Als handprothesentragender, wütender Rentner Lothar Dombrowski war er von 2000 bis 2006 einer der Hauptakteure in Dieter Hildebrandts politischem TV-Kabarett „Scheibenwischer", das er ab 2003 auch leitete. Mit seinen pointierten Analysen trat er bis 2014 mit viel Erfolg auch in anderen Sendungen und bei Tourneen auf. Heute ist der 73-Jährige nur noch „Gelegenheitskabarettist".
Im Jahr 2014 verabschiedete sich Georg Schramm nach genau 29 Jahren als Solo-Kabarettist „pünktlich" zum 65. Lebensjahr mit seinem achten Programm vom Publikum. In dem Tournee-Titel „Letzte Gardine – Eine Lederhand packt ein" bezog er sich noch einmal auf seine wohl legendärste Bühnenfigur, den chronisch renitenten Rentner Lothar Dombrowski: Der altpreußische Wutbürger und Weltkriegsveteran mit der fingierten Handprothese und der pomadigen Frisur diente Schramm jahrzehntelang als Rolle, in der er mit gespielter Empörung das kapitalistische Wirtschaftssystem, den Pflegenotstand oder den herrschenden Zeitgeist pointiert kritisieren konnte. Bei seinem Abschied erklärte Schramm: „Ich hatte das Gefühl, dass Dombrowski sich in die Ecke gespielt hat und da nicht mehr rauskommt." Diesen Charakter anzupassen oder neu zu erfinden, das war für Schramm keine Alternative, denn für seinen Dombrowski wäre es die Höchststrafe, abgemildert als „Dieter Nuhr für Arme zu enden". Mit seinen anderen Bühnenfiguren, dem Oberstleutnant Sanftleben, dem Sozi August oder dem ewig kalauernden Rheinländer, hatte Schramm in seiner langen Kabarett-Karriere ein Panoptikum geschaffen, das er immer stärker von Einzelnummern zu einer Art durchkomponiertem Theaterstück mit entlarvenden Charakterstudien weiterentwickelte. Als Schramm seinen Rentner Dombrowski 2014 in den Ruhestand schickte, schloss er sich ihm gleich an: „Es ist alles gesagt. Laut Humboldt hat jeder die Verpflichtung, aus seinen Gaben das Beste zu machen. Ich habe meine Bringschuld zum Großteil abgetragen und sehne mich nach einem Stück Verantwortungslosigkeit", begründet er in der „Süddeutschen" seinen Rückzug. Das sei aber nicht aus Resignation geschehen, sondern weil er nun „ganz privaten und persönlichen Interessen und Bedürfnissen mehr Raum schenken will". Selbstkritisch konstatiert Schramm, dass ihm damals irgendwie „der Witz abhandengekommen war, der Humor". Und der drohenden Gefahr, dass sich seine weiteren Auftritte zu einer Art Volkshochschule mit erhobenem Zeigefinger entwickeln, wollte er sich nicht aussetzen.
„Es ist alles gesagt"
So ganz kann Schramm aber nicht von seiner Lieblingsfigur lassen. Zuletzt schlüpfte er im April 2021 bei der Verleihung des baden-württembergischen Kleinkunstpreises noch mal in die Dombrowski-Rolle und las den anwesenden Sponsoren zu deren Verärgerung gleich mal die Leviten. Schon zuvor war er 2017 bei einer Festrede zur Otto-Brenner-Preisverleihung, 2018 bei einer Anti-Hetze-Demonstration und 2019 als Gastredner der Partei „Die Partei" im EU-Parlament wieder mal als „Dombrowski" aufgetreten. 2020 hat Schramm dann zwei alte Versprechen eingelöst und war bei Arnulf Ratings „Politischem Aschermittwoch Berlin" aufgetreten und moderierte eine Veranstaltung im Hamburger Hansa Varieté Theater. Ansonsten tritt Schramm, der sich von Talkshows bewusst fernhält, heute vor allem mit Lesungen vors Publikum, scheut sich dabei aber etwas, eigene Texte zu lesen: „Ein komisches Gefühl im Mund, so eine leichte Fäulnis." Deshalb liest er gerne Texte von geschätzten Autoren, etwa Philip Roth oder Thomas Bernhard. So hat er 2020 im Deutschen Museum in München einen ganzen Abend mit Texten und Bildern gestaltet, die der Comic-Zeichner Nicolas Mahler zu Thomas Bernhards „Alte Meister" geschaffen hatte.
Unterwegs im Campingbus
Was kann man von Rentner Schramm noch erwarten? Ein zweites Buch vielleicht mit seinen TV-Texten „in vernünftig redigierter Form" oder doch noch mal die Bühne: „Dann aber nichts Politisches." Er könne sich sogar vorstellen, mal PR-Arbeit für Bio-Bauernhöfe zu machen. Auch glaubt Schramm, dass er der seinem Vater nachempfundenen Bühnenfigur des Sozialdemokraten August kabarettistisch „noch etwas schulde". So wäre ein Rücktritt von seinem Rücktritt für ihn kein Problem. „Aber ich bin ein Angsthase", verrät er. Vielleicht kann er sich aber doch noch mal überwinden, zumal er zugibt, zu Hause gelegentlich an einer Programmidee zu basteln mit dem Arbeitstitel „Godesberger Elegien – Eine sozialdemokratische Patientenverfügung". Georg Schramm, ein Befürworter von Genossenschaftsbanken, ist Teilhaber mehrerer landwirtschaftlicher und ökologisch engagierter Produktionsgenossenschaften. Außerdem gehört er der Stiftung des Vereins „Medico International" als Kuratoriumsmitglied an und hat der Stiftung auch schon mehrfach Honorareinnahmen zukommen lassen.
Schramm genießt heute zu Hause in Badenweiler im Markgräflerland seine kabarettistische „Verantwortungslosigkeit", liest gern in Freizeitklamotten Zeitung, geht auf dem Markt einkaufen und mit dem Hund spazieren oder nutzt seinen Campingbus für kleine Touren. Außerdem widmet er sich seinem Garten, wo er inzwischen viele seiner Trophäen und Preise untergebracht hat: „Da stehen die gut", ist er sich sicher. Die Bronzefigur des Bayerischen Kabarettpreises „macht sich sehr schön", den „Gaul von Niedersachsen" habe er „ein bisschen eingegraben, sodass nur Beine und Schwanz rausgucken" und den Schweizer „Cornichon" lasse er allmählich zuwuchern.