Dänemark ist immer eine Reise wert, landschaftlich wie kulinarisch. Vor allem fangfrische Muscheln und Austern vom Limfjord sind ein wahres Gedicht.
Der Limfjord und seine Umgebung gehören zu den beliebtesten und abwechslungsreichsten Ferienzielen im dänischen Teil der Halbinsel Jütland. In zahlreichen Windungen und Abzweigungen verbindet der Limfjord die Nordsee bei Thyborøn im Westen mit dem Kattegat vor Hals im Osten. Auch Genussfreudige werden dort glücklich und können selbst Austern und Muscheln sammeln, um daraus eine eigene Luxus-Mahlzeit zuzubereiten. Beispielsweise in Nykøbing Mors im westlichen Teil der Limfjord-Landschaft. Mors gilt sogar als Dänemarks Hauptstadt für Schalentiere, insbesondere für Austern, die zu den weltbesten gehören. Muscheln werden jedoch vielerorts im Limfjord gefangen. Die Saison läuft von September bis Ende April, umfasst also alle Monate mit einem „R".
Muscheln wachsen in Baumwollstrümpfen
Nordöstlich von Nykøbing Mors erstreckt sich die Halbinsel Himmerland. An deren Westküste steht schon seit 1532 der Hvalpsund Færgekro, also ein Krug (Gasthaus) an der Fähre. Einladend leuchten die gelben Gebäude den Ankömmlingen entgegen, die dort auch übernachten können. Drinnen sind an einem Donnerstag die Tische gut besetzt, und ein schwarz gekleideter Herr bringt flott die Speisen zu den Gästen. Es ist der Wirt selbst, Peder Chr. Holm Pedersen, der in fünfter Generation den Hvalpsund Færgekro führt.
Geschwind steht auch unsere Vorspeise auf dem Tisch: Serranoschinken mit gebackenen Kirschtomaten und Weizenkörnern in grünem Pesto. Die Hauptspeise überrascht mit sous-vide-gegartem Kalbs-Culotte, das an superzarte Kalbssteaks erinnert. Dazu gibt es Erbsen, Spinat mit Frühlingszwiebeln, frittierten Blumenkohl und Pommes Macaire. Als Dessert Citronfromage à la 2022 (dänische Zitronencreme) mit gebrannter weißer Schokolade sowie einem Deckel von Mandelkeksen plus Vanilleschaum. Lecker! Zwei Gänge kosten 335 Dänische Kronen (DKK), also umgerechnet 45 Euro, drei Gänge 399 DKK (53,65 Euro). Ein „Krug-Menü" mit Wiener Schnitzel und Citronfromage à la 2022 ist für 250 DKK (33,62 Euro) zu haben.
Das nächste Ziel ist das Limfjordsmuseet weiter nördlich an der Westküste von Himmerland (Kanalvejen 40, 9670 Løgstør) im 1863 errichteten Haus des Kanalvogts. In der Bootswerft werden Schiffe nach historischem Vorbild, von der Unesco als Kulturerbe anerkannter Art, durch Jugendliche nachgebaut. Die Gourmets stapfen derweil im Regen zum Steg-Ende, wo 33 Familien eine private Muschelzucht betreiben. Die Muscheln hängen, wachsen und vermehren sich in 60 langen Baumwollstrümpfen und sorgen gleichzeitig für die Reinigung des Limfjords an dortiger Stelle. Seetang wird hier ebenfalls geerntet.
Doch das ist nicht alles: Außerdem werden Bio-zertifizierte, 35-prozentige Schnäpse beispielsweise mit Sanddorn, Brombeeren und Schlehen mithilfe der Destillerie in Aalborg produziert, aber nur 500 Flaschen pro Jahr. Die Lieblingssorte der Kenner ist der aus mehreren Zutaten geschaffene „Lodsens Kanalsymfoni", für den Sanddorn, Johanniskräuter, Schafgarbe, Schlehe, Spanischer Kerbel, also Süßdolde, Hundsrose und Kratzbeere verwendet werden.
Eine Besonderheit sind auch die gläsernen Behälter, die mit ihren Deckeln wie gut verschlossene große Marmeladengläser wirken. Der dazugehörige Zweitdeckel besitzt eine Tülle, das heißt die Deckel austauschen und mal probieren. Der Inhalt der Gläser, ein halber Liter, kostet umgerechnet etwa 20 bis 25 Euro.
