Schon mal etwas von „Real Omnivore" gehört? Und wie verhält es sich mit intuitivem oder personalisiertem Essen? Drei Trends im Überblick.
Ernährung ist längst mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Satt wird heute, anders als in früheren Zeiten, zumindest in unserem Land inzwischen praktisch jeder. Im Gegenteil, viele Menschen essen regelmäßig viel zu viel und längst nicht alles, was wir täglich essen, ist auch gesund. Zwar gibt es Empfehlungen etwa von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine gesunde Ernährung und wohl jeder kennt die Nahrungs-Pyramide oder Ratschläge wie „Fünf Mal am Tag Obst und Gemüse". Dennoch gibt es bei dem Thema ganz unterschiedliche Ansichten und die verschiedensten Ansätze.
Dadurch gibt es natürlich auch immer wieder neue Ernährungstrends. Bei diesen spielt neben gesundheitlichen Aspekten und wissenschaftlichen Erkenntnissen auch das Thema Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle. Die österreichische Ernährungswissenschaftlerin und Food-Trendforscherin Hanni Rützler, die seit Jahren die Entwicklungen auf den Food-Märkten beobachtet, sieht in diesem Zusammenhang etwa „Real Omnivore" als aktuellen Trend, der auch zukünftig die Essgewohnheiten vieler Menschen beeinflussen wird.
Der Trend wird sowohl durch aktuell relevante Thematiken wie beispielsweise die Klimakrise als auch durch Aspekte wie körperliche Fitness und Gesundheit bestimmt. „Dieser Ernährungstrend zeichnet sich nicht durch Verzicht aus, sondern durch eine ausgewogene, umfassende und auch weltoffene Ernährung. So ist es durchaus in Ordnung auch Fleisch und tierische Produkte zu sich zu nehmen. Jedoch in einem anderen Maße, als dies bisher der Fall war. Außerdem wird hier auch stark auf die Qualität der Produkte geachtet. Wenn Fleisch, Fisch oder Eier konsumiert werden, dann eher in Bio-Qualität", erläutert die Trendforscherin. Dabei sind Real Omnivores offen für neue Nahrungsmittel und etwa dem Konsum von Insekten, Pseudogetreide oder Lebensmitteln aus Mikroorganismen nicht abgeneigt. Dieser Trend beinhaltet also eine vollumfängliche Ernährungsweise, die zumindest im Grundsatz keine Möglichkeiten ausschließt. Die Umwelt und der Einfluss der eigenen Ernährung auf aktuelle Problematiken werden dabei aber nicht außer Acht gelassen.
Ist bei Real Omnivore schon eine gewisse Individualisierung zu beobachten, setzen andere Trends bei der Ernährung komplett auf Individualität. Das ist nicht unbedingt neu, aber derzeit dennoch im Trend.
Offen für neue Nahrungsmittel
Bereits 1995 haben die beiden Ernährungswissenschaftlerinnen Evelyn Tribole und Elyse Resch das Konzept „intuitives Essen" eingeführt – Essen nach Gefühl statt nach Diät- und Ernährungsplänen, ohne Verbote, ohne Regeln und ohne schlechtes Gewissen. Es gilt quasi das Baby-Prinzip. Als Babys haben wir gegessen, wenn wir Hunger hatten und haben aufgehört, wenn wir satt waren. Diese Fähigkeit verliert der Mensch mit zunehmendem Alter, auch weil ihm das „emotionale Essen" allzu häufig einen Strich durch die Rechnung macht. Man isst nicht, weil man Hunger hat, sondern etwa aus Frust, Langeweile oder um sich zu belohnen. Intuitives Essen muss also erst wieder erlernt werden. Dazu gehört beispielsweise, auf die Hunger- und Sättigungssignale zu hören, emotionales Essen zu vermeiden, keine Einteilung in gute und böse Lebensmittel und nicht unbedingt jeden Teller leer zu essen, wie man das als Kind und Jugendlicher zu Hause gelernt hat. Und man sollte nicht nur essen, um satt zu werden. Essen muss immer auch ein Genusserlebnis sein, damit der Mensch zufrieden ist. Essen nach Lust und Laune. Erlaubt ist, was einem schmeckt und wonach man sich wohlfühlt – das kann auch ein Burger zum Frühstück sein.
Ebenfalls sehr individuell, aber im Gegensatz zum intuitiven Essen stark auf Ernährungspläne fokussiert, ist die „personalisierte Ernährung". Motto: essen, was dem Erbgut schmeckt. Personalisierte Ernährung, Präzisionsernährung, besser essen dank Gentest oder Mikrobiom-Analyse – individualisierte Ernährung, die den eigenen Gesundheitsstatus und das Wohlbefinden verbessert, ist derzeit sehr populär und auch wissenschaftlich aktuell. Auch die großen Lebensmittelkonzerne investieren längst große Summen in derartige Forschung, die Nutrigenomik, die sich mit der Wechselwirkung von Erbanlagen und Ernährung beschäftigt. Die Konzerne erhoffen sich davon Lebensmittel, die etwa eine positive Wirkung auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes haben.
Simpel gesagt, geht die personalisierte Ernährung davon aus, dass für jeden Körper etwas anderes gut ist. Oder wie es der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop ausdrückt: „Es gibt so viele gesunde Ernährungsformen, wie es Menschen gibt, denn jeder Mensch is(s)t anders." Die viel beworbenen, sogenannten DNA-Diäten sieht Knop jedoch kritisch. Es sei wissenschaftlich nicht bewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen Genen und Ernährung bestehe. Kommerzielle Anbieter werben häufig damit, dass mit einer Genanalyse der persönliche Stoffwechseltyp oder Sporttyp bestimmt werden kann. Oder ob man eher ein Kohlenhydrate- oder ein Fetttyp ist. Dazu erhalten die Kunden und Kundinnen Empfehlungen etwa zu für sie passenden Kalorienmengen, Lebensmittel, Nährstoffen oder sportlicher Betätigung.
„Genbasierte Ernährungsempfehlungen zur Gewichtsreduktion sind nach aktuellem Wissensstand nicht evidenzbasiert", betont auch Dipl. oec. troph. Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Obwohl sie seit über 20 Jahren in diversen Ausprägungen kommerziell angeboten werde, sei die Wirksamkeit personalisierter Ernährung bislang sehr ernüchternd. Zwar ließen sich aus wissenschaftlichen Studien moderate Effekte durch die verstärkte Motivation erkennen, aber Analysen zur Individualisierung wie Gen- und Blutanalysen oder Mikrobiom-Daten zeigten meist keine statistisch sichtbaren Verbesserungen des Ernährungsverhaltens beziehungsweise Lebensstils, so Restemeyer. Dennoch ist der Wunsch nach einer personalisierten Ernährung bei vielen Menschen sehr groß. Sie glauben, dass sie sich dadurch besser und gesünder ernähren würden, wie Umfragen gezeigt haben.