Hollywoodstar Jeff Bridges redet über seine neue Thriller-Serie „The Old Man", seine Krebserkrankung, seine Prioritäten im Leben und ob er als „The Dude" nicht doch den ein oder anderen Joint geraucht hat.
Mr. Bridges, wie schön, dass Sie wieder ganz gesund sind.
Vielen Dank. Mir geht es inzwischen wirklich blendend. Ich habe zwei schreckliche Jahre hinter mir. Ich war ja an Lymphdrüsenkrebs erkrankt und musste eine Chemotherapie gegen den Krebs machen. Das hat mein ganzes Immunsystem zerstört, und deshalb habe ich auch noch Covid bekommen. Das hat mich dann total umgehauen. Es war wirklich schlimm. Ich war zwischendurch tatsächlich so weit zu sagen: „Ich bin bereit zu gehen". Aber durch eine Plasma-Therapie ist langsam Besserung eingetreten. Und ich habe mich Schritt für Schritt wieder ins Leben zurückgekämpft. Zusätzlich hatte ich noch dreimal pro Woche Physiotherapie. Jetzt bin ich wiederhergestellt und voller Tatendrang.
Und da haben Sie sich gleich mit vollem Elan in eine siebenteilige Drama-Serie gestürzt, in der Sie die Hauptrolle spielen und die Sie auch noch koproduziert haben. Was hat sie an „The Old Man" denn besonders gereizt?
Das ist eine längere Geschichte. Den Roman von Tom Perry habe ich schon 2017 zugeschickt bekommen, mit der Anfrage, ob ich den Old Man in einer Serie spielen wollte. Ich habe es damals aber nicht gelesen. Und hätte meine Frau Susan mich nicht ständig dazu gedrängt, es zu lesen, wer weiß, was daraus geworden wäre. Als ich es endlich tat, war ich von der Story sofort total begeistert. Ich fand dann auch die Drehbücher außerordentlich gut geschrieben. Sehr spannend, man weiß nie genau, wie sich die Geschichte weiterentwickeln wird und welche Überraschungen sie noch bereithält. Ich habe mich dann auch ein paarmal mit den Machern der TV-Serie und dem Autor getroffen. Die haben mir dann das Projekt erst richtig schmackhaft gemacht. Und als sie noch vorschlugen, dass mein alter Freund T Bone Burnett die Musik zur Serie schreiben sollte, hatten sie mich endgültig geködert. Und ich wurde nicht enttäuscht. Wirklich alle Beteiligten – wir Schauspieler, aber auch die ganze Crew – haben ihr Bestes gegeben. Die ganze Serie ist von großer Kreativität und höchster Professionalität geprägt. Da waren wirklich Könner am Werk.
Hat die schwere Krankheit Sie sehr verändert? Sehen Sie das Leben jetzt anders? Und haben Sie diese Erfahrung vielleicht auch in die Rolle des Old Man einfließen lassen?
In den zwei Jahren, in denen ich mir meiner eigenen Sterblichkeit sehr bewusst war, habe ich so ziemlich alles auf den Prüfstand gestellt. Vor allem meine Lebensphilosophie und meine Spiritualität. Die Krankheit hat mich sicherlich reifer gemacht. Im Grunde genommen habe ich mich aber nicht verändert. Es hat allerdings meinem Blick aufs Leben schärfere Konturen gegeben. Und das trifft sicher auch auf meine Art zu schauspielen zu.
Sie hatten zwischen all den vielen Kinofilmen immer wieder auch TV-Auftritte. Ihren ersten schon mit acht Jahren in der TV-Serie „Abenteuer unter Wasser" …
… zusammen mit meinem Vater Lloyd Bridges. Er hat mich quasi in die Serie hineingeschmuggelt. Ein klarer Fall von Nepotismus. (lacht) So bin ich überhaupt zur Schauspielerei gekommen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich zusammen mit meinem Dad auf dem Bett sitze und er mir die Grundbegriffe der Schauspielerei erklärt. Das Beste, was er mir beibrachte, ist, dass man an seiner Arbeit immer Freude haben sollte. Später habe ich mit ihm auch noch zwei Kinofilme gemacht, nämlich „Tucker" und „Explosiv – Blown Away". Wenn er ans Set kam, freuten sich alle auf ihn, weil dann der Spaß bei der Arbeit garantiert war. Er meinte, dass man als Schauspieler nur dann gute Arbeit leisten kann, wenn man entspannt und ganz bei sich ist. Dieses Credo habe ich auch zu meinem gemacht.
War Ihr Vater ein großes Vorbild für Sie?
Nicht nur für mich, sondern auch für meinen Bruder Beau. Ohne ihn wären wir sicher keine Schauspieler geworden. Manchmal glaube ich, dass uns gerade das windige Hollywood-Filmgeschäft als Familie noch enger zusammengeschweißt hat. Ich habe viel von meinem Vater gelernt. Wie er sich und seine Familie ein Leben lang durch die Stürme und Untiefen des Showbusiness navigiert hat. Und nicht zu vergessen meine Mutter: Sie war immer der Mittelpunkt unserer Familie.
Für jemanden, der auf eine sehr erfolgreiche 50-jährige Karriere in Hollywood zurückblicken kann, wirken Sie erstaunlich entspannt.
