Die Botschaft ist auch nach einem halben Jahrhundert im Grunde unverändert. Vor 50 Jahren warnte der Club of Rome in seiner Studie „Die Grenzen des Wachstums" vor einem Kollaps der Erde durch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Die Bedingungen haben sich weiterentwickelt, die Zeit drängt mehr denn je.

Jørgen Randers könnte sich eigentlich gemütlich in Gewissheit zurücklehnen. Die Auswirkungen der Klimakatastrophe, wie wir sie in diesem Sommer in Europa erlebt haben, hat er schon vor 50 Jahren vorhergesagt. Doch der 77-jährige Zukunftsforscher aus Norwegen ist weit entfernt von solcher Selbstgefälligkeit. Er ist einer der Co-Autoren der wegweisenden Studie „Die Grenzen des Wachstums", damals war er 27-jähriger Jungwissenschaftler im Auftrag des Club of Rome.
Randers plagen nun keine Selbstzweifel, dass trotz der eindeutigen Warnung vor 50 Jahren das Wachstum weitergegangen ist. Der Wissenschaftler hat im FORUM-Gespräch aber auch keine Erklärung, warum trotz aller intensiven und unablässigen Warnungen politisch nicht wirklich etwas passiert ist. „Das kann ich ihnen nicht sagen. Aber Politik und Wirtschaft neigen nun ganz offensichtlich immer erst zum Handeln, wenn die problematischen Auswirkungen des eigenen Handelns tatsächlich für die Menschen weltweit spürbar sind."
„Die Vorzeichen erleben wir bereits jetzt"
Im nun erschienenen neuen Bericht des Club of Rome, „Earth for All", wird für die kommenden 70 Jahre erneut eine düstere Prognose für die Weltentwicklung aufgemacht. Leitmotiv: „Der Klimawandel wird zuerst zur sozialen Frage, dann zu einer ökonomischen und erst am Ende zu einer ökologischen Katastrophe", so die Autoren der Studie. Wenn die Entwicklung so weitergehe wie bisher, werde dieser Total-Kollaps spätestens im Jahr 2100 die Erde ereilen. „Doch die Vorzeichen erleben wir bereits jetzt. Es gibt bereits jetzt Regionen in der Welt, die nicht mehr bewohnbar sind. Daraus folgt eine unkalkulierbare Fluchtbewegung." Sandrine Dixson-Declève ist die Co-Präsidentin des Club of Rome. Im FORUM-Gespräch warnt die energische Belgierin vor weiterem „Zu-wenig-Handeln": Es sei nicht so, dass die großen Wirtschaftsnationen nicht handeln, aber alle Bemühungen der letzten Jahre seien zu zaghaft gewesen, wie die vielen Welt-Klimakonferenzen immer wieder unter Beweis stellen würden. „Wir brauchen einen kompletten Systemwechsel", bringt es Dixson-Delève auf den simplen Punkt. Ihre Prognose für die kommenden 70 Jahre: Gut zwei Milliarden Menschen werden in ihren angestammten Gebieten nicht mehr leben können. Extreme Hitze, Dürre, Überschwemmungen und damit totale Ernteausfälle werden die soziale Frage dieser Welt verschärfen, ja völlig neu stellen.
Das betrifft aber nicht nur die vor allem betroffenen Länder im globalen Süden, sondern auch die Menschen zum Beispiel im Norden Europas. „Wenn wir den Weg des too little too late weitergehen, wird der Wohlstand spätestens in 30 Jahren in den Industrieländern gegenüber heute um 40 Prozent geschrumpft sein", warnt Dixson-Declève. Dazu kommt, dass bis 2050 die Weltbevölkerung auf knapp neun Milliarden Menschen angestiegen sein wird, so die Prognose des neuesten Club-of-Rome-Berichts. Die Defossilisierung der Mobilität und Energiegewinnung sei angesichts dessen der einzig richtige Weg, um die Erderwärmung zu stoppen. Doch das allein wird nicht reichen.
