Leider nicht überall, wie ein saarländisches Beispiel zeigt
Die kurze und einfache sportmedizinische Antwort auf die Frage, ob Radfahren wirklich gesund ist, lautet: Im Prinzip und in der Theorie eindeutig „ja"; in der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken und in der Praxis manchmal eher „nein".
Zunächst fällt mir die Geschichte eines Radsportlers ein, den ich sportärztlich untersuchte, bevor er zu einer einmonatigen Radtour durch abgelegene und gefährliche Halbwüsten aufbrechen wollte. Das Rad als Risikovehikel auf der Suche nach dem tollkühnen Abenteuerritt. Nicht selten auch, um sich als Held in den sozialen Medien zu stilisieren.
Nun gut: Dieser neumodische und im Extremfall den Gesundheitssport pervertierende Trend zum Risikosport mag ein Randphänomen sein. Aber da der erwähnte sympathische Abenteurer ob des teuren Luxusrads noch Probleme bei der Finanzierung der Reise hatte, schlug ich ihm – halb im Spaß, aber auch halb im Ernst – eine sehr viel günstigere und ähnlich riskante Reisevariante vor, nämlich einfach vier Wochen lang jeden Tag mit dem Rad Saarbrücken von Ost nach West und Nord nach Süd zu durchqueren!
Ich weiß nicht, für welche Art von „Survival-Training" er sich entschieden und wie er es überstanden hat. Der Tenor anderer Radfahrer ist unüberhörbar: Wer sich mit dem Rad durch Saarbrücken wagt, sollte vorab testamentarisch das Wesentliche geregelt haben!
Was ich nicht unter den Teppich kehren will: Ja, es gibt unaufmerksame bis unvernünftige Verkehrsteilnehmer – auf dem Rad, im Auto oder zu Fuß. Aber viele sind durch die mit „chaotisch" noch euphemistisch beschriebene Verkehrsinfrastruktur schlicht auf verlorenem Posten. Aus gesundheitlicher und auch aus umweltschonender Motivation ist der Griff zum „guten alten Rad" eine Herzensangelegenheit. Krankheiten gegen Unfälle in von ungeschickten Händen künstlich geschaffenen Fallgruben in „Hotspots" einzutauschen, führt allerdings in die Sackgasse.
Mit welcher Leichtigkeit und Dankbarkeit kann man in vielen Ländern, Regionen und Städten das Rad in guter Eintracht mit Fußgängern und motorisierten Mitbürgern genießen. In eine dieser mittlerweile sehr zahlreichen Städte sollte mal ein Ausflug der Zuständigen in der saarländischen Landeshauptstadt zum instruktiven Anschauungsunterricht gehen. Und am Folgetag am besten als Kontrastprogramm – aber bitte mit aller gebotenen Vorsicht – eine Dienstfahrt auf dem Rad durch Saarbrücken.
Oder ist es wie so oft: Die Experten haben es längst verstanden, aber die „Verkehrswende" im Kopf der politisch Verantwortlichen steckt im Dauerstau? Die Hindernisse liegen offen auf der Straße. Verkehrsplanung ist wohl für die unverbesserlichen Anachronisten immer noch reine Autoverkehrsplanung, bei der man krampfhaft versucht, möglichst „billig" den Rest dazwischen zu klemmen.
Diese Form des Denkens führt schnell zu fast schon lustig anmutenden Kapriolen. Da lässt man massenhaft Roller und Scooter in der Stadt als zusätzliches Verkehrshindernis wild verstreuen und versucht das politisch als Verkehrsrevolution und Umweltmeisterleistung zu verkaufen. Oder auch sehr schön: Man malt überall Fahrräder und Pseudoradwege auf die ansonsten unveränderten Straßen und verordnet, 1,5 Meter Abstand zu halten – diesmal nicht pandemiebedingt!
Will man ernsthaft mündige Bürger mit einer schönen und neu gestylten Speisekarte blenden, anstatt nach jahrzehntelangen Ankündigungen endlich mal in schmackhaftes und gesundes Essen zu investieren? Ende der Flickschusterei. Wir brauchen andere Wege auch im Kopf, um eine bürgerfreundliche Verkehrsstruktur entstehen zu lassen, die viele mitnimmt. Ein paar Tropfen „gesunder" Schweiß, da sind die meisten gern dabei. Literweise „ungesunder" Angstschweiß, das braucht niemand.