Das liegt wohl an meinem Charakter. Ich war nie der stressige Duracell-Hase, sondern immer der relaxte Typ. Um ehrlich zu sein, halte ich mich sogar für einen ziemlichen Faulpelz. Auf jeden Fall bin ich alles andere als karrieregeil. Ich hatte in meinem Leben immer die Wahl zwischen so vielen verschiedenen, schönen Dingen, dass ich fast die meiste Zeit damit verbracht habe, sie mir aus dem Weg zu räumen – sie also nicht zu tun. Das hätte mich nämlich sehr schnell aufgefressen. Für das Leben auf der Überholspur bin ich absolut nicht ausgelegt.
Das klingt in der Tat ziemlich abgeklärt. Wo setzen Sie denn Ihre Prioritäten?
Meine Familie kommt immer zuerst. Ich bin ein echtes Familientier. Ich bin seit 45 Jahren mit ein und derselben Frau verheiratet und habe mit ihr drei Töchter. Meine größte Rolle im Leben ist die des Ehemanns und Vaters. Das war schon immer so.
Es gibt nichts auf der Welt, das mir mehr gibt als meine Familie. Für mich ist meine Familie der Hafen, wo ich mich sicher und geborgen fühle. Das würde ich für nichts auf der Welt aufs Spiel setzen, erst recht nicht für Ruhm oder Geld. Ich habe die Werte des Familienlebens sozusagen schon mit der Muttermilch eingesogen.
Sind Sie als Schauspieler auch so pflegeleicht?
Ich begebe mich sehr gerne in die Hände eines Regisseurs, der sein Handwerk versteht und sich in Schauspieler gut einfühlen kann.
Da lasse ich mich gerne fallen – und im besten Fall wachse ich dann auch beim Spielen über mich hinaus.
Auch in diesem Sinne war „The Old Man" eine ganz wunderbare Erfahrung für mich.
Sie spielen den Old Man anfangs als sehr fragilen, eben alten Mann, der alle fünf Minuten aufs Klo gehen muss, um zu pinkeln. Färbt diese Altersschwäche nicht irgendwann auf einen selbst ab, auch wenn sie nur gespielt ist?
(lacht) Ach, ich bin da hart im Nehmen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, Menschen darzustellen, die alt sind. Immerhin bin ich ja auch 72. Diese Serie ist für mich ein sehr langer Spielfilm. Das zu meistern, war schon ziemlich anstrengend. Aber ich habe ein stark ausgeprägtes Arbeits-Ethos. Das habe ich wohl auch von meinem Vater geerbt. Auch er hat – bei allem Spaß – immer sehr hart gearbeitet. Und das ist definitiv auch meine Herangehensweise an ein Projekt.
Diese Rolle unterscheidet sich sehr von den meist coolen Charakteren, die Sie sonst darstellen. War auch das ein Antrieb für Sie, es mit dem Old Man zu versuchen?
Ach, ich finde die Rolle auch cool. Jede Figur, die ich darstelle, ist einzigartig. Ich bin im Film zwar alt, wachse aber im Laufe der Geschichte an meinen Aufgaben und werde auch physisch immer fitter. Viele Stunts, die mich körperlich sehr gefordert haben, mache ich ja selbst. Aber ich hatte einen hervorragenden Fitnesstrainer, mit dem ich schon während meiner Krankheit gearbeitet habe. Ich musste während meiner Rekonvaleszenz ja erst wieder lernen, richtig zu atmen und zu gehen. Und dann hatte ich natürlich am Set einen erstklassigen Stuntman, der mich auf diese Art von Action sehr gut vorbereitet hat.
Ihre wohl berühmteste Rolle ist „The Dude" in „The Big Lebowski" von den Coen-Brüdern. Ihre Performance ist längst Kult geworden. Haben „The Dude" und der Old Man vielleicht sogar etwas gemeinsam?
Sie sind diametral entgegengesetzt. Der Dude ist auf seine Art total authentisch. Er ist der Typ, der immer sagt, was er denkt und der sich nicht schert, was andere von ihm denken. Er hat diese sehr sympathische „Friss-oder-stirb"-Einstellung. Wenn ich, wie in „The Old Man", einen Ex-CIA-Agenten spiele, dann ist das etwas komplett anderes. In seinem Job als Spion musste er sich viele sehr verschiedene Identitäten zulegen, um zu überleben. Das kann dazu führen, dass man sein eigenes Ich mit der Zeit total verliert. Und das ist sehr verwirrend und extrem beunruhigend. Die beiden sind also total verschiedene Typen.
Sie haben in Ihren wilden Jahren durchaus mal den einen oder anderen Joint geraucht, haben Sie mal erzählt. Als der „Dude" sind Sie fast den ganzen Film über stoned …
… aber das ist alles nur gespielt. Ich weiß zwar, wie es sich anfühlt, wenn man high ist, aber für den Film war das keine Option. Da musste ich bei jedem Take auf dem Punkt sein. Meinen Text können und wissen, was ich als Nächstes zu tun hatte. Außerdem wollte ich mich später auch daran erinnern können. Also nein, da war ich – auch was die vielen „White Russian"-Cocktails anbelangt – total nüchtern.
Verraten Sie uns zum Schluss noch Ihr Lebensmotto?
Der Sinn des Lebens ist der, den man ihm selber gibt.