Die Bevölkerungsentwicklung war einer der Dreh- und Angelpunkte im ersten Bericht der Zukunftsforscher vor 50 Jahren. 1970 lebten auf der Erde gut 3,7 Milliarden Menschen, der Club of Rome warnte damals, mehr als sechs Milliarden Menschen könne die Erde nachhaltig nicht ernähren. Im Sommer dieses Jahres waren es bereits knapp acht Milliarden Menschen, die die Erde bevölkern. Dank Power-Dünger und damit einhergehender Ausplünderung der Böden konnte selbst die Verdoppelung der Weltbevölkerung ernährungsmäßig halbwegs bewerkstelligt werden. Doch eben nicht nachhaltig. Mehr Menschen brauchen nicht nur mehr Nahrung, sondern auch Unterkunft und erträgliche Lebensverhältnisse. Wie sehr die Bevölkerungszunahme auch beim Klimawandel eine Rolle spielt, zeigt allein ein Beispiel hier bei uns in Deutschland: Seit der Wiedervereinigung hat die Zahl der Bevölkerung in Berlin um über 500.000 Menschen zugenommen. In der Innenstadt, dort, wo einst Todesstreifen und Mauer standen, sind komplett neue Kleinstädte entstanden. Eine gigantische Versiegelung der innerstädtischen Flächen mit der Folge, dass die Durchschnittstemperatur in der Berliner Innenstadt allein in diesen 30 Jahren um gut drei Grad angestiegen ist, so die Meteorologen der Freien Universität Berlin. Wo früher Brache mit Sträuchern und Unkraut war, stehen heute Hochhäuser aus Beton. Das Beispiel verweist auch auf Mega-Citys wie Mexiko-Stadt, Rio de Janeiro oder Mumbai.
„Too little too late" hat massive Folgen
Zu den Bedürfnissen der vielen Menschen zählt neben Wohnen, Essen und Trinken auch die Fortbewegung. Am besten nur noch mit E-Autos, wenn es nach der Bundesregierung ginge. Doch auch hier gibt es natürliche Grenzen des Wachstums: Die Rohstoffe für die nötigen Batterien reichen nun mal nicht für drei oder vier Milliarden E-Autos weltweit. Nicht nur der Club of Rome, sondern auch Umwelt- und Klimaverbände in Deutschland warnen seit Jahren vor diesem Irrweg, den aufgrund der Rohstoffgewinnung wieder der globale Süden wird ausbaden müssen.

Soll die Energie- und damit Klimawende in den kommenden 30 Jahren ein Erfolg werden, bedarf es also eines völligen Umdenkens im Alltag. Zukünftig ist weniger tatsächlich mehr. Doch diese Erkenntnis, die vor allem den Energieverbrauch betrifft, ist in der deutschen Alltagswirklichkeit noch nicht wirklich angekommen, wie Anfang September die Internationale Funkausstellung in den Berliner Messehallen sichtbar unter Beweis stellte. Präsentiert wurden neben 8K-Flachbildfernsehern mit 138 Zoll Bilddiagonale – im Betrieb echte Stromfresser – ähnlich raumgreifende Gerätschaften für die Küche, wie zwei Meter hohe Doppeltür-Gefrier-Kühl-Kombinationen oder Elektroherde, die sich per Smartphone auch von unterwegs bedienen lassen. Dazu allerhand andere Spielereien für das „Smart Home" der Zukunft. Was den Herstellern ganz offensichtlich entgangen ist: Alle diese technischen Gimmicks zum Jalousien-Öffnen oder Automatisch-Licht-an-und -aus-Schalten brauchen aufgrund ihrer dauernden Standby-Funktion zusätzliche Energie, um überhaupt zu funktionieren. Genau das Gegenteil von dem, was nicht nur im kommenden Winter, sondern in den kommenden Jahren die Hauptaufgabe (nicht nur in Deutschland) ist: weniger Energie zu verbrauchen. Jedenfalls, wenn man den sozialen, ökonomischen und schließlich ökologischen Kollaps der Erde, wie vom Club of Rome in der aktuellen Studie prognostiziert, noch abwenden will.