Der Brandenburger Klaus Wenkel hatte in den 50er-Jahren als frechster Schüler einen skurrilen Rekord aufgestellt. Und schaffe es damit sogar ins DDR-Fernsehen.
Das spitzbübische Lachen hat Klaus Wenkel noch immer. Auch heute kann man sich bildlich vorstellen, was für ein Lausbub der 78-Jährige einmal gewesen sein muss. „Als Ex-Klassenclown gehörte gutes Betragen wohl nicht zu meinen Stärken", schmunzelt Wenkel in Anspielung auf einen außergewöhnlichen DDR-Rekord. Im Schuljahr 1952/53 brachte es der Gräbendorfer auf sage und schreibe 50 Tadel. Auf dem Zeugnis des Viertklässlers ist damals zu lesen: „Klaus störte oft den Unterricht in grober oder alberner Weise. (...) Mitarbeit und Fleiß befriedigten nicht immer." Klaus Wenkel besuchte damals die Grundschule Niederschönhausen in Berlin-Pankow. Nur ein paar hundert Meter entfernt wohnte DDR-Staatschef Walter Ulbricht mit Gattin Lotte im Majakowskiring. „Wenn der Spitzbart gewusst hätte, was für Lausebengel in seiner Nachbarschaft unterrichtet werden", amüsiert sich der gebürtige Wernigeroder noch heute.
Heute wären das nur Lappalien
Rund 38 Jahre später schaffte es Klaus Wenkel mit seinem mutmaßlichen Tadel-Rekord sogar ins Fernsehen der DDR. 1990 – also schon nach der politischen Wende ‒ trat er in der Kuriositäten-Show „Wennschon ‒ dennschon" als flegelhaftester Ost-Schüler auf. „Die Sendung wurde in Leipzig aufgezeichnet", erinnert sich Wenkel.
Auf die Frage von Moderator Hans-Joachim Wolfram, wie man denn in einem einzigen Schuljahr 50 Tadel bekommen könne, antwortete er augenzwinkernd: „Herr Wolfram, 50 Tadel bekommt man nicht, 50 Tadel muss man sich erarbeiten." Schon damals erklärte der Märker, dass Tadel und Verweise in den 50er-Jahren viel strenger und schneller vergeben wurden. Zu den Vorkommnissen und Delikten, die zur schlechten Lehrer-Beurteilung führten, zählten seinerzeit laut Wenkel Schwatzen im Unterricht, Papierkugeln an die Tafel werfen oder „absichtlich mit dem Tintenfass-Deckel wackeln". „50 Tadel wegen solcher Lappalien wären heute nicht mehr möglich – nicht nur, weil es an Schulen keine Tintenfässer mehr gibt", sagt Klaus Wenkel. Man müsse ja nur Zeitung lesen, um zu erfahren, was heutzutage an deutschen Schulen los sei, seufzt der Brandenburger. Da ginge es eher um Drogen und Internet-Mobbing. Wenkel: „Quatschen im Unterricht ist doch heute ganz normal."
Dass er mit seinen 50 Tadeln bei „Wennschon – dennschon" landete, war dennoch purer Zufall. „Eine Bekannte, die meine schulischen Glanzleistungen kannte, arbeitete in der Fernseh-Kantine in Berlin-Adlershof", erinnert sich Klaus Wenkel. In dem kleinen Bistro wiederum ging auch Entertainer Hans-Joachim Wolfram ein und aus. „Dem erzählte sie meine Geschichte." Letztlich trat Wenkel in der Show als Gegenpart zu den besten Schülern Deutschlands auf. „Gott sei Dank musste ich nicht auf die Bühne. Moderator Wolfram kam zu mir", lächelt Klaus Wenkel. Dessen Sohn saß damals neben ihm. „Dem schlotterten die Knie. Am Ende waren wir beide froh, als es vorbei war und direkt nach uns Roberto Blanco auftrat", erinnert sich der Märker.
Was Klaus Wenkel damals nicht sagte, erklärt er heute: „Nach der Scheidung meiner Eltern wuchs ich bei meiner Oma auf." Die Großmutter gab laut Wenkel zwar viel Liebe und Freiheiten, jedoch kaum Unterstützung beim Lernen. „Meine schulischen Leistungen waren Spiegelbild des Fehlens von Mutter und Vater", sagt der Gräbendorfer nachdenklich. Er erinnere sich dennoch gern an seine Kindheit im Stadtbezirk Pankow. „Speziell der Bezirksteil Niederschönhausen war schon toll, das war ja Randberlin."
Lernte später Fernmeldetechniker
Dass quasi um die Ecke die „Staatslenker vom Politbüro" und Kulturschaffende im sogenannten Städtchen rund um den Majakowskiring vom übrigen Volk abgeschirmt lebten, habe er als Kind nicht weiter mitbekommen. „Die wohnten hier alle: Walter Ulbricht, Johannes R. Becher, Otto Grotewohl, Willi Stoph und Erich Mielke." Wilhelm Pieck, der erste und einzige Präsident der DDR, residierte gleich nebenan im Schloss Niederschönhausen. Später wurde das repräsentative Anwesen mit schönem Park Gästehaus der DDR-Regierung. Hier übernachteten unter anderem Fidel Castro, Ho Chi Minh, Indira Gandhi sowie Michail Gorbatschow und Gattin Raissa. Heute zeige eine Ausstellung im Barockschloss die wechselvolle Geschichte des Hauses, so Klaus Wenkel. „Erst in den 1960er-Jahren zog die DDR-Nomenklatura ins noch abgeschirmtere Wandlitz um", blickt der Brandenburger zurück.
Dann spaziert Klaus Wenkel entspannt durch seinen schönen Garten und plaudert über die eigene Kindheit. Er erwähnt sein gutes Schul-Abgangszeugnis. Später lernt Wenkel Fernmeldetechniker bei der Post und arbeitet als Elektroniker. „Ich war auch mal Filialleiter, aber auch Ausbilder für Funkmechaniker", blickt Klaus Wenkel zurück. Rebellisch blieb er allerdings bis heute. Im heimischen Gräbendorf liegt er im Clinch mit den Behörden – wegen eines Anbaus an seine massive Finnhütte. Ungerechtigkeiten könne er bis heute nicht akzeptieren, wie er sagt.
Seit mehr als zehn Jahren genießt Klaus Wenkel seinen Ruhestand. Mit Lebensgefährtin Monika ist er viel auf Reisen: „Wir steuern gern Ziele an, die für uns Ostler früher nicht so leicht erreichbar waren", so der Vater eines Sohnes. Doch auch im heimischen Garten direkt am Waldrand sei immer etwas zu tun.
Am Ende zeigt der Fernsehstar für einen Abend stolz eine Urkunde: „Klaus Wenkel hat bei ‚Wennschon – dennschon‘ an der Rekordrunde ‚Meiste Tadel‘ teilgenommen und damit zum guten Gelingen der Sendung beigetragen." Unterzeichnet und überreicht ist die Auszeichnung von Moderator Hans-Joachim Wolfram.