Eine weitere Attraktion ist das etwa 320 Hektar große Inselchen Livø, eine Perle im Limfjord, erreichbar in zwei Stunden mit der Fähre Bertha K ab Rønbjerg Havn. Livø gehört auch zu Himmerland und ist in seiner Naturschönheit und autofreien Ruhe tatsächlich himmlisch. Nur sechs bis zehn Menschen leben dort ganzjährig, so Jesper Lynge Bergholdt vom Livø Feriecenter, der auch mit einem roten Trecker die Runde macht. Doch im Sommer kommen rund 20.000 Besucher, viele zelten auf einem Wiesenstück oder feiern hier große Feste. 260 Gästebetten gibt es außerdem.
Jesper fühlt sich auf der kleinen Insel hörbar wohl und lacht öfter laut auf. Gut kochen kann er außerdem, und das geschieht im Kaufmannsladen (Købmand). Er schneidet große Steinpilze in kleine Stücke, köchelt sie zusammen mit Blauschimmelkäse und Sahne und häufelt das Gegarte auf gerösteten Brotscheiben. Eine Muschel-Kreation aus der Pfanne folgt anschließend. Für die meisten Dänen sind das, zumindest in Monaten mit einem „R", alltäglich mögliche Gerichte, für deutsche Besucher aber ein Limfjord-authentischer Hit.
Weit bekannter und für viele ein Muss sind zwei kleine Städte auf der Halbinsel Salling: Skive mit dem großen Jachthafen direkt vor dem feinen Hotel Strandtangen sowie Glyngøre mit dem Restaurant Limfjordens Hus, geleitet von Rasmus O. Kardyb, wo lokale Rohwaren die Regel sind. Beim Vier-Gänge-Menü kommt für uns folgendes auf den Tisch: Gesalzener Schellfisch mit fermentiertem Spargel, Äpfeln, gegrilltem Kohl und Bakskuld. Bakskuld ist gesalzener, getrockneter und geräucherter Plattfisch. Außerdem dänischer Tintenfisch mit Zucchini, confiertem Eigelb und „Vesterhavsost", ein Nordsee-Käse von der Thise Molkerei. Das Hauptgericht setzt sich aus braisiertem Schweinefleisch mit Pfifferlingen, Mais, geräuchertem Mark und Sherrysauce zusammen. Als Dessert erfreuen schwarze Johannisbeeren und Mandel-Frangipane, Frischkäse-Eiscreme und Zitronenthymian. Vier Gänge kosten etwa 67 Euro (500 DKK).
Die Austern werden im Ofen gegart
Zum absoluten Highlight wird jedoch der Besuch im Dansk Skaldyrcenter (Dänisches Schalentierzentrum) plus Austernsafari in Nykøbing Mors. In diesem Center lässt sich nicht nur Wichtiges über die Schalentiere (Muscheln und Austern) lernen, sondern auch in die Watthosen schlüpfen, um selbst Austern aus dem Lim- fjord zu sammeln. Zwei Sorten leben dort im Wasser, die bekannte flache europäische Auster und die vermutlich durch Schiffe eingeschleppte und deutlich größere Pazifik-Auster. Beide gehören zu den weltbesten. Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren, die alleine auf die Suche gehen, benötigen einen Angelschein.
Und nun geht’s los. Ausgestattet mit einem Kescher (einer Stange mit Sieb), einem trichterartigen roten Sichtgerät und einem ebenso roten Korb für die Beute begeben sich die Gourmets in spe in den dort flachen Fjord. Schnell werden einige aus der Gruppe fündig. Glücklich hält, wieder an Land, Boris Rogosch, ein erfahrener „Austern-Flüsterer" und Experte für nordische Küche, zwei Exemplare aus seinem Korb in den Händen. Das Mittagessen ist also gesichert, und gemeinsam wird es von der Gruppe mithilfe von Kathrine Habekost Hansen vom Skaldyrcenter zubereitet. Vorsicht ist jedoch beim Öffnen der dicken Austernschale geboten. Die aber hat ein Loch, in das nun die Spitze eines stabilen Messers hineingeschoben und gedreht wird. Wie schön sieht die geöffnete Schale mit seiner Bewohnerin aus!
Nach allerlei Beigaben – Gewürzen, Zitrone, Sahne und mehr – werden die Austern nun in einem elektrischen Ofen gegart. Diese mit viel Spaß selbst gefertigte Feinschmecker-Mahlzeit wird allen gewiss in Erinnerung bleiben. Dennoch bleibt wohl dieses proteinreiche Schalentier-Luxusessen für viele eine Ausnahme und wird ebenso im Gedächtnis bleiben wie womöglich der von Ole Mark Jensen kreierte neue Erdbeerschnaps in seiner Brennerei Limfjorden.