Weltweit sind städtische Gebiete für mehr als 70 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das Projekt „Cities Mission" hat daher das Ziel, 100 Städte klimaneutral zu machen. Strategien und Maßnahmen sind gefragt – sowohl im Großen als auch im Kleinen.
Cities Mission" lautet der Name der europäischen Aufgabe. Ihr Ziel: 100 klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030 zu schaffen. Die Mission ist auf sechs Jahre angesetzt und läuft innerhalb des weltweit größten Forschungs- und Innovationsprogramms mit dem Namen „Horizont Europa". Sämtliche Bereiche sollen umgekrempelt werden: von Stadtplanung und -gestaltung über nachhaltige urbane Mobilität bis hin zu positiven, sauberen Energiebezirken. Ausgewählt wurden 100 Städte aus den 27 EU-Mitgliedsstaaten und weitere zwölf aus Ländern, die mit „Horizont Europa" assoziiert werden. Neun der 100 Städte sind Aachen, Dortmund, Dresden, Frankfurt am Main, Heidelberg, Leipzig, Mannheim, München und Münster. „Die genauen Vorgaben für die Mission werden auf EU-Ebene, zum Teil auch parallel zum Prozess, noch erarbeitet. Insgesamt geht es darum, dass die ausgewählten Städte eine Vorreiterrolle einnehmen und Lösungen entwickeln sollen, die andere Kommunen möglichst dann übernehmen können", erklärt Jonas Geissler vom EnergieÂreferat der Stadt Frankfurt am Main. Die ausgewählten Städte dienen sozusagen als Versuchskaninchen. Innerhalb eines groben Zeitrahmens von einem Jahr erstellen sie sogenannte „climate city contracts". „Die Städte verpflichten sich zu diesen Zielen zwar nicht im rechtlichen Sinne, das heißt bei Nichteinhaltung gibt es keine Sanktionen. Aber sie erklären öffentlich, diese Ziele anzustreben und die mit dem Projekt verbundenen Aufgaben wie Maßnahmen- und Investitionspläne, Zwischenziele und ein Monitoring zu erarbeiten", so Geissler.
Auf EU- und Bundesebene wird also kräftig in Ideentöpfen gerührt, denn das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, ist ambitioniert. Damit alle mitziehen, braucht es starke Vorbilder. Die Frage ist jedoch: Was kann konkret getan werden? Und zwar nicht nur auf EU- und Bundesebene, sondern auch in den Bundesländern, Kreisen und Kommunen.
EU-Städte als Vorreiter für Kommunen
Was im Großen funktioniert, funktioniert auch im Kleinen. So hat sich beispielsweise das Projekt „Klimaschutz in kleinen Kommunen und Stadtteilen durch ehrenamtliche Klimaschutzpat:innen" zur Aufgabe gemacht, kleinen Kommunen und Stadtteilen dabei zu helfen, Klimaschutz und Ehrenamt miteinander zu verbinden. Das Verbundprojekt wird federführend von der Energieagentur Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Landesgesellschaften, Klimaschutz- und Energieagenturen in Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Thüringen umgesetzt. Es wird vom Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert. „Durch die Vernetzung mit den Verbundpartnern findet ein landesübergreifender Austausch und Know-how-Transfer statt und wir können gemeinsam die Erfahrungen aus dem erfolgreichen rheinland-pfälzischen Vorgängerprojekt nutzen", so Ina Kunz, Projektleiterin der Arge Solar. Sie ist auf der Suche nach Menschen in saarländischen Kommunen, die sich für den Klimaschutz einsetzen wollen. In einer ersten Gemeinde des Saarpfalz-Kreises konnte bereits mit der Zusammenarbeit begonnen werden. Insgesamt will das Projekt 15 Kommunen akquirieren. Doch noch immer bleibt die Frage: Was sind die konkreten Maßnahmen?
Die saarländischen Kreisstädte Saarbrücken, Saarlouis und Neunkirchen geben Antworten. Alle drei Städte haben eine lange Liste von Klimaschutzmaßnahmen. Manche wurden bereits in die Tat umgesetzt, andere stehen noch aus. Auch wenn die Listen noch ausbaufähig sind, stellen sie zumindest einen Anfang dar.
