Die beiden Gesamtweltcup-Titelverteidiger Marco Odermatt und Mikaela Shiffrin dürfen sich auf einige Neuerungen in der bevorstehenden Saison freuen – ebenso wie alle Fans des alpinen Skisports. Als Höhepunkt zählt die 47. Weltmeisterschaft in Courchevel/Méribel im Februar 2023.
Das Matterhorn ruft! Nur wird Ende Oktober und Anfang November nicht der Gipfel des berühmtesten Schweizer Berges das Ziel von ambitionierten Kletterern sein können. Vielmehr werden sich die alpinen Speedfahrer ganz auf eine der Aufstiegsluken auf italienischer Seite konzentrieren. Denn dort wird erstmals ein Weltcup-Rennen auf der brandneuen Strecke „Gran Becca" enden, die vom ehemaligen Schweizer Olympiasieger Didier Défago entworfen wurde. Der Start findet auf einer Höhe von 3.800 Metern beim Gobba di Rollin oberhalb von Zermatt auf Schweizer Territorium statt. Über vier Kilometer geht es dann mit einem maximalen Renntempo von 135 km/h rasant bergab, wobei 935 Höhenmeter überwunden werden. Die Ziellinie wird schließlich auf 2.835 Metern in Laghi Cime Bianche oberhalb des italienischen Cervinia passiert werden. Es ist also ein historisches Event, weil noch niemals ein grenzüberschreitendes Weltcup-Rennen ausgetragen wurde. Vor allem ist es aber auch ein Coup des Internationalen Ski-Verbandes (FIS), der Sinn macht.
Ein historisches Event
Denn in keiner anderen europäischen Region außerhalb des Gletscher-Plateaus Rosa rund um die Destinationen Zermatt und Cervinia können wegen der Schneesicherheit so früh in der Saison Speed-Wettbewerbe abgehalten werden. Und im Sinne der Nachhaltigkeit war die dafür nötige Infrastruktur auch schon vorhanden. Für die reinen Abfahrtsspezialisten, die beim traditionellen Saisonauftakt mit dem Riesenslalom in Sölden am 22./23. Oktober in der Regel noch nicht an den Start gehen möchten, bietet das Event rund um das Matterhorn die superbe Chance, den Saisoneinstieg um vier Wochen vorverlegen zu können. Weil sie bislang ungeduldig auf das Speed-Opening in Übersee Ende November/Anfang Dezember warten mussten. Nun können die schnellen Herren am 29. und 30. Oktober und die schnellen Frauen am 5. und 6. November gleich mit je zwei Abfahrtsrennen schon in Europa in den Weltcup-Zirkus einsteigen. Danach können die Frauen im amerikanischen Killington und kanadischen Lake Louise und die Herren ebenfalls in Lake Louise und im amerikanischen Beaver Creek den Kampf um Weltcup-Punkte fortsetzen.
Zu den Neuerungen dieser Saison zählt auch eine zweite US-Reise der Herren im Frühjahr 2023, wo in Palisades Tahoe (Riesenslalom und Slalom) und Aspen (Abfahrt und Super-G) nach langer Pause wieder Weltcup-Rennen stattfinden werden. Um den genauen Terminplan der aktuellen Weltcup-Saison gab es ein ungewöhnlich langes Gerangel und Gezanke. Wobei auch das Problem der Termin-Kollision mit der Fußball-WM Ende November bis Mitte Dezember 2022 eine Rolle gespielt hatte, aber letztendlich nicht durch wochenlange Verschiebung von Wettbewerben gelöst werden konnte. Anfangs hatte die FIS um ihren neuen milliardenschweren britischen Präsidenten Johan Eliasch sogar noch Events in Russland für möglich gehalten, weil man auf ein schnelles Ende des Ukraine-Krieges spekuliert hatte. Ganz im Sinne des auf Modernisierung, Globalisierung und Geldoptimierung setzenden Konzepts von Eliasch wurde neben der allgemein als sinnvoll, aber in der Umsetzung durch die FIS umstrittenen Zentralvermarktung des Weltcups auch über eine Eroberung des asiatischen Marktes durch dort stattfindende Ski-Wettbewerbe diskutiert. Dafür sollten europäische Klassiker wie beispielsweise die Kandahar-Abfahrt der Herren in Garmisch-Partenkirchen geopfert werden.
