Dennis Schröder hat nach zwei schwachen NBA-Jahren dank seiner starken Anführer-Rolle im DBB-Team bei der EM 2022 seinen vertragslosen Free Agent-Status durch einen neuen Kontrakt beim Rekord-Champion Los Angeles Lakers verlassen können.

Für Dennis Schröder hatte die EM 2022, bei der das Team des Deutschen Basketball Bundes (DBB) vor heimischer Kulisse in Köln und Berlin mitreißende Spiele gleichsam am Fließband geliefert hatte und schließlich mit der Bronzemedaille belohnt wurde, eine ganz besondere persönliche Bedeutung. Denn der Star der deutschen Mannschaft, der nach drei Jahren Abwesenheit vom DBB-Trikot nach dem vor allem ihm angekreideten blamablen Abschneiden bei der WM 2019 in China erstmals wieder im September 2022 bei einem internationalen Turnier in seiner neuen Rolle als Kapitän die deutschen Farben vertreten hatte, musste gewissermaßen einen möglichst überzeugenden Bewerbungsnachweis in eigener Sache abliefern. Schröder war keinesfalls mit großem Rückenwind aus der abgelaufenen NBA-Spielzeit zum Heimevent angereist.
Bronzemedaille als Belohnung
Denn nachdem er in der Saison 2019/2020 noch glänzende Vorstellungen für das Team von Oklahoma City Thunder gezeigt hatte und als Belohnung dafür sogar für den Award zum „Sixth Man of the Year", dem wertvollsten Ersatzspieler der NBA, nominiert worden war, ging es nach dem von Schröder seinerzeit nur widerwillig akzeptierten, aber von den beteiligten Clubs im Rahmen eines NBA-üblichen Trades über den Kopf des Spielers hinweg arrangierten Wechsels zum legendären Rekord-Champion und amtierenden Titelträger Angeles Lakers rund um Megastar LeBron James leistungsmäßig nicht mehr weiter bergauf. Finanziell hatte der Trade für Schröder keinen Nachteil, weil er in Oklahoma noch einen Vertrag bis 2021 hatte, der ihm ein Gehalt von rund 12,7 Millionen Dollar jährlich garantiert hatte und von den Lakers übernommen wurde. Wobei diese Schröder auch noch den Abschluss eines neuen großen Kontrakts in Aussicht gestellt hatten. Die Lakers waren das dritte NBA-Team, für das der gebürtige Braunschweiger (Jahrgang 1993) seit seinem Debüt bei den Atlanta Hawks 2013 tätig war. Nach fünf Jahren in Georgia war er nach Oklahoma gewechselt, wo er zwar nicht mehr in der Startformation gesetzt war, aber viel von Point Guard Chris Paul lernen und sich dadurch kontinuierlich in allen Bereichen verbessern konnte.

Nach dem frühen Aus der Lakers in den NBA-Play-offs hatte Vereinsikone Earvin „Magic" Johnson im Frühjahr 2021 harsche Kritik an dem quirlig-schnellen Dribbelkünstler mit dem eigentlich exzellenten Ball-Handling geübt: „Ich glaube nicht, dass er ein Laker ist. Das ist aber nur meine Meinung. Ich weiß nicht, ob sie mit ihm verlängern wollen oder nicht. Ich glaube, dass er nicht die Siegermentalität und die Einstellung besitzt, die es braucht." Schröder habe bei den Lakers die einmalige Chance bekommen, sich auf der Position des Point Guards, sprich des Spielmachers mit seiner für diese Funktion idealen Körpergröße von 1,85 Metern, „zu beweisen – und er hat dabei versagt." Vor