Der Thrillerautorin Martina Straten können Sie demnächst bei zwei Lesungen in Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg begegnen. Vorab erzählt die Autorin, welchen Reiz der Horror aus ihrer Sicht ausmacht.
Luftiger Blumenlook, Schmuck und Fingernägel in poppigem Pink, ein fröhliches Lächeln: Die sympathische Frau, die am St. Johanner Markt in der Sommersonne sitzt, will so gar nicht dem Bild einer Thrillerautorin mit Faible für besonders grausame Morde entsprechen. Martina Straten ist den meisten als quirliges Aushängeschild für Radio Salü bekannt. Als sie sich vor einigen Jahren von der wochentäglichen „Morning Show" verabschiedet und mit einer eigenen Show zum Samstagnachmittag wechselt, findet sie endlich die Zeit, sich einen Traum zu erfüllen: Bücher schreiben. Und die sind nichts für schwache Nerven.
Frau Straten, was ist für Sie Horror?
Unter Horror verstehe ich Zombies, Geister, The Walking Dead. Meinen Büchern fehlt diese übernatürliche Komponente, Dinge, die außer Kontrolle geraten, Wesen, die mutieren. Ich würde sagen, meine Romane sind klassische Thriller. Okay, sie sind nicht ohne, sie haben schon eine Menge …
Biss?
Ja genau! (lacht)
Blut?
Ja, kommt auch vor! (lacht)
Woher kommt diese Begeisterung?
Ich habe schon immer gern Thriller und Horror gelesen, vor allem Stephen King. Mich fasziniert die menschliche Psyche. Was geht in dem Täter vor? Dem Opfer? Ich recherchiere sehr viel, weil ich das, was ich schreibe, nicht unreflektiert lassen möchte.
Möchten Sie sich denn auch mal in einem anderen Genre austoben?
Ich schreibe eigentlich genau die Art von Büchern, die ich selbst gern lese. Obwohl in meinen Thrillern die Liebe auch immer ein Thema ist, könnte ich keinen Liebesroman à la Nicholas Sparks schreiben. Das ist nichts für mich. Krimis auch nicht, weil ich Polizeiarbeit zu anstrengend finde. Das merkt man meinen Büchern auch an.
In „Blutmariechen" findet tatsächlich gar keine Ermittlungsarbeit statt.
Ja, und es gibt Leser, die sich darüber beschweren. Dann erkläre ich ihnen, dass es mir nicht um die Polizeiarbeit geht, dass das Buch eben kein Krimi ist, sondern ein Psychothriller.
Sie dringen tief in die Abgründe der gequälten Psyche Ihrer Täter ein und zeigen viel Sympathie für sie.
Man darf Täter natürlich nie entschuldigen. Aber ich finde, dass man sie verstehen muss, um Verbrechen zu verhindern. Das beschäftigt mich sehr.
Sie arbeiten mit mehreren Erzählebenen, zeitlich und perspektivisch. Wie schwierig ist es, die verschiedenen Stränge miteinander zu verknüpfen?
Es ist wie in der Mathematik: Unterm Strich muss es aufgehen. Eine Herausforderung! Ich habe schon mal versucht, zuerst eine Zeitebene fertig zu schreiben und dann die nächste, aber das hat nicht funktioniert, weil die Spannung verloren ging. Schreiben ist ein Handwerk. Je mehr man es tut, umso mehr lernt man dabei. Ich finde es wichtig, dass man wahrnimmt, wie man sich weiterentwickelt, wie die Bücher sich verändern. Ich würde sagen, „Grün, grün, Totenblühen" ist mein handwerklich stärkstes Buch.
Kommissarin Merten ist die Hauptfigur Ihrer Farben-Reihe. Hatten Sie Ihre komplette Geschichte und Entwicklung von Anfang an im Kopf oder ergibt sich vieles erst beim Schreiben?
Von meinem ersten Buch „Weiß, weiß, Totenkreis" hatte ich eine ganz klare Vorstellung, aber wohin danach die Reise gehen würde, wusste ich nicht. Franziska Merten ist mir mit jedem Buch mehr ans Herz gewachsen, wie eine Freundin. „Grün, grün, Totenblühen" hat sich fast von alleine geschrieben.
Außergewöhnliche Tatorte, theatralische Morde, komplexe Figuren.
Ja, genau. Es hat sich alles wie ein Puzzle zusammengefügt. Aber es gibt auch Tage, da sitze ich weinend am Computer und denke, das schaffe ich nicht. Wie soll das ausgehen? Ist das Ende zu vorhersehbar? Oder zu weit hergeholt? Kann man es überhaupt verstehen?
Ihre Merten-Fälle könnte man gut verfilmen. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, ein Drehbuch zu schreiben?
Nein, das unterscheidet sich doch sehr vom Bücherschreiben. Aber man könnte wirklich eine spannende Miniserie daraus machen. Vielleicht passiert das ja mal. Ich würde mich freuen.
Wer wäre Ihre Traumbesetzung für Kommissarin Merten?
Katharina Wackernagel wäre toll. So horrormäßig die Mordfälle um Franziska auch sein mögen, es gibt da ja noch ihr Privatleben, eine Beziehung, eine Schwangerschaft. Es passiert also viel abseits der Morde. Das ist angenehm, auch für mich, beim Schreiben.
Sie setzen sich intensiv mit Ihren Figuren und den Verbrechen, die Sie beschreiben, auseinander. Machen Ihnen die Menschen und Dinge, um die es da geht, auch Angst?
Ja! Während der Arbeit an „Blau, blau, tot die Frau" habe ich mir eine Alarmanlage einbauen lassen. Das Buch spielt in einem heißen Sommer, so wie jetzt. Die Menschen schlafen bei offenen Fenstern, und eines Nachts steigt jemand ins Schlafzimmer einer Frau. Im Laufe meiner Recherchen habe ich einen Sicherheitsbeauftragten der Polizei gebeten, bei mir zu Hause vorbeizuschauen. Er hat mir vieles erklärt, und dann habe ich beschlossen, dass eine Alarmanlage hermuss. Einfach nur die Tür absperren, das ist längst kein Hindernis mehr für Einbrecher. Und ganz ehrlich: Das ist für mich der eigentliche Horror, nicht Zombies oder Monster.
Zombies und Monster sind abstrakt, zu Fantasie, man kann Distanz wahren.
Genau. So ein Buch kann man beiseitelegen und sagen: Ist doch alles nicht wahr. Aber der eigentliche Horror spielt sich genau da ab, wo wir leben. In den Situationen, in denen wir Angst bekommen. Wenn eine Frau nachts alleine in ihrem Bett liegt, das Fenster wegen der Tropenhitze weit geöffnet, und draußen lauert das Böse … Das ist eine sehr realistische Situation, in die sich jeder hineinversetzen kann.
Welche Gute-Nacht-Geschichten lesen Sie eigentlich Ihrer kleinen Tochter vor?
(lacht) Meine Tochter liebt Bücher, und sie fragt natürlich auch oft nach den Geschichten, die ich schreibe. Dann sage ich immer: Die darfst du lesen, wenn du 20 bist! Ich glaube, später wird sie meine Bücher nicht als Thriller lesen, sondern um ihre Mama besser kennenzulernen. In Franziska steckt ja viel von mir selbst. Und das ist bestimmt interessanter für meine Tochter als der Horror.