Der ADAC feilt an seinem Image. Seit diesem Sommer hilft der Autoclub auch Radfahrern bei Pannen. Einige „Gelbe Engel" sind neuerdings sogar per E-Bike unterwegs. So wie Alexander Weber in Freiburg.
Seinen ersten Arbeitstag auf dem Fahrrad hatte sich Alexander Weber anders vorgestellt. „Es war April und regnete in Strömen", erinnert sich der 43-Jährige. „Die Autofahrer schüttelten den Kopf, als ich klitschnass an ihnen vorbeifuhr." Dann raste auch noch ein Auto durch eine Pfütze. „Da war mir dann auch alles egal. Ich hab’s durchgezogen und bin den ganzen Tag weiter Fahrrad gefahren."
Alexander Weber ist einer von fast 1.700 Pannenhelfern und -helferinnen, die deutschlandweit beim ADAC arbeiten. Anders als die meisten „Gelben Engel" nutzt er aber kein Auto als Dienstfahrzeug. Seit dem Frühjahr ist er in seiner Heimatstadt Freiburg ausschließlich per E-Bike unterwegs. So kann er sich am Verkehr vorbeischlängeln und ist oft sogar schneller am Ziel.
Auto in Tiefgarage springt nicht an
Wie genau sein Arbeitsalltag abläuft, demonstriert er an einem brütend heißen Sommertag im August. Schon am Vormittag klettern die Temperaturen auf über 30 Grad. Weber ist bereit. Braun gebrannt, kurze Hose, knallgelbes Trikot, den Reißverschluss bis zur Brust geöffnet. Stünde nicht „ADAC" auf dem Anhänger, könnte man denken, er starte zur Tour de France. Macht ihm die Hitze gar nichts aus? „Im Auto ist es viel schlimmer", sagt Weber. „Hier habe ich wenigstens den Fahrtwind."
Schon blinkt auf seinem Handy der erste Hilferuf: Auto in Tiefgarage springt nicht an. Mit 25 km/h saust der Gelbe Engel zum Ziel, durch die Altstadt, über die Fahrradbrücke, vorbei am Autoverkehr, der sich auf der nahe gelegenen B 31 staut. Bremsen muss er allenfalls auf hügeligen Radwegen, unter denen sich Baumwurzeln ausbreiten. Dann scheppert sein Anhänger über die Fahrbahn. „Wir sind noch in der Testphase", räumt Weber ein. „Der Anhänger bremst zwar automatisch mit, ist aber etwas unhandlich. Wahrscheinlich wäre ein Lastenrad besser."
Vor der Tiefgarage wartet schon die Kundin. „Wow, ein echter Engel auf dem Fahrrad!", ruft Anita Stengele (58) und bestaunt die braun gebrannten Waden des Straßenwächters. Weber fühlt sich geschmeichelt. „Fahrrad fahren hilft gegen meine Wohlstandswampe", entgegnet er, bevor er den lädierten Citroen in Augenschein nimmt: „Was macht er denn?" –
„Nichts macht er", antwortet Stegele. „Das ist ja das Problem." Also Starthilfe. Motorhaube auf, Kabel anschließen, schon rasselt der Diesel wieder. „Jetzt sollten Sie eine Dreiviertelstunde fahren, damit sich die Batterie auflädt", rät der Gelbe Engel. Anita Stengele drückt ihm einen Fünf-Euro-Schein in die Hand – „weil Sie so ein Netter sind."
Als Weber zum nächsten Einsatz strampelt – wieder eine defekte Batterie –, erzählt er von seiner Verwandlung. Seit zehn Jahren arbeitet der gelernte Mechatroniker beim ADAC. Früher interessierte er sich für PS-starke Autos. „Ich habe V8-Motoren geliebt und hatte ewig überhaupt kein Fahrrad." Doch je öfter er mit seinem Dienstfahrzeug im innerstädtischen Stau stand, desto mehr dämmerte ihm, dass er auf zwei Rädern schneller ans Ziel käme. „Ich habe immer gesehen, wie die Fahrräder an mir vorbeifuhren", berichtet Weber. „Das wollte ich auch." Privat fährt er inzwischen ein Elektroauto. Die Welt wandelt sich, auch bei der Straßenwacht.
Das passt gut zum Image, das der Automobilclub von sich selbst pflegt. Lange Zeit vertrat er vor allem die Interessen der fossilen Autolobby. Tempolimit? Radverkehr? Verkehrswende? Nicht mit dem ADAC! Stattdessen: „freie Fahrt für freie Bürger". 2014 geriet der Verein bundesweit in die Schlagzeilen, weil er beim Autopreis „Gelber Engel" Stimmen manipuliert hatte. Lang, lang ist’s her. Inzwischen gibt man sich beim Tempolimit neutral, unterstützt Elektromobilität und fordert den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Selbst Pannenhilfe für Fahrräder gehört neuerdings zum Repertoire. Da kommen die „Gelben Fahrradengel" gerade recht.
Auch Alexander Weber richtet sich an beide Zielgruppen. Neben KfZ-Diagnosegerät, Schlagschrauber und Warnleuchten befinden sich Fahrradschläuche, Flickzeug und Kettenglieder in seinem Anhänger. Noch machen Zweirad-Pannen nur einen Bruchteil seiner Einsätze aus. „Dreimal in drei Monaten", sagt Weber. Vielleicht verbinden die meisten Menschen mit dem ADAC eben doch noch das, was er im Namen trägt: das Automobil. Wobei es manchmal auch die Radler sind, die alle Klischees bedienen. „Schon zweimal wurde ich gefragt, warum ich bei Rot nicht über die Ampel fahre", erzählt Weber. „Einmal ist mir sogar ein Radfahrer hinten reingefahren, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass ich an der Kreuzung halte."
Zweirad-Pannen eher seltener
Der nächste Einsatz führt nach Merzhausen, ein Dorf direkt hinter Freiburg. Im gleißenden Sonnenlicht geht es leicht bergauf, doch Weber und seinem E-Bike scheint all das nichts auszumachen. Ein Schluck aus der Wasserflasche – mehr braucht er nicht, um die eigenen Akkus aufzufüllen. Routiniert nimmt er den Audi-SUV in Augenschein, der mit aufgeklappter Motorhaube auf dem Parkplatz vor einer Schneiderei steht. Der Schneider wartet bereits. Als er Weber sieht, bietet er ihm an, dessen kurze Hose weiter zu kürzen. Weber lacht: Tatsächlich hat er an seinem Outfit schon selbst herumgebastelt, weil ihm die Arbeitskluft zu lang war.
Was den Audi angeht, kann er diesmal nicht helfen: Die Ventilstellung funktioniert nicht, Vor-Ort-Reparatur unmöglich. „Den muss ein Kollege abschleppen", sagt Weber, denn dafür reicht die Kraft seines E-Bikes dann doch nicht. Rund 150 Kilometer weit kommt er mit seinen beiden Akkus; normalerweise verfährt er während einer Schicht etwa die Hälfte davon. Sein Arbeitgeber stellt ihm frei, je nach Wetterlage per Fahrrad oder Auto auszurücken. Bisher hat Weber das Angebot ausgeschlagen. „Ich habe meinen Stolz", sagt der 43-Jährige und lacht. „Außerdem findets meine Frau besser, wenn ich in Form bin."