allem Schröders bescheidene Performance im fünften Spiel der ersten Play-off-Runde gegen die Phoenix Suns, als Schröder mit keinem einzigen seiner neun Würfe einen Korberfolg für sich verbuchen konnte, dürfte Johnson auf die Palme gebracht haben. Auch Schröders persönliche Bilanz in der regulären Saison mit im Schnitt 15,4 Punkten, 5,8 Assists und 3,5 Rebounds dürfte den eigenen ehrgeizigen Ansprüchen kaum gerecht geworden sein. „Ich glaube nicht, dass ich ihnen alles gegeben habe, was ich zu bieten habe", so Schröders selbstkritisches Saison-Fazit. Dennoch hatte Schröder gleich nach dem Ausscheiden seine Absicht bekundet, seine Karriere bei den Lakers um den Ausnahmespieler LeBron James fortsetzen zu wollen: „Ich möchte hier eine Meisterschaft gewinnen. Ich spiele hier mit dem besten Basketballer der Welt, ich kann es nicht zu erwarten, es noch einmal zu versuchen." Schröders öffentliches Bekenntnis zu den Lakers kam völlig überraschend und konnte eigentlich nur als neue Runde im Pokerspiel um einen dreistelligen Millionenvertrag verstanden werden. Weil Schröder, der hierzulande immer wieder mit dem ewigen Ausnahmekönner Dirk Nowitzki verglichen und überflüssigerweise trotz gänzlich unterschiedlichen Persönlichkeitsprofilen und Spielfunktionen auch gemessen wird, schon im März 2021 ein lukratives Angebot des Rekord-Champions über 84 Millionen Dollar für einen Vierjahresvertrag abgelehnt hatte. Zuvor hatte zu Saisonbeginn 2020/2021 eine unterbreitete Offerte der Lakers über 33,4 Millionen Dollar für eine Vertragsverlängerung um zwei Jahre nicht die Zustimmung Schröders gefunden. Obwohl die Konkurrenz auf Schröders Position des Point Guards in der NBA ziemlich stark ist, nur wenige Clubs wegen der in der Regel schon ausgereizten Team-Gehaltsobergrenze namens Salary Cap noch über freie finanzielle Ressourcen für einen langfristig-kostspieligen Spielerkontrakt verfügen, und die meisten namhaften Spieler seit etwa 2019 einen Vereinswechsel nur noch im Rahmen eines Trades vollziehen, wollte Schröder einen hochriskanten eigenen Weg beschreiten.

Wobei er darauf spekuliert hatte, dass er nach Ablauf seines Vertrags bei den Lakers als sogenannter Free Agent, sprich als vertrags- und vereinsloser Spieler, im Sommer 2021 einen noch besser dotierten Deal im dreistelligen Millionenbereich würde abschließen können. Das einzige Problem war nur, dass kein Club ihm ein solches Angebot unterbreiten wollte und der Spieler als Free Agent auch nicht als Mitglied des DBB-Teams an den Olympischen Spielen in Tokio 2021 teilnehmen konnte, weil die dafür nötige Versicherung für einen vertragslosen Basketballspieler schlichtweg zu teuer gewesen wäre. Schröder hatte sich völlig verzockt, was ihm reichlich Spott und Häme einbringen sollte. „Selten hat sich in der NBA bisher ein Spieler so verzockt wie der Deutsche", so der Kommentar von sport1.de, „weshalb es schwer ist, vergleichbare Fälle heranzuziehen. Dennoch ist Schröder so gut, dass seine Zukunft in der NBA sicher ist – nur aktuell nicht zu seinen gewünschten Konditionen."
