Mit einem drei Milliarden schweren „Transformationsfonds" will die Landesregierung die Zukunft des Saarlandes sichern. Kritiker sehen ein zu großes Risiko, Befürworter einen Befreiungsschlag. Für Finanzminister Jakob von Weizsäcker ist es der Dreh- und Angelpunkt für die Politik der nächsten Jahre.
Bei den Zahlen könnte einem schon leicht schwindelig werden. Entsprechend munter war auch die Debatte darüber im saarländischen Landtag. Am Ende stand die Feststellung, dass das Saarland in einer „außergewöhnlichen Notlage" steckt – und folglich außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen muss.
Dass das Saarland in einer (finanziellen) Notlage steht, ist eigentlich seit Langem hinreichend bekannt. Um das festzustellen, hätte es folglich eigentlich keiner Diskussion im Hohen Haus bedurft. Notwendig war es trotzdem, denn die formale Feststellung durch das Parlament ist die Voraussetzung, um einen Schritt zu gehen, der es in sich hat.
Saar-Finanzminister Jakob von Weizsäcker hat einen drei Milliarden Euro schweren „Transformationsfonds" auf den Weg gebracht, der als „Sondervermögen" für die Investitionen zur Verfügung stehen soll, die die Zukunft des Landes sichern sollen.
Ein überraschender und ungewöhnlicher Schritt, der im Finanzministerium ausgetüftelt worden ist. „Das hat bisher kein Land der Welt so gemacht", räumt der Finanzminister ein. Er muss es wissen. Bevor Jakob von Weizsäcker Ende April ziemlich überraschend die Aufgabe als Finanz- und Wissenschaftsminister im Saarland übernahm, war er im Bundesfinanzministerium (damals unter Leitung des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz) das, was gemeinhin als „Chefvolkswirt" bezeichnet wird (Abteilungsleiter für Grundsatzfragen und internationale Wirtschaftspolitik).
Mit dem Hintergrund dieser Erfahrungen dürfte er auch die Entwicklungen nicht nur, aber besonders seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit allen Folgen beurteilt haben, als er von einem „exogenen Schock" gesprochen hat. Vom Energiepreisschock sei das Saarland mit seiner Wirtschaftsstruktur besonders hart betroffen, es drohe eine Abwärtsspirale. Und der will sich die SPD-geführte Landesregierung mit Kraft entgegenstemmen.
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hatte mit von Weizsäcker eine veritable Überraschung für ihr erstes Kabinett präsentiert und Erwartungen (und Hoffnungen) an diese Personalie ziemlich klar formuliert: Er solle mit seinen Kontakten und Erfahrungen in Berlin und zuvor in Brüssel im Europaparlament helfen, „dass wir jeden Euro bekommen, den wir finden", also Fördertöpfe ausschöpfen, wo immer es eine Möglichkeit dazu gibt.
Jetzt organisiert er zunächst einmal eigene saarländische Kraftanstrengungen, sicher auch als Signal nach außen, dass es die Landesregierung ernst meint mit ihren Ankündigungen, die Transformation zu einem klimaneutralen Industrieland voranzutreiben. Dass dafür Maßnahmen erforderlich sind, die nicht aus einem Kernhaushalt (5,4 Milliarden Euro geplant für 2023) zu stemmen sind, war von vornherein eigentlich ziemlich klar. Ebenso klar war schon in der Vergangenheit und dürfte auch in Zukunft sein, dass das Saarland im Kernhaushalt behutsam planen muss. Daran hängen auch die jährlichen 400 Millionen Euro Sanierungshilfen.
Drei Milliarden für die Zukunft
Unabhängig davon schiebt das Land an so gut wie allen Stellen seit Langem einen enormen Sanierungsstau vor sich her. Zur Einhaltung der Schuldenbremse und als Voraussetzung für weitere Unterstützung hatte das Land jahrelang auf der Ausgabenbremse gestanden. Die Folgen sind allerorten zu besichtigen. Das wird aber auch mit dem Transformationsfonds eine Dauerbaustelle bleiben. Denn aus diesem Fonds dürfen nur die zuvor beschriebenen Projekte finanziert werden. Verlagerungen aus dem Kernhaushalt in den Fonds werde es nicht geben, betont der Finanzminister. Entsprechend stehen andere, die ihre berechtigten Interessen jetzt in Gefahr sehen, mit Kritik auf der Matte.
Von Weizsäcker selbst äußerte sich immer wieder offen für konstruktive Vorschläge. Das Ziel aber ist klar. Um das Saarland vor einer drohenden Abwärtsspirale zu bewahren, muss es einen mutigen Entwurf geben. Dass der nicht völlig frei von Risiken ist, ist den Beteiligten klar. Das sind im Kern Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, Finanzminister Jakob von Weizsäcker und Wirtschaftsminister Jürgen Barke. Im Wahlkampf hatte die heutige Regierungschefin das Ziel von 400.000 guten, heißt sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen ausgegeben. Die Entwicklung bei Ford Saarlouis hat beispielhaft gezeigt, dass dieses Ziel durchaus ambitioniert ist. Dass das Saarland im gesamten wirtschaftlichen Transformationsprozess von allen Bundesländern am schnellsten und intensivsten getroffen ist, war schon vorher mehrfach analysiert worden. Die aktuellen Entwicklungen haben den Druck massiv erhöht und die Bedingungen alles andere als vereinfacht.
Zaubern könne er auch nicht, hat von Weizsäcker an der ein oder anderen Stelle betont. Aber in gewisser Weise ist seine Haushaltsvorlage schon eine Zaubernummer. Kritiker sehen es als ein höchst riskantes Vorgehen, die Zukunft des Landes mit einer derartigen finanziellen Hypothek zu belasten. Eine zwingend notwendige für die Zukunft des Landes, meinen andere. Da war auch schon mal von einem „Befreiungsschlag" die Rede.
Die Erwartungen sind groß, die Bedenken nicht unerheblich. „Die Weltlage ist kompliziert, die Zukunft unsicher", sagt von Weizsäcker, für den die Einrichtung des Transformationsfonds für den Strukturwandel „Dreh- und Angelpunkt" ist.
Die großen Themenfelder für den Fonds sind beschrieben. Dabei gibt es einige richtig große Baustellen – im wahrsten Wortsinn. Gut 800 Millionen würden etwa zur Verfügung stehen, um die Zukunft des Ford-Geländes in Saarlouis zu gestalten, 500 Millionen für industrielle Infrastruktur, Wasserstoffwirtschaft und Stahl, dazu energetische Sanierungen öffentlicher Gebäude, Innovationsinfrastruktur an Hochschulen und etliches mehr. Ein Beirat soll die Entscheidungen im Einzelnen begleiten.
Dabei geht niemand davon aus, dass es ein beständiger Weg nach oben wird. Es wird auch Rückschläge geben, das liegt in der Natur der Sache. Dass es ein Prozess ist, der langen Atem erfordert, zeigt schon die Laufzeit von zehn Jahren. Eine Zeit, in der viel passieren und sich viel verändern kann. Auch deshalb wäre ein breiter Konsens zumindest über die Richtung der Entwicklung bei notwendiger kritischer Begleitung wichtig. Darin hat das Land vor dem Hintergrund dauerhafter Strukturveränderungserfahrungen eine gute Übung.