Dürre führt zu geschwächten Bäumen, auch in diesem Jahr. Der deutsche Wald ist dem Klimawandel jedoch nicht schutzlos ausgeliefert. Forstexpertinnen wie Catharina Hehn arbeiten daran, ihn als zentrales Ökosystem, aber auch als Wirtschaftsraum zu erhalten.
Frau Hehn, der deutsche Wald wurde nun mehrere Jahre hintereinander mit extremer Dürre konfrontiert. Was macht das mit diesem Ökosystem im Augenblick?
Seit 2018 erleben wir, mit der Ausnahme des Jahres 2021, extreme Dürrejahre. Wir Forstleute verfolgen daher beispielsweise auf dem Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums die Entwicklung des gespeicherten Wassers im Boden und den Zustand der Bäume mit großer Sorge. Man kann sagen, im Wald herrscht derzeit Ausnahmezustand. Es gibt auf der einen Seite zu wenige Niederschläge und auf der anderen extreme Hitzewellen, was nun seit beinahe fünf Jahren zu extremem Stress der Bäume führt. Es gibt jedoch regionale Unterschiede und auch die einzelnen Baumarten reagieren in Bezug auf die Schäden unterschiedlich.
Je nach Standort kann der Boden eine unterschiedliche Menge Wasser speichern und den Bäumen in Trockenperioden zur Verfügung stellen. Dort, wo die Porengröße des Bodens ideal ist, wird es länger gespeichert und kann dementsprechend leicht von den Bäumen aufgenommen werden; sind wie auf sandigen Böden die Poren zu groß, versickert es rasch; sind sie wiederum zu klein, kann der Boden es nicht schnell genug aufnehmen, bevor es abfließt, oder es steht den Bäumen nicht zur Verfügung. Daher müssen wir die regionalen Unterschiede bei dieser Diagnose berücksichtigen: Die einen leiden mehr unter der Dürre als andere. Alles in allem kann aber herausgestellt werden: Ja, unser Wald leidet auch in diesem Jahr durch die Trockenheit.
Laut Waldzustandsbericht 2021 ist nur jeder fünfte Baum in Deutschland gesund. Wie sehen die Krankheitsbilder der übrigen Bäume aus?
Wir müssen differenzieren: Sind sie von Schaderregern oder Insekten, die Schäden an den Bäumen anrichten, befallen, oder „verdursten" sie gerade? Der Waldzustandsbericht differenziert leider nicht zwischen Dürreschäden, also Schäden aus Wassermangel oder diesen sogenannten sekundären biologischen Schäden durch Insektenbefall. Im Moment sehen wir vor allem Dürreschäden. Diese führen im zweiten Schritt meist zu Insektenbefall. Im Prinzip sind diese Organismen jedoch erst einmal keine Schädlinge. Insekten beispielsweise gehören schließlich zum Ökosystem Wald. Aufgrund des Trockenstresses können viele Bäume sich nicht mehr ausreichend „wehren". Nadelbäume beispielsweise bilden zu wenig Harz aus, um sich vor dem massenhaften Eindringen durch Insekten zu schützen. Diese beschleunigen letztlich das Absterben.
2021 wurden in Deutschland 83 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen, mehr als 50 Millionen Kubikmeter davon Schadholz. Wenn aber so viel Holz angefallen ist, warum ist der Holzpreis derzeit so hoch?
Wir unterscheiden den Preis nach verschiedenen Holzarten und Sortimenten. Auch ist unser Holzverkaufsmarkt ein anderer als der, an dem die Endverbraucher*innen teilnehmen. Der Holzmarkt ist recht dynamisch und weist hohe Schwankungen auf. Im Moment ist der Preis für die wichtigsten Sortimente hoch und stabil. Das war in den vergangenen Jahren anders. An den deutlich gestiegenen Brennholzpreisen kann man beispielsweise das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage erkennen. Es muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass auch die Kosten für die Maschinen und den Transport gestiegen sind, was sich ebenfalls im Preis niederschlägt. Goldgräberstimmung ist in der Forstwirtschaft schon mit Blick auf die künftigen Einnahmeeinbußen durch die Schäden und die enormen Investitionen in Anpflanzungen nicht ausgebrochen.
Und trotz der großen Menge benötigen wir weiterhin Holzimporte?
Generell weist die deutsche Rohholzstatistik – ausgenommen der Schadjahre – meist eine ausgeglichene Im- und Exportbilanz aus. Unsere Vorstellung im „Jungen Netzwerk Forst" ist, dass wir nach Möglichkeit regionale Wertschöpfung betreiben. Holz ist schwer, damit empfindlich gegenüber Transportkosten und den CO2-Emissionen. Demnach sollte es im Idealfall nur kurze Wege vom Wald auf den Markt zurücklegen. Aber der Markt ändert sich, der wunderbare Rohstoff Holz rückt wieder stärker in den Fokus. Es ist jedoch fraglich, ob wir uns bei steigendem Bedarf und den ausfallenden Fichtenwäldern langfristig selbstständig mit Holz, ob fürs Bauen, für Möbel oder für den Kamin, versorgen können.