Ein hochriskanter eigener Weg
Die Spekulationen über einen Wechsel Schröders zu den Boston Celtics zur Saison 2021/2022 sollten sich als richtig erweisen. Wobei sich Schröder mit einem geradezu läppischen Gehalt von 5,9 Millionen Dollar für einen Ein-Jahres-Vertrag zufrieden geben musste. „Ich bin 28 Jahre alt und werde noch lange in der NBA spielen. Geld ist nicht alles", so Schröder vor dem Saisonstart. Er konnte nur darauf hoffen, durch eine überragende Spielzeit beim Spitzenteam der Celtics doch noch zum großen Zahltag zu gelangen. Aber es sollte anders kommen. Weil die Boston Celtics Schröder trotz solider Leistungen, bei denen wieder seine Schnelligkeit und Defensiv-Künste besonders hervorstachen, und einer Bilanz von im Schnitt 14,4 Punkten, 3,3 Rebounds und 4,2 Assists pro Spiel mitten in der Saison an das schlechteste Team der Western Conference, die Houston Rockets, getradet hatten. In Boston wurde Schröder von den Fans wegen seiner gewohnt schwachen Dreierquote und vor allem wegen seiner häufigen, den Spielfluss verlangsamenden Dribbel-Orgien kritisiert. Zwar war Schröder auch bei den Celtics immer dann am besten gewesen, wenn er selbst den Ball in Händen gehalten hatte, aber wenn zeitgleich eine ganze Reihe von All-Stars auf ein Zuspiel warten mussten, wurde das als wenig optimal angesehen. Da die Rockets Schröder nach Ende der Spielzeit keinen neuen Kontrakt unterbreiten wollten, war der deutsche Nationalspieler, der seit jeher auch wegen seines exzentrischen Lebensstils polarisiert und mit dem Basketball-Spielen erst im Alter von elf Jahren begonnen hatte, trotz der Erfahrung von 621 Partien in der NBA beim EM-Start vereinslos.

Vor den kritischen Augen der NBA-Scouts konnte Schröder bei der EM 2022 endlich die ihm zugedachte Rolle des Anführers und Spielgestalters des DBB-Teams beim Gewinn der Bronzemedaille perfekt umsetzen. Und obwohl seine Wurfquoten, vor allem von jenseits der Dreierlinie, noch immer ausbaufähig waren, wurde er ins fünfköpfige All-Star-Team gewählt mit im Schnitt 22,1 Punkten, 7,1 Assists und 2,3 Rebounds pro Match. Direkt im Anschluss an seine starke Performance mit 30 Punkten im knapp verlorenen Halbfinale gegen Spanien teilte Schröder mit, dass er zur Saison 2022/2023 zu den Los Angeles Lakers zurückkehren wird. Allerdings konnte sein Agent nur einen Ein-Jahres-Vertrag mit einem Salär von 2,64 Millionen Dollar aushandeln. „Letztes Jahr hat sich nicht richtig angefühlt", so Schröder auf Instagram. „Ich habe mich missverstanden gefühlt, und niemand kannte die wahre Geschichte. Ich komme zum größten Club zurück, um es richtigzumachen. Ich hoffe, die Lakers Nation wird mich jeden Tag unterstützen, ich werde alles geben, was ich habe. Es ist eine Ehre, für die Lakers zu spielen." Via Twitter brachte auch Superstar LeBron James sogleich seine Zufriedenheit zum Ausdruck: „Yes Sir! So verdammt glücklich, Dich wieder zurückzuhaben."
Doch so ganz einfach wird es für Schröder bei den Lakers an der Seite von LeBron James sicherlich nicht werden, die Rolle des Point Guards auszufüllen. Weil der Megastar längst nicht mehr nur in seiner klassischen Position des Small Forwards auf den Hallenbrettern unterwegs ist, sondern auf allen fünf Positionen agierend immer am liebsten selbst den Ball sofort zugepasst haben möchte. Das größere Problem für Schröder dürfte aber der in die Jahre gekommene, hochbezahlte Superstar Russel Westbrook darstellen, weil dieser genau die Spielmacher-Funktion für sich beansprucht. Schröder dürfte aber gute Karten haben, weil er im Vergleich zu Westbrook der bessere Schütze ist und auch besser verteidigt. Viel spricht dafür, dass der neue Lakers-Trainer Darvin Ham, der mit Schröder vormals schon jahrelang bei den Atlanta Hawks zusammengearbeitet hatte, den Deutschen in der Start-Formation aufbieten wird und Westbrook sich mit der ungeliebten Rolle als Einwechselspieler zufriedengeben muss. Der erste NBA-Spieltag am 18. Oktober wird mit dem Knaller zwischen dem amtierenden Champion Golden State Warriors und den Lakers Aufschlüsse darüber geben, ob Schröder als Point Guard die rechte Hand von LeBron James sein wird.