Schlechte ÖPNV- und Radwegenetze, hohe CO2-Emissionen und Spritpreise. Neue Mobilitätskonzepte müssen her. Doch was braucht es für eine erfolgreiche Verkehrswende? Saarländische Kommunen und Kreisstädte sind dabei, es herauszufinden.
Das Saarland ist laut Statistischem Bundesamt das Bundesland mit der höchsten Pkw-Dichte in ganz Deutschland. Der CO2-Bilanz und der Umwelt kommt das nicht gerade entgegen. In vielen Kommunen und Städten ist bereits von Mobilitätskonzepten die Rede, aber was macht ein gutes Konzept aus?
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) schrieb 2020 in einem Positionspapier, was in einem kommunalen Konzept nicht fehlen sollte. An erster Stelle braucht es ein flächendeckendes hierarchisches Bahn-Bus-Gesamtsystem, das mindestens im Stundentakt läuft. Die Klein- und Mittelstädte müssen in das Verkehrsnetz miteingebunden werden. Dazu sollten das Gesamtsystem über Haltestellen gut zugänglich und die Tarifoptionen verständlich sein. „Kooperation" und „Vernetzung" sind die Zauberworte und eine besondere Schlüsselrolle kommt dem On-Demand-Verkehr zu. Dabei handelt es sich um Mobilitätsangebote auf Bestellung, in der Regel Pkw oder Kleinbusse, die entweder fahrplan- oder haltestellengebunden oder durch Tür-zu-Tür-Bedienung organisiert sein können. Sie sollen Lücken im ÖPNV schließen und zusammen mit dem Linienverkehr „Mobilitätsketten" bilden.
Die saarländischen Kreisstädte Saarbrücken, Neunkirchen und Saarlouis haben bereits mit einzelnen Maßnahmen im Bereich Mobilität begonnen. Dazu hat Saarbrücken beispielsweise im April 2021 durch die Eco Libro GmbH ein „Konzept zum Aufbau einer bedarfsorientierten Ladeinfrastruktur in Saarbrücken" erstellen lassen, um die E-Mobilität in der Landeshauptstadt weiter voranzutreiben. Private Flächen und Unternehmensgrundstücke bieten in Saarbrücken das meiste Ausbaupotenzial. Dazu muss die Stadt die Bürgerinnen und Bürger aber mitziehen und beraten. Durch die Studie konnten zu den bereits bestehenden 87 Ladestandorten weitere 50 erschlossen werden, die den Bedarf der nächsten zwei bis drei Jahre decken würden. Neunkirchen rüstet über das Klimaprojekt Neunkirchen unter Federführung der KEW innerhalb dieses Jahres auf insgesamt 28 Ladepunkte auf. Die Stadtverwaltungen wollen als gutes Vorbild vorangehen, weshalb Saarbrücken auch die E-Mobilität bei den eigenen Mitarbeitenden und dem Fuhrpark der Stadtreinigung fördern will. Die Stadt Neunkirchen kann bereits mit sechs rein elektrischen Fahrzeugen im Zentralen Betriebshof punkten, die durch weitere ergänzt werden sollen.
Auch im Bereich Radverkehr sind Saarbrücken und Neunkirchen aktiv, so hat Letztere sogar einen eigenen ehrenamtlichen Fahrradbeauftragten. Saarbrücken punktet mit dem Ausbau von Fahrradzonen, wie beispielsweise im Nauwieser Viertel, wo Radfahrende in jeder Hinsicht Vorrang vor Anliegerverkehr haben und wofür die Stadt 2021 den dritten Platz beim Deutschen Fahrradpreis 2021 gewann. Neunkirchen ist dagegen Teil der „Bike & Ride"-Offensive, dem Kooperationsprojekt der Deutschen Bahn Station und Service AG und dem Bundesumweltministerium im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative, bei dem neue Fahrradstellplätze an den kommunalen Bahnhöfen errichtet werden sollen. Für den Neunkircher Hauptbahnhof ist in diesem Jahr eine Sammelschließanlage geplant, deren Kosten in Höhe von 80.000 Euro zu 90 Prozent aus Fördermitteln gedeckt werden, sodass die Stadt selbst noch rund 8.000 Euro beisteuern muss. Zusätzlich soll in der Radhauptverbindung Hohenzollernstraße in Alt-Saarbrücken eine Fahrradstraße eingerichtet werden. Beide saarländischen Kreisstädte arbeiten an „Mobilitätsstationen" oder anderen Stellplätzen zum Abstellen und Aufladen von Pedelecs. Neunkirchen hat vier davon als Diensträder im Einsatz und stellt seinen Mitarbeitenden außerdem einen „Fahrradkeller" mit Spind und Duschmöglichkeiten zur Verfügung.
