Die Artikel zu Energiespartipps häufen sich, helfen aber nur den Wenigsten. Denn eine alte Heizungsanlage tauscht man nicht von heute auf morgen aus. Welche Maßnahmen bringen wirklich was?
Der Winter wird uns alle teuer zu stehen kommen, besonders wenn es richtig kalt wird. Der Grund dafür sind die enormen Kosten für Energie, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wie teuer, das steht noch nicht genau fest, aber es existieren reichlich Schätzungen und erste Abschlagsforderungen von Versorgern, die uns zum Teil die Haare zu Berge stehen lassen. Nicht ohne Grund fragen sich viele: Was kann ich tun, um meinen eigenen Geldbeutel bei möglichst gleichbleibender Lebensqualität zu schützen und dabei vielleicht nebenher auch noch was gegen den Klimawandel zu unternehmen?
Kein Wunder also, dass Artikel mit Namen wie „Die besten Tipps zum Energiesparen" oder „Zehn Möglichkeiten, um seine Heizkosten zu senken" in jeder Zeitung und in jedem Online-Nachrichtenportal zu finden sind. Aber taugen die wirklich etwas?
Die Maßnahmen, die den größten Einfluss auf unsere Rechnungen und den CO2-Fußabruck haben, sind gar nicht so einfach umzusetzen: eine moderne Deckendämmung installieren (bis zu 20 Prozent Heizkostenersparnis), eine neue Heizung installieren (bis zu 35 Prozent), Selbstversorger werden und zum Beispiel mit einer eigenen Solaranlage warmes Wasser erzeugen (bis zu 65 Prozent Kosteneinsparung bei der Warmwasserbereitung) und vieles andere mehr.
Viele Sparmaßnahmen nur schwer umsetzbar

Leider blättert der Lack dieser verlockenden Prozentzahlen bei näherer Betrachtung schnell ab. Viele der dafür benötigten Teile und Materialien sind aktuell Mangelware, zum Beispiel Wärmepumpen, bei denen die Hersteller kaum mit der Produktion hinterherkommen. Das hat zwei Gründe: knappe Rohstoffe und fehlende Fachkräfte. Selbst wenn man das Geld besitzt oder unter Umständen auf zinsgünstige KfW-Kredite zurückgreifen kann, ist nicht klar, ob man bis Dezember stolzer Besitzer einer neuen Heizung sein kann.
Hat man Glück und bekommt die benötigten Teile, bleibt der Fachkräftemangel weiter ein Problem. Die Auftragsbücher vieler Handwerksbetriebe sind voll, was insbesondere Fachfirmen für die moderne Technik betrifft, die benötigt wird, um sein Eigenheim möglichst zu einem Nullenergiehaus zu modernisieren. Es ist gut möglich, dass einige, die jetzt in neues Gerät investieren, erst am Ende oder nach dem nächsten Winter davon profitieren. Für die eigene Klimabilanz wäre das perspektivisch nicht schlecht, vor den aktuell galoppierenden Kosten ist man so aber trotz der eigenen Investition nicht geschützt.
Ein weiteres Problem betrifft außerdem fast 58 Prozent der Bevölkerung: Statt Eigentümer zu sein, leben viele in einer Mietwohnung. Da sind eigene bauliche Maßnahmen ohnehin selten eine Option. Selbst Eigentümer in größeren Eigentumsgemeinschaften dürften bei der derzeitigen Preisentwicklung für den täglichen Bedarf Schwierigkeiten haben, Miteigentümer von einer Sanierung des gemeinsamen Eigentums zu überzeugen.
Was nicht heißen muss, dass alle Vorschläge zum Energiesparen schlecht sind: Maßnahmen, um das eigene Verhalten zu optimieren, machen zwar für sich genommen nicht so viel aus, aber einmal antrainiert sparen sie kontinuierlich Energie und, solange wir noch von fossilen Energieträgern abhängig sind, CO2 ein. Man denke nur an die Ermahnungen in der Grundschule, beim Zähneputzen das Wasser nicht laufen zu lassen. Fenster beim Heizen geschlossen zu halten, außer zum Stoßlüften, den Wasserkocher statt den Herd zu benutzen und wenn man schon einen Topf braucht, dann wenigstens mit dazu passendem Deckel. Dies sind kleine Verhaltensweisen, die, sollten sich die Energiepreise wirklich vervielfachen, einen kleinen, aber spürbaren Effekt nach sich ziehen werden. Ähnliches gilt für das regelmäßige Entlüften der Heizung sowie die Anpassung von Kühlschrank und Raumtemperatur.
Investitionen in eigene Immobilie fördern
Auf der anderen Seite ist es aber erfreulich, dass wir als Gesellschaft nun, wahrscheinlich auch aus finanziellem Eigeninteresse, endlich die Diskussion über Einsparungen beim Energiebedarf führen und dabei auch unseren eigenen Haushalt unter die Lupe nehmen. Angesichts der aktuellen Notlage sind so viele Menschen wie noch nie dazu bereit, ihr eigenes Handeln zu ändern. So gaben laut Infratest-Dimap 64 Prozent einer im August veröffentlichten Studie an, dass sie im Winter weniger Heizen wollen. Eine große Mehrheit von 87 Prozent hält laut der Forsa-Umfrage „Wohnen und Klimaschutz" eine höhere Energieeffizienz in Gebäuden für wichtig, um nur zwei Umfragen zu zitieren. Es ist also ein Umdenken im Gange, welches, wenn es nicht ausgebremst wird, mittelfristig Früchte tragen kann. Um diesen Wandel nicht auszubremsen, ist insbesondere die Politik gefragt: 65 Prozent gaben in der Forsa-Umfrage an, dass für sie attraktive Fördermaßnahmen ausschlaggebend wären, um in die eigene Immobilie zu investieren. Ein wichtiger Auftrag an die Regierung, in den kommenden Gesetzespaketen den Wandel in der Gesellschaft abzubilden und zu fördern. Denn auch nach der Energiekrise diesen Winter wird die Bekämpfung der Klimakrise weiter von herausragender Bedeutung sein. Über einen längeren Zeitraum gesehen, wird es nicht ohne eine großangelegte Modernisierungswelle von privaten und öffentlichen Gebäuden gehen, wenn wir unsere eigenen Klimaziele einhalten wollen.