Allround-Entertainerin Maite Kelly (42) ist ohne Fernsehen und Radio aufgewachsen und besuchte zum ersten Mal mit Anfang 20 eine öffentliche Schule. Heute schreibt sie auch Kinder-Bilderbücher. Nach „Die kleine Hummel Bommel" führt sie eine neue Figur ein: den Engel Püttchen.
Frau Kelly, Sie sind Kinderbuchautorin, Sängerin, Songschreiberin, Tänzerin, Schauspielerin und dreifache Mutter. Wo finden Sie die Ruhe zum Schreiben?
Ich bin zuallererst Mutter. Wir Mamas können in den fünf bis acht Stunden, in denen die Kinder in der Schule sind, viel erledigen. Ich arbeite nicht mehr als andere Frauen, ich gehe meinen Aufgaben einfach mit Liebe nach. In Partnerschaft mit der Autorin Britta Sabbag haben wir zwischen Windeln wechseln, Kochen und Putzen über die letzten sieben Jahre 20 Bücher gemacht. Es gibt von uns auch eine Baby-Buch-Reihe. Ich bin tatsächlich hauptberuflich Mama und erst dann Schriftstellerin. Die Zeit für das Schreiben nehme ich mir, wenn die Kinder in der Schule sind. Sängerin bin ich, weil es schwierig ist, jemand zu finden, der meine Lieder so singt, wie sie gesungen werden müssen. Mir gelingt es auch nicht immer, aber einer muss es ja tun.
Darüber hinaus sind Sie auch Schauspielerin und Musical-Darstellerin.
Die Musical-Karriere hat perfekt in mein Leben gepasst, als die Kinder noch klein waren. Der Broadway wird immer Teil meines Künstlerlebens sein. Ich schauspielere gerne, wenn ein Regisseur wie Detlev Buck mir einen Charakter anbietet. Das ist einfach ein wunderbarer Ausflug in die Filmkunst. Die Liebe zum Geschichtenerzählen speist sich aus zwei Quellen: Erstens weiß mein innerer Kompass, dass das Schreiben meine Berufung ist. Zweitens hatte ich vielleicht auch einfach Glück, in eine Familie hineingeboren zu werden mit einer poetischen und verrückten Abenteuerlust und Liebe zur Kunst. Ich habe erst mit 17 Jahren dank meiner Lehrerin realisiert, dass das mein Weg ist. Die Herausforderung war, den Mut zu haben, ihn auch zu gehen. Ich bin sehr dankbar, dass das Schicksal – oder eine höhere Kraft – mir dabei geholfen hat, dies auch wirklich zu tun.
Die Hauptfigur Ihres neuen Kinderbuchs ist ein Engel namens Püttchen. Wie kam Püttchen zu Ihnen?
Püttchen ist die zweite Kinderfigur, die mir einfach zugeflogen ist. Diesmal schrieb ich den Text alleine, aber ich habe zwei Illustratoren, Joëlle Tourlonias und Robert Scheffner, an meiner Seite. Diese Form von 3D-Illustration hat es so noch nicht gegeben. Joëlle kenne ich von der Hummel Bommel. Ich erzählte ihr von meiner neuen Figur, die eine eigene Sprachwelt und ein ganzes Himmelsreich mit sich bringt. Nachdem sie das Rohmanuskript gelesen hatte, meinte sie: „Also, das machst du nicht ohne mich!" Joëlle holte einen ihrer besten Freunde, Robert Scheffner, dazu, denn sie wollte es diesmal ganz anders angehen. Robert ist ein Meister der Puppen- und 3D-Illustration und modellierte Püttchen als 3D-Figur. So hat diese himmlische Engelsreise begonnen. Das Wichtigste ist mir, dass Püttchen die Herzen der Kinder und der Junggebliebenen berühren kann.
Im Buch führt Püttchen eine Art philosophisches Gespräch mit Gott. Brauchen Kinder Gott?
Kinder brauchen Liebe. Ich hoffe und glaube, Gott ist Liebe und Liebe ist Gott.
Wollen Sie Kindern zu einer positiven Lebenssicht verhelfen, indem Sie ihnen vermitteln „Du bist von Gott gehalten"?
Soweit habe ich gar nicht gedacht. Als Kind lebte ich ein Jahr in Paris im Künstlerviertel, das damals noch nicht so schick war wie heute, sondern richtig „shabby". Da gab es einen malenden Clochard mit einer weißen Maus. Dieses Tier war sein Licht, egal wie dunkel und kalt es war. Als Kind diese Verbindung zu sehen, hat mich geprägt. Und so bin ich eines Nachts aufgewacht: Vor meinem geistigen Auge klammerte Püttchen sich an die Nase des Himmelskönigs, schaute ihm in die Augen und fragte: „Warum bist du Gott?" Das ist nicht nur eine philosophische Frage, das ist schon fast eine Debatte! Nur ein reines Wesen wie Püttchen besitzt die Chuzpe, Gott solche Fragen auf Augenhöhe zu stellen. Mit diesem Bild im Kopf fing ich an, die Geschichte weiter zu schreiben: Der Himmelskönig muss zwar schmunzeln, nimmt die Fragen des kleinsten Wesens im Himmelreich aber sehr, sehr ernst. Diese liebevolle, anarchistische Neckerei zeigt, wie tief die Beziehung zwischen diesen beiden Charakteren ist. Ich habe die ganze Nacht an dieser Geschichte geschrieben, bis es hell wurde.