Kooperation, Vernetzung, Verständlichkeit
Das Ministerium für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz (MUKMAV) hat zur Förderung der Mobilitätswende im Rahmen von drei Aufrufen von August 2021 bis September 2022 ein umfangreiches Förderpaket bekannt gegeben. Im Rahmen der Förderrichtlinie „Mobilität gut durchdacht" wurden Städte, Gemeinden, Landkreise und andere dazu aufgerufen, sich mit kreativen Projektskizzen zum Thema klimafreundliche Mobilität, ÖPNV und Individualverkehr zu bewerben. Dabei übernimmt das Ministerium Förderungen der Personal- und Sachkosten bis zu 75 Prozent, maximal jedoch 150.000 Euro. Den Rest muss beispielsweise die Gemeinde oder Stadt selbst tragen.
Im Rahmen des ersten Förderaufrufs bewarb sich die Kreisstadt Saarlouis mit dem Mobilitätskonzept Innenstadt und einer Fördersumme in Höhe von 113.000 Euro. Im Rahmen des Konzepts will die Stadt untersuchen, wie sie durch bessere Anbindungen die Attraktivität des Großen Marktes steigern sowie den ÖPNV und die Verkehrsführung auf dem Inneren Ring optimieren kann, damit der innerstädtische Gesamtverkehrsablauf besser wird. Eine Förderung in Höhe von 150.000 Euro unterstützt die Kreisverkehrsbetriebe Saarlouis (KVS) bei der Planung eines On-Demand-Konzeptes. Im Pilotraum Lebach wurde ein Planungsbüro beauftragt Analysen und Vorschläge für bessere Anbindungen abseits des klassischen ÖPNV zu machen. Ein Lenkungskreis aus der KVS, dem Landkreis Saarlouis, der Stadt Lebach, des Zweckverbandes Personenverkehr Saarland (ZPS) und des saarländischen Verkehrsministeriums will dann im kommenden Jahr über die Ergebnisse der Analyse beraten und in die Umsetzung gehen.
Nach dem zweiten Förderaufruf hat das Ministerium keine Anträge erreicht. Das muss allerdings nicht immer inhaltliche Gründe haben. Häufig haben Städte und Kommunen schlichtweg keine personellen und finanziellen Kapazitäten, um sich zu bewerben. Dann müssen bestimmte Projekte priorisiert werden, wie es die Stadt Neunkirchen erklärte. So ist die Neunkircher Verkehrsgesellschaft (NVG) beispielsweise über Linien, die sie in der Gemeinde Spiesen-Elversberg bedient, in das On-Demand-Projekt „KIMonoS" eingebunden. Die Gemeinde arbeitet bei dem vom Bund geförderten Projekt mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), dem Berliner Unternehmen Door2Door und der eGo-Saar zusammen. Dabei soll auf Basis von KI eine Mobility-On-Demand-Plattformlösung erarbeitet werden, die den ÖPNV vor Ort und in Randgebieten über virtuelle, fest markierte On-Demand-Haltestellen unterstützt. Anfang Oktober ist zur Bedarfsanalyse eine Umfrage innerhalb der Gemeinde geplant. Die Bewerbungen zum dritten Förderaufruf des Ministeriums vom 19. August 2022 laufen noch.
„Großes beginnt im Kleinen" heißt es im Saarland – bei der Verkehrswende gestaltet sich das allerdings komplizierter. Maßnahmen im Bereich E-Mobilität und Radverkehr sind erste Schritte. Insgesamt braucht es jedoch ganzheitliche Konzepte und Alternativen zur Fortbewegung, die so aufeinander abgestimmt und miteinander vernetzt sind, dass ÖPNV, E-Bike und Ruf-Bus eine attraktive Alternative zum Auto darstellen. Der On-Demand-Verkehr steckt noch in den Kinderschuhen und Förderanträge vom Ministerium müssen so gestaltet werden, dass die Kommunen und Kreisstädte eine Bewerbung personell und zeitlich stemmen und die übrig gebliebenen Kosten auffangen können. Darüber hinaus ist die Verkehrswende unmittelbar an die Energiewende geknüpft, denn für E-Mobilität braucht es eine entsprechende Ladeinfrastruktur und auch deren Ausbau kann nur gelingen, wenn Bürgerinnen und Bürger mitziehen. Viele Einzelmaßnahmen müssen zu einem großen Ganzen werden. Das zu meistern ist sicherlich eine Herausforderung, aber keine Unmöglichkeit. Die Bündelung aller Teilaufgaben in einer verantwortlichen Stabstelle, wie es die Stadt Saarlouis in ihrer Stabstelle „Klimaschutz, Digitalisierung und Energiemanagement" tut, könnte die Arbeit erleichtern.