Zweite US-Reise für die Herren
Nachdem das Thema Asien vorläufig ad acta gelegt worden war, wurde Garmisch-Partenkirchen wieder in die aktuelle Terminplanung aufgenommen. Am 4. Januar findet dort ein Nachtslalom der Herren statt, am 28. und 29. Januar stehen Abfahrt und Riesenslalom auf dem Programm. Nur die Wettbewerbe der Frauen in Garmisch-Partenkirchen blieben gestrichen. Es wird also in der aktuellen Saison kein Heimspiel für die deutsche Damen-Equipe geben.
Dafür gibt es für sie Anfang März Speedrennen mit Abfahrt und Riesenslalom im norwegischen Kvitfjell, wo sonst eigentlich nur Herren-Wettbewerbe stattfinden. Das Weltcup-Finale wird, wie schon 2019, in Soldeu im Zwergstaat Andorra vom 13. bis 19. März ausgetragen werden. Spätestens dann wird nach 43 Rennen der Herren (in 21 Ski-Locations) und 42 Wettbewerben der Damen (in 20 Veranstaltungsorten) feststehen, wer die begehrten Kristallkugeln als Gesamtweltcup-Sieger und Gewinner der Einzeldisziplinen in Empfang nehmen kann.
Technik und Geschwindigkeit
Dabei sollten im Sinne der Chancengleichheit in etwa gleich viele technische Disziplinen wie Speed-Wettbewerbe im Kampf um die Gesamtwertung bewältigt werden müssen. Beim Punktesammeln gilt weiterhin, dass es für einen Sieg im Einzelrennen 100 Punkte gibt, der zweite Platz wird mit 80 Punkten honoriert; für den 30. Platz gibt es immerhin noch einen Weltcup-Punkt.
Wie immer werden sich für die Herren die prestigeträchtigsten Weltcup-Events im Monat Januar 2023 ballen: mit den traditionsreichen Speed-Weltcup-Wochenenden in Wengen in der Schweiz und auf dem Hahnenkamm im österreichischen Kitzbühel sowie den hochkarätigsten Technik-Events im österreichischen Schladming und Schweizer Adelboden. Bei den Damen zählen im gleichen Monat jeweils Abfahrt und Super-G im österreichischen St. Anton und im italienischen Cortina d’Ampezzo zu den Weltcup-Highlights, das Slalom-Spektakel im österreichischen Flachau nicht zu vergessen. Aber der eigentliche Saison-Höhepunkt wird natürlich die 47. alpine Ski-WM vom 6. bis zum 19. Februar in Frankreich sein, wobei die Frauen vornehmlich in Méribel, die Herren hauptsächlich in Courchevel zum Einsatz kommen werden.
Medaillen in sechs Disziplinen
Medaillen werden für Damen und Herren in sechs Disziplinen vergeben werden: Abfahrt, Super-G, Riesenslalom, Slalom, Parallelrennen und Alpine Kombination. Zusätzlich wird der Titelträger im Mix-Team-Parallel-Wettbewerb gesucht, bei dem dem deutschen Team traditionell durchaus Podestchancen eingeräumt werden können – nach der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2022 (der einzigen Edelmetallplakette des DSV-Teams in Peking nach acht Jahren olympischer Medaillenvakanz) und der Bronzemedaille bei der Ski-WM 2021 in Cortina d’Ampezzo. Dass die FIS ausgerechnet bei der WM den umstrittenen und beim Publikum wenig beliebten Kombinations-Wettbewerb ins Programm aufgenommen hat, lässt sich logisch kaum nachvollziehen, zumal er ja ansonsten komplett aus dem aktuellen Weltcup-Kalender gestrichen wurde.