Die Energiekrise bringt auch Städte und Kommunen in finanzielle Nöte. Wenn deshalb zu viele öffentliche Einrichtungen schließen müssen, hat das gesamtgesellschaftliche Folgen.
Es sieht düster aus um die Wahrzeichen der Hauptstadt: Viele von ihnen werden nachts nicht mehr beleuchtet. So etwa der Berliner Dom, die Siegessäule, das Humboldt-Forum, die Gedächtniskirche und das Rote Rathaus. Und es betrifft nicht nur die Beleuchtung der Stadt, in den nächsten Wochen und Monaten sollen auch die Temperaturen gedrosselt werden. Aufgrund von eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland und deutlich gestiegenen Strom- und Gaspreisen hat der Berliner Senat vor Kurzem sein Konzept zum Energiesparen vorgelegt. „Ziel ist es, mindestens zehn Prozent des Energieverbrauchs der öffentlichen Hand in Berlin zu sparen", sagte Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos).
Betroffen von den beschlossenen Maßnahmen sind die gesamte Landesverwaltung, Behörden und öffentliche Einrichtungen. Dazu zählen Schulen, Hochschulen, Gerichte, Justizvollzugsanstalten sowie landeseigene Kulturstätten und Betriebe. Damit will Berlin die Befüllung von Gasspeichern in Deutschland unterstützen und einen Beitrag zur Vermeidung von Energieengpässen im Winter leisten. Die Lage um die Gasversorgung in Deutschland und Europa sei ernst, sagte der Wirtschaftssenator.
Die Maßnahmen in puncto Energiesparen betreffen auch Sport- und Schwimmhallen. Das Wasser in Berliner Hallenbädern darf maximal nur noch 26 Grad Celsius warm sein. In Sporthallen sind Temperatursenkungen auf 17 Grad Celsius vorgesehen. Laut Stephan Schwarz hat der Senat die Maßnahmen in einer „gemeinsamen Taskforce" über „Ressortgrenzen hinweg" abgestimmt. Auch sollen sie auf ihre sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen hin abgewogen worden sein.
Nur noch 26 Grad in den Berliner Bädern
Die Frage ist allerdings, ob zehn Prozent Einsparungen reichen, um steigende Energiepreise und die zusätzliche, vom Wirtschaftsministerium vorgesehene Gasumlage stemmen zu können. „Die stark steigenden Gas- und Strompreise treffen die Kreise und Gemeinden hart", sagte Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages. „Das ist allein mit Energieeinsparungen nicht zu kompensieren." Es werde eine ganze Reihe von Kommunen geben, „die das durch Angebotseinschränkungen ausgleichen muss, soweit es nicht um gesetzlich vorgeschriebene Leistungen geht". Dieses Jahr und 2023 sei mit Finanzierungsdefiziten von mehr als fünf Milliarden Euro zu rechnen. Die Phase zwischen den finanziellen Begleiterscheinungen der Coronakrise und des Ukraine-Krieges sei für die Kommunalhaushalte zu kurz gewesen, um festen Stand zu gewinnen. „Dabei sind finanziell handlungsfähige Kommunen in Krisen entscheidend." Reinhard Sager befürchtet, dass die Kommunen ohne „dauerhaft verbesserte Finanzausstattung diese Investitionen nicht aus eigener Kraft finanzieren könnten".
Leidtragende der Defizite und des immensen Spardrucks sind unter anderem Sportstätten, allen voran Schwimmbäder, die besonders viel Gas verbrauchen. Mehr als 90 Prozent der Bäder werden aktuell mit Gas beheizt. Etwa zwei Drittel der mehr als 200.000 Sport- und Schwimmstätten in Deutschland sind in kommunaler Hand. Aufgrund von Sanierungsstaus sind viele von ihnen energietechnisch nicht auf dem neuesten Stand: Bei der Wärmeversorgung öffentlicher Sportstätten dominieren „vor allem fossile Energieträger wie Ölheizungen, Gasheizungen oder sogar Nachtspeicheröfen", heißt es auf der Homepage des Sportverbandes DOSB. Schwimmbäder aber nicht nur gesellige Zusammenkunft und Spaß gedacht. Sie sind auch Orte, an denen Schulsport stattfindet. Dort lernen kleine Kinder, Schulkinder und manchmal auch Erwachsene schwimmen. In Coronazeiten waren sie lange geschlossen. „Nach drei Jahrgängen der Nichtschwimmer" und „dringend notwendigen Gesundheitstherapien" seien Hallenbäder unverzichtbar, heißt es in einem Statement der Bäderallianz. Beim Schwimmen wie auch beim Sport allgemein geht es vor allem um Gesundheit. Der Bewegungsmangel zu Pandemiezeiten wurde für viele Menschen, besonders für Kinder, zu einem großen Problem.
Trotzdem setzt sich das Schwimmbadsterben, das schon vor Jahren begonnen hat, mit der Energiekrise verstärkt fort. Ob in Dresden oder in Köln, ob in Uelzen oder in Halle an der Saale. Überall in Deutschland schließen die Bäder. Auch im baden-württembergischen Albstadt im Schwarzwald sollen etliche Hallenbäder dichtmachen. Da hat laut einem Bericht des „Schwarzwälder Boten" zu Unmut geführt: Die Eltern demonstrierten mit ihren Kindern vor dem Rathaus. „Wir haben bald eine Generation voller Nichtschwimmer", zitierte das Blatt eine betroffene Mutter aus Albstadt. Erst konnte ihre Tochter wegen der Lockdowns nicht schwimmen lernen. Jetzt ist es ihrem jüngeren Sohn wegen der Energiekrise verwehrt. „Die Leidtragenden sind wie in der Coronakrise wieder die Kinder." Betroffen von Schließungen könnten in den nächsten Monaten auch Eissporthallen sein. Auch sie benötigen vergleichsweise viel Energie. Einige Eis- und Schlittschuhbahnen werden in diesem Winter gar nicht aufmachen. Und so wird das Fenster sportlicher Betätigung zunehmend enger.
Auch Eissporthallen könnten schließen
In den vergangenen Tagen wurde spekuliert, dass es auch massive Einschnitte bei den öffentlichen Büchereien aufgrund der steigenden Energiekosen geben könnte. Doch der Deutsche Bibliotheksverband (Dbv) stellte sich dagegen: „Das ist nicht verantwortbar", sagte Volker Heller, Bundesvorsitzender des Dvb. Gerade jetzt seien die Angebote von Bibliotheken zwingend notwendig. „In einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation wie sie gerade bevorsteht tragen Bibliotheken als öffentliche Infrastruktur viel zur Unterstützung gesellschaftlicher Gruppen bei, die besonders unter den Kriseneffekten leiden." In dem Verband sind bundesweit mehr als 9.000 Bibliotheken organisiert, unter anderem die großen Staatsbibliotheken und kleine Gemeindebüchereien. Die „Zufluchtsorte in der Krise" böten „allen Menschen Unterstützung und Räume, auch denen, die ihre Wohnungen nicht ausreichend heizen können", sagte der Bundesvorsitzende. Bibliotheken seien gebraucht, es nütze nichts, sie zu schließen.