In der Satire „Triangle of Sadness" retten sich einige Passagiere und Arbeiter nach dem Untergang ihres Kreuzfahrtschiffes auf eine Insel. Dort haben Reichtum und Herkunft keine Bedeutung mehr, die Karten werden neu gemischt. Zu sehen ab 13. Oktober im Kino.
Die Menschheit hat viele Probleme. Eines ist, dass die Arbeiterschicht immer ärmer wird, die Reichen hingegen werden immer reicher. Irgendwie dazwischen hat sich in den vergangenen Jahren eine dritte Gesellschaftsschicht gemogelt. Menschen, die durch die modernen Medien den Schein des Reichtums aufbauen, im Grunde aber eigentlich nicht viel können und weder zum Proletariat gehören noch in die Welt des Geldes. Regisseur und Drehbuchautor Ruben Östlund versammelt in seinem Film „Triangle of Sadness" Menschen aller drei Gesellschaftsschichten auf einem Kreuzfahrtschiff, das sein Ziel nie erreichen wird:
Das junge Männer-Model Carl (Harris Dickinson) und die Influencerin Yaya (Charlbi Dean Kriek) vermarkten ihr Leben auf Instagram. Als sie zu einer Kreuzfahrt für Superreiche eingeladen werden, können sie Erholung und Arbeit verbinden. Champagner, gutes Essen, viel Zeit auf dem Sonnendeck und elitäre Passagiere sollen viele gute Pics für Social Media ergeben. Aber alles auf diesem Narrenschiff ist nur Schein, denn die anderen Gäste sind nur oberflächlich elegant und auch gar nicht wohlerzogen. Ein britisches Paar ist reich geworden durch Waffenhandel, ein russischer Oligarch hat nur seinen Reichtum im Kopf, zudem machen manche Gäste schlechte Witze über eine Frau, die nach einem Schlaganfall auf den Rollstuhl angewiesen ist. Der Kapitän ist dauerbetrunken, Marxist und verdrückt sich gern stundenlang in seine Kabine. Ganz bodenständig hingegen ist Abigail (Dolly De Leon). Die Philippina ist für die Toiletten auf dem Edeldampfer zuständig und scheint die künstlichen Fassaden der Gäste vom Oberdeck zu durchschauen. Als das obligatorische Kapitänsdinner stattfindet, kommt ein Sturm auf und fast gleichzeitig greifen Piraten das Schiff an. Es sinkt, nur wenige Gäste und Crewmitglieder retten sich auf eine einsame Insel. Plötzlich haben Reichtum und Herkunft keinen Wert mehr, die Handys der Influencer sind im Meer versunken. Weil Abigail die einzige Person ist, die fischen und kochen kann, wird sie im Kampf ums Überleben unverzichtbar. Schnell kehrt sich die Hierarchie um.
Schadenfreude ist gewollt
Indem „Triangle of Sadness" erst auf einem von der Außenwelt abgeschlossenen Kreuzfahrtschiff spielt und dann auf der einsamen Insel, verengt der Film große politische und gesellschaftliche Aspekte, von denen einige verpuffen, während andere in einer neuen Ordnung sortiert werden. Das zeigt sich schon im ersten Teil des Films, als die strahlende Sonne die Macken und Lügen der Möchtegerns ausleuchtet. Später während des Sturms rückt Regisseur Ruben Östlund alle Personen auf dem Schiff auf eine Ebene, denn ob Oligarch, Influencer oder Arbeiter: Bei dem hohen Wellengang kann keiner mehr sein Essen bei sich behalten. Wenn sich der Magen umdreht, sind alle Menschen gleich. So unangenehm für die Passagiere (und für die Zuschauer) diese unkontrollierte Entleerung von Magen und Darm auch sein mag: Sie birgt auch eine Chance. Denn auf der Insel könnten die Gestrandeten das Unglück meistern, indem sie ein Kollektiv bilden, um gemeinsam bis zu ihrer erhofften Rettung zu überleben. Aber unter den Palmen bildet sich eine neue Hierarchie: Abigail übernimmt das Kommando. Die ehemals Reichen wollen von den Talenten der ehemaligen Klofrau profitieren – wer hungert schon gern am Paradiesstrand? Nur: Etwas Sinnvolles beitragen zum Überleben können und wollen die Herrschaften nicht. Dieser Entwicklung zuzusehen, ist vor allem zum Ende hin ein großer Spaß. Die Schadenfreude gegenüber dem Scheitern der Schickimicki-Gesellschaft ist gewollt.
Dass „Triangle of Sadness" nicht nur in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, sondern auch als unterhaltsame Satire gut funktioniert, ist auch dem Schauspielteam zu verdanken. Harris Dickinson spielt Männer-Model Carl mit einer Mischung aus Idealismus und Einfältigkeit, Woody Harrelson liefert als Kapitän eine Performance zwischen Wahnsinn und Größenwahn ab, während Iris Berben mit ihren skurrilen Auftritten für Schmunzeln sorgt. Großartig ist Dolly De Leon, die als Klofrau die Reichen entmachtet, deren Unfähigkeit offenbart und sich zum Schluss nimmt, was sie will und verdient hat.