Eigentlich würde man das größte Computermuseum der Welt nicht unbedingt im westfälischen Paderborn vermuten. Doch der beschauliche Ort war bis in die 1970er-Jahre Deutschlands heimliche Computer-Hauptstadt, untrennbar verbunden mit dem Namen Heinz Nixdorf.

Das „Heinz Nixdorf Museums-Forum" war einmal die Firmenzentrale eines weltweit agierenden Computer-Konzerns. 1971/72 wurde das in seiner architektonischen Klarheit bestechende Gebäude errichtet, das an den Stil des weltberühmten Architekten Mies van der Rohe erinnert. 1996, also 25 Jahre später, als die Ära des genialen Unternehmers Nixdorf bereits lange Vergangenheit war, entstand daraus das Museum, das nicht nur Computer-Freaks, sondern alle anspricht, die mehr über die digitale Revolution wissen wollen. Es ist das Erbe eines Unternehmers der deutschen Nachkriegszeit, der wie kaum ein anderer für die Aufbruchsstimmung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs steht.
Heinz Nixdorf, gebürtig aus Paderborn, wuchs in äußerst einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater war im Krieg gefallen, also musste der älteste Sohn die Funktion des Familienoberhaupts übernehmen. Dennoch machte er sein Abitur und begann ein Physikstudium in Frankfurt. Aber das war nicht seine Welt. Er interessierte sich mehr für Computer oder das, was zur damaligen Zeit eine gewisse Ähnlichkeit damit hatte. Das Physikstudium schloss er nicht ab, sondern kooperierte mit dem Energiekonzern RWE in Essen, wo er sich mit seinem Wissen nützlich machen konnte. Am 1. Juli 1952, also vor 70 Jahren, gründete er das Labor für Impulstechnik und lieferte seinen ersten Rechner an RWE aus. Das war auch der Anfang seiner unternehmerischen Karriere.
Es würde zu weit führen, auf alle Entwicklungen der folgenden Jahre einzugehen, aber es war seine Idee, den Computer direkt an den Arbeitsplatz von Firmen und Behörden zu bringen. Etwas, was die damaligen Platzhirsche in den USA – an erster Stelle IBM – mit ihren Großrechnern mit zentraler Datenverarbeitung nicht konnten oder wollten. Nixdorf, der 1958 nach Paderborn in seine Heimatstadt umgezogen war, nutzte die Marktnische und produzierte für kleine und mittlere Unternehmen. Mit sensationellem Erfolg. 1986 lag der Umsatz der Nixdorf AG bei sechs Milliarden D-Mark, während die Zahl der Mitarbeiter auf fast 30.000 gestiegen war. Paderborn war zum deutschen Silicon Valley geworden, sogar mit eigenem Flughafen. Denn der Airport Paderborn-Lippstadt entstand auf Drängen von Nixdorf, der in immer größeren Dimensionen dachte.
Ausstellungsstücke aus aller Welt

Dann aber führte ein tragisches Ereignis zum Ende des Aufstiegs. Am 17. März 1986 starb Heinz Nixdorf ganz plötzlich während eines Besuchs der Messe Cebit in Hannover an einem Herzinfarkt. Die Nixdorf Computer AG hatte damit ihren Motor und Mentor verloren, aber auch das Computerumfeld der Welt hatte sich verändert. Neue Markttrends wurden bei Nixdorf nicht immer erkannt, und der Preisverfall für PCs tat sein Übriges. Die Nixdorf AG wurde bald darauf von Siemens übernommen. Teile davon landeten später bei Wincor Nixdorf, heute unter dem Namen Diebold Nixdorf Produzent von Kassensystemen und Geldauszahlungsautomaten.
Einen Teil seines Vermögens hatte Nixdorf in zwei Stiftungen eingebracht, von denen eine Trägerin des Heinz Nixdorf Museums-Forum (HNF) ist. Der Unternehmer hatte schon früh begonnen, interessante Objekte aus der Computerwelt zu sammeln und schuf damit den Grundstock des Museums, dessen Geschäftsführer Dr. Jochen Viehoff auch die gesellschaftspolitische Bedeutung hervorhebt: „Das Besondere am HNF ist sicherlich, dass nicht nur die gesamte Geschichte des Computers und der Informations- und Kommunikationstechnik spannend erzählt wird, sondern auch die Gegenwart und Zukunft einer digital vernetzten Gesellschaft in unseren Foren diskutiert wird."
Auf einer Zeitreise wird der Besucher von der Entstehung von Zahlen und Schriften vor 5.000 Jahren mitgenommen bis in die Gegenwart, die ohne Computer nicht mehr vorstellbar ist. Das wird auch deutlich bei den vielen Jugendlichen, die staunend vor älteren Exponaten stehen, aber auch interaktiv an zahlreichen Experimenten teilnehmen. In Workshops werden Roboter konstruiert und programmiert, für die jungen Besucher ein Feld, auf dem sie sich erstaunlich schnell zurechtfinden. Viele Eltern denken dann vermutlich an den letzten Absturz ihres heimischen PCs und die oft vergeblichen Versuche, ihn wieder in Gang zu bringen. Was für ihre Kinder oder Enkelkinder meist kein Problem ist.Das Museum ist sicher anspruchsvoll, aber was wäre unsere Welt heute ohne die Computertechnologie, deren Entwicklung hier gezeigt wird.
Ein Computer ist ein programmgesteuertes, digitales Rechengerät. So ist es jedenfalls im Museum nachzulesen und klingt zunächst relativ einfach. Mit dem Thema haben sich über die Jahrhunderte viele kluge Menschen beschäftigt, die auch diverse Vorläufer des Computers entwickelten. Aber es hat doch relativ lange gedauert, bis die technischen Voraussetzungen geschaffen waren. Aber dann setzte eine unvorstellbare Entwicklung ein. Denn es ist gerade mal rund 80 Jahre her, dass ein neues Zeitalter begann.