Nachhaltig heißt auch, den Wald resilienter gegen Waldbrände zu machen. Wie können wir das tun?
Viele wissen gar nicht, dass im Wald völliges Rauchverbot gilt: kein offenes Feuer, auch keine Zigarette im Zeitraum von März bis Oktober! Das einzuhalten wäre das Erste, denn Waldbrände sind meistens von Menschen verursacht. Das Zweite: der Waldumbau, weg von einer einzigen Baumart in einem Wald, hin zu vielen verschiedenen Baumarten. Monokulturen sind in vielen Teilen Deutschlands schon Geschichte. Pflanzen Sie beispielsweise fünf Baumarten auf einer Fläche und eine Baumart wird krank, bleiben noch vier Baumarten übrig. Vielfalt streut Risiko und minimiert es somit. Neben Baumartenvielfalt ist die Strukturvielfalt wichtig: junge und alte Bäume, große, mittlere und kleine. Auch dies streut wieder Risiko, denn es gibt Baumalter, in denen diese anfälliger oder widerstandsfähiger gegen äußere Einflüsse sind. Baumarten zu mischen ist aber nicht so einfach, denn jede Baumart hat unterschiedliche Ansprüche: Die einen wachsen in ihrer Jugend schneller als andere und manche mögen mehr Licht oder eben den Schatten. Hier fließen wissenschaftliche Erkenntnisse ein, die uns beispielsweise im Studium vermittelt werden. Der Umbau hin zu mehr Vielfalt macht den Wald widerstandsfähiger, nicht nur gegen Wetterereignisse, sondern auch gegen Waldbrände. Nehmen wir als Beispiel einen Nadelwald: Die abgefallenen Nadeln zersetzen sich nicht schnell, sie enthalten teilweise auch noch leicht entzündliche ätherische Öle, sie sind also ein potenzieller Brandbeschleuniger. Laub zersetzt sich grundsätzlich schneller. Dies ist nur ein Faktor von vielen. Zum anderen müssen wir darauf hinweisen, dass auch die Munitionsaltlasten, die teils noch im Boden stecken, vielfach zu einem Brand beitragen. Denn sind diese involviert, können Feuerwehrleute erst einmal nicht zum Brandherd vordringen, weil es wegen der Explosionsgefahr zu gefährlich ist. Deshalb fordern wir, alte Munition gründlich zu räumen.
Wissenschaftliche Projekte versuchen neue Baumarten in Deutschland anzusiedeln. Halten Sie dies für zielführend?
Alternative Baumarten, die nicht in Deutschland heimisch sind, können einen Einfluss auf das heimische Ökosystem Wald haben – und wir wissen häufig noch nicht genau, welchen. Dennoch können wir am Beispiel der Douglasie auf Versuchsanbauten aus über 150 Jahren zurückgreifen. Gleichzeitig sehen wir auch, dass manche heimische Baumarten angesichts des Klimawandels an ihre Grenzen kommen. Daher ziehen viele Waldbesitzende fremdländische Baumarten als Ersatz in Betracht. Dies sollte lediglich als Ergänzung der heimischen Vielfalt geschehen, welche schon mit Blick auf die innerartliche Genetik ungeahnt groß ist. Nehmen wir die Buche, die große Flächen Deutschlands bedecken würde, gäbe es den menschlichen Einfluss auf die Kulturlandschaft nicht. Hier gibt es genetische Unterschiede, die es manch einer Buche erlauben, zum Beispiel etwas dürreresistenter zu sein als andere ihrer Art. Hier müssen wir wissenschaftlich ansetzen; richtig untersucht, könnten solche Buchen in Zukunft als Saatgutbestände genutzt werden.
Das hört sich optimistisch an.
Ja, der Wald ist ein langsames Ökosystem, während Gesellschaft und Klimawandel sehr schnell sind. Daher versuchen wir Försterinnen und Förster zwischen Wald und Gesellschaft zu moderieren, um schnell genug den Umbau hinzubekommen und dem Ökosystem gleichzeitig genügend Zeit zur Anpassung zu lassen. Wir Forstleute sind gut ausgebildet, haben einen großen wissenschaftlichen Werkzeugkasten und sind daher optimistisch, dass unser Wald in Zukunft überleben wird – auch wenn er wahrscheinlich anders aussehen wird als heute.