Kindern die Sache mit Gott zu erklären, kann Anlass sein, über den eigenen Glauben nachzudenken. War das bei Ihnen der Fall?
Es kam mir nie in den Sinn, mit diesem Buch Kindern Gott zu erklären. Ich habe einfach nur diese Geschichte erzählt. Die verbindliche Beziehung zwischen den beiden Charakteren sagt viel mehr aus über Liebe, Nächstenliebe und Freundschaft, als ich jemals erklären könnte. Kinder haben von Natur aus einen geistigen Kompass. Mit dem Schreiben solcher Geschichten verfolge ich kein Ziel, sondern ich erzähle einfach nur, was sich diese beiden Charaktere zu sagen haben. Ich als Künstlerin hoffe, in dieser Verbindung ein großes Ganzes entstehen lassen zu können.
Haben Sie schon damals im Familien-Doppeldeckerbus Geschichten erfunden und aufgeschrieben?
Als Kind liebte ich Sherlock Holmes, Agatha Christie und die Märchen der Brüder Grimm. Ich habe schon immer Gedichte und Geschichten geschrieben. Mein Vater meinte, ich sei zuerst Schreiberin und dann erst Liedermacherin. Lieder sind Kurzgeschichten. Ich beschreibe immer zuerst das Bild und anschließend höre ich den Soundtrack dazu in meinem Ohr. Mit zwölf Jahren hatte ich mein erstes Lied fertig, mit 13, 14 Jahren auch ersten kommerziellen Erfolg. In Amerika, mit 20 Jahren, habe ich einen Kurzgeschichtenwettbewerb gewonnen, denn meine Lehrerin hatte einen meiner Texte einfach eingereicht, und er ist dann sogar als Buch erschienen. Aber ich habe das nicht als etwas Besonderes angesehen. Das Leben hat mir immer gesagt, dass das Schreiben mein Weg ist, aber ich habe es lange Zeit nicht erkannt. Heute weiß ich, es ist der Kern meines künstlerischen Daseins.
Wann haben Sie gemerkt, dass Ihre Geschichten speziell die Herzen der Kinder erreichen?
Kinder lieben die Hummel Bommel, und sie ist auch eine Kultfigur für die Erwachsenen geworden. Mir war es als Schriftstellerin immer wichtig, das Kind in jedem Menschen – egal welchen Alters – zu sehen und ernst zu nehmen. Das ist der Ausgangspunkt eines jeden Werks. Ich hoffe, dass sich wirklich jeder mit diesem wissbegierigen Engelchen, das so wichtige Fragen stellt, identifizieren kann.
Findet manchmal eine Idee Ihrer eigenen Kinder Eingang in Ihre Geschichten?
Sechs Monate bevor die Inspiration für dieses Kinderbuch bei mir wie der Blitz einschlug, fragte meine jüngste Tochter mich: „Mama, warum ist Gott Gott?" Ich habe mit 20 Jahren Theologie studiert. Diese Frage hätte ich damals meinem Professor stellen sollen! Er wäre damit wahrscheinlich genauso überfordert gewesen wie ich in dem Moment. Ich sagte zu meiner Tochter, dass ich darüber nachdenken müsse. (lacht) Ich hoffe, dass sie mit diesem Buch in ihrer eigenen Antwort bestärkt wird.
Wie sprechen Sie mit Ihrer siebenjährigen Tochter Solène über das schwierige Thema Krieg?
Es ist für uns als Familie aktuell spürbarer, aber schon seit meine Kinder klein waren, habe ich in meine Tischgebete Themen wie Krisen oder Kriege mit aufgenommen. Ich finde das wichtig. Meine Kinder sind sich bewusst, welches Glück sie haben, in einem Zuhause zu leben, wo es friedlich zugeht.
Kann man einem Kind Krieg erklären?
Eigentlich kann man Krieg nicht erklären. Es gibt dafür keine Worte, denn Krieg ist die komplette Ohnmacht. Als Christin habe ich gelernt, dass die einzige Antwort auf Ohnmacht das Gebet ist. Meine Kinder wissen aber schon ein bisschen etwas über Politik. Und natürlich spenden wir als christliche Familie auch für alle Orte, wo Krieg herrscht. Eine meiner Töchter zum Beispiel hat in unserer Gemeinde Spielzeug und Kleidung gesammelt.
Möchten Sie mit Büchern wie „Püttchen" Welten erschaffen, die einen heilenden Effekt haben auf Leserinnen und Leser?
Ich möchte einfach nur Geschichten erzählen, die die Herzen der Kinder stärken. Denn die Fantasie gehört dem Kind und tut auch dem inneren Kind eines Erwachsenen gut. Wenn sie verloren geht, hat man ein Stück Leben verloren. Ich glaube, ich erschaffe kleine Welten, in die Groß und Klein kurz eintauchen können. Und wenn sie dann wieder zurück in ihre Realität kommen, gehen sie ihren Weg vielleicht mit leichteren Füßen.