Am 12. Mai funktionierte in Berlin zum ersten Mal ein Gerät, das frei programmierbar war und auf der Basis des Binärsystems rechnete. Konstrukteur war der deutsche Ingenieur Konrad Zuse, der das etwa eine Tonne schwere Ungetüm Z3 nannte – Z für Zuse. Seither gilt er als Erfinder des modernen Computers. Leider wurde das Original bei einem Bombenangriff auf Berlin 1943 zerstört. Ein originalgetreuer Nachbau befindet sich heute im Deutschen Museum in München. Konrad Zuse entwickelte die Z3 sehr schnell immer weiter, und so folgten ständig leistungsfähigere Modelle wie die Z11, die Z23 oder die Z80. Das Nixdorf-Museum zeigt sie heute in einer Dauerausstellung, und es ist schon etwas Besonderes, vor solchen Maschinen zu stehen, die die Welt veränderten.
In den USA wird häufig der 1944 konstruierte „ENIAC" als erster Computer der Welt bezeichnet. Aber da sind sich die Experten einig, dass diese Ehre Konrad Zuse gebührt. Der „ENIAC" war erheblich leistungsfähiger als die Z3 und ein Vorläufer des späteren Trends hin zu Großcomputern. Er wog 27 Tonnen, hatte unter anderem 17.500 Röhren und benötigte eine Fläche von 60 Quadratmetern. Diese Dimension ist im Nixdorf Museum gut nachvollziehbar. Denn ein eigens dafür eingerichteter Raum mit Originalteilen verschafft einen Eindruck, mit welchen Dimensionen sich die Ingenieure damals herumschlagen mussten.

Die jungen Besucher in Paderborn sehen es mit großen Augen. Ihr Smartphone, mit dem sie ständig herumspielen, ist millionenfach leistungsfähiger als das Ungetüm der frühen Jahre. Aber die Entwicklung ging rasant weiter. Dafür steht der ebenfalls im HNF gezeigte Supercomputer Cray-2 aus dem Jahr 1985, der damals eine Spitzenleistung von 1,9 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde hatte. Was heute wiederum bei Weitem übertroffen wird.
Nasa-Leihgabe von einer Gemini-Mission
Zu den historischen Stücken gehört als Leihgabe der Nasa auch ein Computer, der 1965 bei einer Gemini-Mission mit im Weltall war. Seine Leistung: 20 Kilobyte. Er sieht mit seinen Kabeln und Drähten aus wie ein altes, aufgeschnittenes Radio. Unvorstellbar, dass man damit lebenswichtige Berechnungen durchführen konnte.
Geschäftsführer Dr. Viehoff hat allerdings ein Lieblingsstück, das im Zweiten Weltkrieg eine besondere Rolle gespielt hat. „Ich persönlich bin absolut fasziniert von der Enigma-Verschlüsselungsmaschine und wie die Geschichte ihrer Entschlüsselung mit der Entwicklung des Computers zusammenhängt. In der Ausstellung ist eine original Drei-Walzen-Maschine aus dem Zweiten Weltkrieg zu sehen."
Ein Besuch des Heinz Nixdorf Museums-Forums ist eine Zeitreise in die Vergangenheit und in die Zukunft. Das Telefon, früher einmal ein Luxusartikel, hat eine Entwicklung vom klobigen, schwarzen Bakelit-Kunststoffteil zum heutigen Mini-Computer durchgemacht, der in jede Hosentasche passt. In der guten, alten Zeit vermittelte das Fräulein vom Amt noch die Gespräche. Man stöpselte in großen Räumen die Verbindungen, was im Nixdorf Museum mit einer original nachgebauten Anlage gezeigt wird. Auch hier sehr oft die Frage der jugendlichen Besucher: Was machen die da eigentlich?

Ausbildungszentrum für Nachwuchsforscher
Näher ist ihnen schon eine Ausstellung mit Promi-Handys, zum Beispiel von Helmut Kohl, Bill Clinton oder Tom Cruise. Spannend ist auch der Bereich über die Entwicklung des Büros. Vom Kontor über Amtsstuben bis hin zum Computer bestückten Großraumbüro und darüber hinaus zum Homeoffice, das in den Corona-Pandemiezeiten nochmals einen besonderen Schub bekam.
Das Heinz Nixdorf Museums-Forum trägt zu Recht den Titel „Größtes Computer-Museum der Welt". Es ist gleichzeitig Ausbildungszentrum für neue Generationen von jungen Forschern, die sich spielerisch der Computerwelt nähern und sich erstaunlich schnell darin zurechtfinden.
Der etwas ältere Besucher kann sich dagegen von den beiden Robotern Peter und Petra informieren lassen. Peter mit seinem durchsichtigen Kugelkopf weiß fast alles über Computer, Internet und Handys, während Petra besonders auf die Wünsche und Fragen jüngerer Besucher eingeht. Das Museum ist ein besonderer Ort, der in vielen Bereichen unsere moderne Welt und die Entwicklung dahin widerspiegelt. Der Namensgeber hat sich damit ein lebendiges Denkmal gesetzt.