Gott Poseidon verwandelte sich in einen Hengst, um Demeter zu finden, in die er sich verliebt hatte. Daraus entstand Areion – das Wunderpferd der griechischen Mythologie, das sogar sprechen konnte. Und fast jeder kennt Pegasus, das mystische Pferd mit Flügeln. In einer Erzählung trug Pegasus auch einen griechischen Helden, der mithilfe des fliegenden Pferdes ein Ungeheuer töten konnte.

Wann genau die realen Menschen sich auf den Rücken eines Pferdes geschwungen haben, scheinen Wissenschaftler 2017 herausgefunden zu haben. Bei Ausgrabungen im heutigen Kasachstan wurden Millionen von Pferdeknochen gefunden. Die lassen auf rund 360.000 Pferde schließen, so rechneten die Archäologen aus. Vor 800 Jahren haben die Tiere an diesem Ort ihr Leben gelassen. Doch diese Pferde waren keine Beute. Untersuchungen an Funden zeigten, dass die Menschen die Pferde auch domestizierten. Die Forscher vermuten, dass sie dabei auch anfingen, sich auf dem Rücken der Tiere fortzubewegen.
Die Laufbahn der Pferde in der Welt der Menschen fing aber vor allem vor dem Streitwagen an. In der Bronzezeit und Antike dominierte dieses Militärfahrzeug, das auch zur Repräsentation und zum Wettkampf genutzt wurde, die Geschichte von Mensch und Pferd. Noch in der Antike verdrängten dann nach und nach die berittenen Krieger die Streitwagen. Das hatte einen ganz einfachen Grund: Pferde sind eben wendiger und leichter zu bewegen als ein Wagen. Und sie laufen auch über unwegsames Gelände, was mit einem Wagen schwieriger bis unmöglich ist.
Sowieso sind es vor allen Dingen jahrhundertelang die Schlachtfelder, auf denen Millionen von Pferden litten und starben. Für Macht, Ruhm und Besitz ihrer menschlichen Gefährten. Wie wohl viele Kriege verlaufen wären, ohne Pferde?
Das Pferd entwickelte sich zum Statussymbol

Dass der Mensch überhaupt irgendwann in der Lage war, diese ihm an Kraft und Schnelligkeit weit überlegenen Wesen zu zähmen, liegt vor allem am Charakter der Pferde. Als sehr sensible und fein kommunizierende Herdentiere sind sie bereit zur Anpassung, Bindung und Unterordnung. In vielen Bereichen profitierten die Menschen auch von der Körperkraft der Tiere. Pferde liefen vor Pflügen, zogen Kutschen, Streit- und Planwagen und sogar Omnibusse. Ende des 19. Jahrhunderts lebten zum Beispiel in London rund 300.000 Pferde im Omnibusdepot. Sie wurden vor die sogenannten Pferdebahnen gespannt. Der Mensch erfand sich im Zusammenspiel mit den Pferden auch als Individuum neu. Denn in Verbindung mit dem Pferd wurde der Mensch sehr schnell und beweglich. Krieger nutzten die Kraft der großen Tiere, wurden dadurch selbst um ein Vielfaches stärker. Das Pferd wurde zum Statussymbol. Adlige präsentierten sich stolz auf eleganten Rössern, schmückten sich mit der Schönheit edler Pferde. Wer Pferde besaß, der war jemand, auch unter den einfachen Leuten. Mittelalterliche Ritterturniere waren eine Art früher Reitsport. Später unter König Ludwig XIV. wurde das Reiten zu einer Art hohen Kunst. Daraus entwickelte sich die Dressur, die bis heute praktiziert wird.
Und schließlich entdeckte der Mensch auch das Springreiten als Sport für sich. Es gibt kein Tier, das so sehr zum Sportgerät wurde wie das Pferd. Sie springen über Hindernisse, sind Partner beim Polo, werden bei der Vielseitigkeit eingesetzt oder auch beim Galopprennen. Kein Tier kann einen Menschen so schnell tragen. Die Mischung aus Kraft, Schnelligkeit und Eleganz zieht den Menschen an, die Beherrschung und Vorführung dieser beeindruckenden Wesen lässt ihn selbst auch groß und beeindruckend erscheinen.
Um das Pferd mehr und mehr seinen Wünschen anzupassen, züchtete der Mensch im Laufe der Jahrhunderte über 400 Pferderassen. Dabei gibt es vier Kategorien, in die die Pferde eingeordnet werden. Die großen und kräftigen Kaltblüter, die zum Beispiel als Zugpferde bei Waldarbeiten eingesetzt werden. Die Warmblüter, zu denen die meisten Sport- und Freizeitpferde gehören. Die Vollblüter, feingliedrige Tiere, die sich durch hohe Schnelligkeit auszeichnen. Und schließlich die Ponys.
Sind in der Lage, Gefühle zu lesen

Wo früher in der Erziehung und Ausbildung der Pferde vor allem Gewalt angewendet wurde, hat sich mittlerweile vieles verbessert. Das Verständnis für die Tiere ist größer geworden und auch das Interesse daran, wie Pferde fühlen und denken. Auch Forscher interessieren sich dafür, wie Pferde ticken. So haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Pferde 17 verschiedene Gesichtsausdrücke haben. Das sind mehr als Schimpansen und Hunde haben. Pferde können nicht nur ihre eigenen Emotionen vielfältig ausdrücken, sondern auch die Gefühle anderer Lebewesen lesen, wie zum Beispiel die des Menschen. So hat die Verhaltensforscherin Karen McComb, Professorin an der Universität im englischen Sussex, herausgefunden, dass Pferde Gesichtsausdrücke von Menschen unterscheiden können und entsprechend reagieren, ob ein Mensch auf einem Foto zum Beispiel freundlich lächelt oder sein Gesicht in Aggression verzieht. Überhaupt reagieren Pferde sehr fein auf menschliche Emotionen, wie Stress, Angst, Wut, aber auch Entspannung und Freundlichkeit. Pferde wirken dabei wie ein Spiegel der menschlichen Gefühle und helfen oft den Menschen, sich emotional zu öffnen. Diese und noch andere Eigenschaften nutzen mittlerweile viele Therapeuten und Coaches in ihrer Arbeit. Seit mehr als 40 Jahren werden in Deutschland gezielt Pferde in (heil)pädagogischen, ergotherapeutischen oder physiotherapeutischen Arbeitsfeldern eingesetzt. Studien haben längst nachgewiesen, dass der Kontakt zu Pferden eine positive Wirkung bei bestimmen psychischen Erkrankungen hat, wie zum Beispiel Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen.
Und somit geht diese wundersame, einzigartige Geschichte zwischen Mensch und Pferd weiter, tun sich immer wieder neue Welten auf, in denen sich diese beiden so unterschiedlichen Lebewesen begegnen. Und vielleicht steht am Ende dieses Weges das Pferd in der Sicht der Menschen endgültig und ohne Ausnahme als wertvoller Partner da, als Lebewesen, das nicht ausgebeutet und benutzt wird, sondern ein friedvolles und artgerechtes Leben führt, in dem seine Bedürfnisse geschätzt und beachtet werden.