Zu einem ambitionierten Kulturort hat sich das Schloss Biesdorf im Nordosten Berlins entwickelt. Die spätklassizistische Villa ist nur 20 U-Bahn-Minuten vom Alexanderplatz entfernt.
Vor 154 Jahren lag das Gelände noch vor den Toren Berlins. 1867/68 ließ der Freiherr von Rüxleben auf dem Gelände eine italienische Turmvilla bauen und einen Park anlegen. Da konnte er noch nicht wissen, dass sein „Schloss" mal ein Kleinod der Berliner Denkmallandschaft sein würde. Der Park wurde von den Landschaftsarchitekten Eduard Neide und Albert Brodersen gestaltet. 1887 erwarb Werner von Siemens die Anlage und überließ sie zwei Jahre später seinem Sohn Georg Wilhelm von Siemens. Sie blieb bis 1927 im Besitz der Familie. Danach kaufte die Stadt Berlin das Anwesen und machte es öffentlich zugänglich. Nach 1933 zog die Ortsgruppe der NSDAP ein, und vermutlich zerstörten die Nazis 1945 das Gebäude durch Brandstiftung. Dach und Decken sowie Teile der Fassade stürzten ein. Die Rote Armee ließ das Schloss provisorisch reparieren. 1959 wurde es Dorfclub, später Kreiskulturhaus mit Parkbühne und bis 2013 wurde es als Kulturhaus und Stadtteilzentrum genutzt. Seit 1979 steht die Anlage unter Denkmalschutz. In den 1980er-Jahren begann dann die lang währende Rekonstruktion, die 2016 mit der Wiederherstellung des Schlosses endete, das seitdem als Galerie, Kulturhaus und Begegnungszentrum genutzt wird.
Kleinod der Berliner Denkmallandschaft
Am 9. September 2016 wurde das Ensemble als „Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum Schloss Biesdorf" eröffnet und präsentierte zwei Jahre lang internationale Kunst und Kultur in der DDR. Seit Februar 2018 gehört das Schloss wieder zum Fachbereich Kultur des Bezirksamtes. Die Galeristin Karin Scheel, zuvor Chefin der „Galerie M" an der Marzahner Promenade, leitet das Kunsthaus als kommunale Galerie. Das bedeutet: kostenfreier Eintritt zu allen Ausstellungen. Diese sollen auch künftig die Brücke zwischen dem historischen baulichen Erbe und zeitgenössischer Kunst schlagen. In diesem Rahmen wird auch die enge Zusammenarbeit mit dem Kunstarchiv Beeskow weitergeführt.
Ein Blick in das Ausstellungsarchiv zeigt die Vielfalt der künstlerischen Themen und Handschriften von Kunstschaffenden und Kreativen aus Deutschland und der ganzen Welt. So setzten sich zum Beispiel bei der Ausstellung „Soft City – Stadt & Kunst/Japan & Berlin" Künstler und Künstlerinnen aus Japan und Deutschland mit urbanen Entwicklungen in beiden Ländern auseinander. In „Life Spot" fotografierte die Künstlerin Carola Rümper, die selbst einen Projektraum in Hellersdorf betreibt, zusammen mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und stellte die Bilder als interaktives Memo aus. In Kooperation mit dem Kunstarchiv Beeskow wurden Grafiken zu Liedern der Französischen Revolution und zu Gedichten von Johannes R. Becher gezeigt.
Die deutsch-niederländische Gruppe Hybrid Sculptors brachte einen virtuellen Blütengarten ins Schloss Biesdorf. Das 30. Jubiläum der Berliner Mauer war Anlass für die künstlerische Auseinandersetzung mit Menschen und Macht. Auch der Öffnung der Berliner Kunstakademie für Frauen vor 100 Jahren war eine Ausstellung gewidmet. Selbst in dem gerade für Kunst und Kultur schwierigen Corona-Jahr 2021 waren sechs Ausstellungen zu sehen, situationsbedingt meist virtuell. Darunter eine internationale Gruppenausstellung zum heutigen Wertbegriff und „Träume aus Papier" von Sophie Kirchner. In diesem Frühjahr beschäftigte sich „Habitate" mit Wechselbeziehungen in veränderten Lebensräumen aufgrund des Klimawandels.
Und aktuell läuft eine umfassende Retrospektive mit Arbeiten von Jürgen Wittdorf (1932 – 2018). Ihm werden Positionen von Norbert Bisky, Veneta Androva, Bettina Semmer und Harry Hachmeister mit Themen wie Gendern und Künstliche Intelligenz, Schönheit, Sexualität, Gewalt und Zerstörung und Körper als Element des politischen Handelns gegenübergestellt. Wittdorf hatte lange Probleme mit seiner Sexualität, seine Darstellungen junger Menschen fanden auch bei den Staatsoberen wenig Gefallen.
Beteiligung an der „Langen Nacht der Museen"
„Ab Februar 2023 präsentieren wir eine Ausstellung zu verschiedenen künstlerischen Perspektiven auf und durch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Parallel ist dann im Erdgeschoss des Schlosses eine Einzelpräsentation des Künstlers Georg Weise zu sehen", so gibt die künstlerische Leiterin von Schloss Biesdorf, Karin Scheel, einen Ausblick. „In der zweiten Jahreshälfte zeigen wir dann eine umfangreiche Schau mit künstlerischen Positionen aus der ehemaligen DDR, ergänzt durch zeitgenössische Arbeiten." Außerdem beteiligt sich das Schloss Biesdorf auch im kommenden Jahr an überregionalen Formaten wie der „Langen Nacht der Museen", dem „Tag des offenen Denkmals", der „KGB-Kunstwoche" und anderen Veranstaltungen. Ebenso gehört es zum Programm der Aktion „KUNST:offe", bei der die bezirklichen Kunsträume zu einem Blick hinter die Kulissen einladen.
Begleitend zu den Ausstellungen gibt es das Kunstvermittlungsprogramm „Labor M". In diesem Rahmen sind für alle Altersstufen unterschiedlichste Formate entwickelt worden, die Besuchern den Zugang zu zeitgenössischer Kunst ebnen. Dazu gehören Führungen durch die Ausstellungen, Workshops und andere Veranstaltungen für Kinder, Erwachsene und Familien sowie Schulen. In der Mediathek und auf dem Youtube-Kanal stehen Videos, digitale Workshops und Materialien zur Verfügung. Zu den Ausstellungen gibt es jeden Samstag von 14 bis 15 Uhr einen Rundgang mit Einblicken in die Zusammenhänge und Hintergründe ausgewählter Kunstwerke. Und zur aktuellen Retrospektive werden am 15. Oktober und 17. Dezember auch Führungen in englischer Sprache angeboten.