Vor Kurzem hat sich der Verein „SPD.Klima.Gerecht" gegründet. Die Mitglieder, zumeist Studentinnen und Studenten, wollen eine Brücke bauen zwischen der Klimabewegung und den Sozialdemokraten.
Sie ist jung, sie ist engagiert und nein, sie wohnt nicht in Berlin. Jessica Stolzenberger lebt und studiert in Freiburg. Seit einiger Zeit engagiert sich die 23-Jährige für SPD.Klima.Gerecht, dem Klimanetzwerk der Sozialdemokraten. Entstanden ist die Plattform aus der „Fridays for Future"-Bewegung, in der auch Jessica Stolzenberger schon seit Längerem aktiv ist.
Partiepolitisch aktiv wurde die Studentin bereits im Frühjahr 2020. Da gründete die Freiburgerin gemeinsam mit Kommilitonen und Wissenschaftlern die „Klimaliste Baden-Württemberg". Es war eine neue Partei, die den Grünen Konkurrenz machen sollte. Die Klimapolitik der Grünen in Baden-Württemberg-Ebene empfand sie damals als „ungenügend". Eine Zeit lang war die Politologie-Studentin sogar im Baden-Württemberger Landesvorstand der Kleinstpartei. Und nun also die Sozialdemokraten.
„Die SPD bietet als mitgliederstärkste Partei die beste Möglichkeit, viele Menschen bei Klimafragen mitzunehmen", sagt Jessica Stolzenberger im Gespräch mit FORUM. Aus ihrer Sicht seien die Sozialdemokraten am ehesten in der Lage eine „Vermittler-Rolle" einzunehmen, findet sie. Die Plattform sei eine Brücke der Klimabewegung in die Politik. Außerdem gefällt der jungen Freiburgerin der soziale Aspekt der Partei. „Die Klimakrise verschlimmert die soziale Ungerechtigkeit, denn gestiegene Lebensmittelpreise betreffen in erster Linie Ärmere." Diese Menschen seien besonders benachteiligt, dabei würden sie „weniger CO₂ ausstoßen", sagt Jessica Stolzenberger. „Sozialdemokratie, Umwelt- und Klimapolitik sollten Hand in Hand gehen", findet sie.
Der Startschuss für die neue SPD-Klimaplattform liegt bereits ein Jahr zurück. Seit Frühjahr 2021 schlossen sich über 100 Klimaengagierte bundesweit zusammen. Ende Juli hat die Initiative einen eigenen, bundesweiten Verein in Berlin gegründet. „Das Wissen um die permanente Zerstörung unserer Lebensgrundlagen hat bei uns zu einem neuen Verständnis davon geführt, was Politik leisten muss", erläutert Mitinitiator Maximilian Herzog aus Hamburg.
Die Aktivisten treffen sich einmal wöchentlich, zumeist online, da sie in verschiedenen Bundesländern wohnen. Mit Positionspapieren und einem Forderungskatalog haben sie sich an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt. Der Forderungskatalog beinhaltete unter anderem die Verdreifachung des Ausbautempos erneuerbarer Energien, den Kohleausstieg 2030 und das vollständige Ende für fossile Subventionen. „Olaf Scholz ist noch längst kein Klimakanzler", sagt der Aktivist aus der Hansestadt und kündigt an: „Wir werden nicht aufhören, für unsere Ideen und Konzepte zu kämpfen." Man wolle Denkwerkstatt und Debattenmotor zugleich sein, so der Hamburger. Eines der bisherigen Projekte der Umweltschützer war das Bekanntmachen und Bewerben des sogenannten Klima-Pledge bei den Sozialdemokraten. Man hat daher im Bundestagswahlkampf versucht, die Kandidierenden für das Versprechen zu gewinnen, dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens oberste Priorität einzuräumen. „Das war ein Signal, dass die neue Regierung den Klimaschutz angehen will", sagt Jessica Stolzenberger.
Jetzt geht es darum Politiker und auch die Menschen mit ins Boot zu holen. „Wenn man etwas gegen den Klimawandel erreichen will, müssen wir alle mitnehmen", findet die Jessica Stolzenberger. Man brauche intelligente Lösungen auf dem Land, denn noch immer wird besonders in ländlichen Gebieten ein Auto benötigt, um Bahnhöfe oder andere Infrastruktur zu erreichen. „Das ist das Resultat falscher politischer Entscheidungen und einer Verkehrspolitik, die einzig und allein das Auto im Fokus sieht", sagt sie. Nach der Einführung des 9-Euro-Tickets gab es auch im ländlichen Raum einen Anstieg der ÖPNV-Nutzer. „Wir wollen Mobilität und damit Teilhabe für alle. Und nicht nur für diejenigen, die sich ein überteuertes Bahnticket oder sogar ein Auto leisten können", sagt Jessica Stolzenberger. Das 9-Euro-Ticket müsse schnellstmöglich verlängert werden, fordert sie. Die Aktivisten streben eine „Ausbauoffensive" vor allem auf dem Land an: „Zwischen fünf und 24 Uhr muss in jedem Dorf Bahn, Bus oder Rufbus mindestens stündlich fahren", heißt es in ihrem Positionspapier. Für Berufspendler soll die Nutzung des öffentlichen Verkehrs steuerlich günstiger gestellt werden als das Pendeln mit dem eigenen Auto.
Auch auf Agenda von CDU und Linkspartei
Das, was „Klima.Gerecht" bei den Sozialdemokraten ist, das ist die sogenannte Klimaunion bei den Christdemokraten. Sie haben 2021 einen eigenen Verein gegründet, der sich ebenfalls den Kampf gegen die Erderwärmung auf die Fahnen geschrieben hat. Die Umweltschützer fordern eine klare Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels und Klimaneutralität bis zum Jahr 2040. Das soll innerhalb der CDU mehrheitsfähig werden und zu einer gemeinsamen Beschlusslage führen. Zu ihren Gründern zählen unter anderem der Start-up-Beraterin Bianca Praetorius und der Unternehmer Heinrich Strößenreuther, der ursprünglich Mitglied bei den Grünen war und vor einem Jahr in die CDU eintrat. „Ich glaube, ein ganz entscheidender Punkt ist, dass wir mehr und mehr Parteimitgliedern verständlich machen müssen, in welcher Klimadramatik wir uns gerade befinden, also wie wenig Zeit aus klimawissenschaftlicher Forschung da ist" sagt der Umweltaktivist in einem Interview mit „Deutschlandfunk".
Und schließlich steht auch bei den Linken Klimaschutz ganz klar auf ihrer politischen Agenda, verbunden vor allem mit sozialer Gerechtigkeit. Ähnlich wie die Sozialdemokraten von Klima.Gerecht wollen die Abgeordneten der Linken beispielsweise, dass 2030 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Mit einer Vermögenssteuer wollen sie „Verursacher und Verschwender zur Kasse" bitten. Aus den Einnahmen wollen sie einen klimagerechten Umbau von Verkehr und Städten ermöglichen. Privatkunden von Strom- und Gas sollen einen günstigen Sockeltarif mit einem kostenlosen Grundkontingent erhalten. Hoher Energieverbrauch hingegen soll teuer werden.