Im Saarlouiser Projekt „Stark" werden Strategien entwickelt, damit die Stadt eine höhere Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels aufbaut. Vor dem Hintergrund der lang anhaltenden Hitze in den Sommermonaten wurde mithilfe einer Thermografie-Befliegung eine Wärmekarte für die Innenstadt und das Industriegebiet Lisdorfer Berg erstellt. Brunnenanlagen für die Innenstadt sollen die Sommer künftig erträglicher machen. Auch eine Niederschlagswasser-Modellierung für diverse Regenereignisse ist Teil des Projektes. Verschiedene innerstädtische Aufenthaltsplätze werden auf die Punkte Versiegelungsverzicht, Grundwasservorkommen, Begrünung und Wasserflächen überprüft. Dazu will die Stadt mit der Beschlusslage „1.000 Bäume für Saarlouis" ein Alleenkonzept in möglichst vielen Straßenbereichen umsetzen. Für eine Förderung wurde im Rahmen des Bundesprogramms „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel" ein Antrag erstellt. Dieses fördert Städte mit einer Summe von insgesamt einer Million Euro. Im Rahmen des „Hausbaumprojektes" werden Saarlouiserinnen und Saarlouisern auf Antrag kostenlose Bäume in ihre Vorgärten gepflanzt. Dazu richtet die Stadt ihren Fokus darauf, Flächen zu entsiegeln und Gewässer zu renaturieren.
Zusammenarbeit erleichtert Klimaschutz
Auch die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken will Flächenversiegelung auf ein Minimum reduzieren und zunehmend Frei-, Dach- und Fassadenflächen begrünen. Durch Zuschüsse sollen vor allem Privatpersonen dazu motiviert werden, bestehende Flächen zu entsiegeln. Im April wurde in der Paul-Marien-Straße und der Egon-Reinert-Straße ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde durchgesetzt. In einem Modellversuch plant Saarbrücken Tempo 30 in 14 weiteren Hauptverkehrsstraßen. Die Stadt wurde 2009 als erste deutsche Fairtrade-Stadt ausgezeichnet und rief 2019 den Wettbewerb „Fairnünftiges Unternehmen" ins Leben. Er richtet sich an Saarbrücker Betriebe, die sich in besonderem Maße durch fairen Handel sowie soziales und lokales Engagement oder Nachhaltigkeit auszeichnen. Die „Koordinierungsgruppe Energie" aus Vertreterinnen und Vertretern von Energie Saarlorlux und den Stadtwerken Saarbrücken wurde von Oberbürgermeister Uwe Conradt gegründet, um einer Versorgungskrise im Winter mit Energiesparmaßnahmen vorzubeugen. Effizientere Energiekonzepte nützen bekanntlich auch der Umwelt. Dazu organisiert die Stadt gemeinsam mit der saarländischen Verbraucherzentrale Infoveranstaltungen zu Energiethemen.
Neunkirchen hat bereits Anfang 2020 die städtische „Klima-Offensive" mit einem Maßnahmenpaket beschlossen. Dazu gehört ebenso das „Klimaprojekt Neunkirchen" aus dem Jahr 2010, bestehend aus der Stadtverwaltung, dem regionalen Energieversorgungsunternehmen KEW und der Sparkasse Neunkirchen. Das Projekt hat eine langfristige Ausrichtung und will über verschiedene Veranstaltungen zum Thema Klima aufklären. Neue Schwerpunkte sollen (Plastik-)Müll, Ernährung, Wasser und Naturschutz sein. Auch Schulen werden aktiv eingebunden. Die Stadt verfolgt außerdem einen verstärkten Ausbau von Photovoltaikanlagen mit dem Ziel, konventionellen Strom durch erneuerbare Energie zu ersetzen. Elf davon plus weitere neun Kollektoranlagen sind unter anderem auf den Dächern des Gymnasiums am Steinwald, dem Restaurant am Zoo, dem Ellenfeldstadion, der Turnhalle der Bachschule, der Sporthalle Wiebelskirchen und der Kindertagesstätte in der Goethestraße montiert. Die komplette Neunkircher Straßenbeleuchtung wurde auf LED umgestellt, und in der Innenstadt soll ein Trinkwasserbrunnen installiert werden. Dazu konnte die Stadt ein „Klimaschutznetzwerk" aus Landkreis-Kommunen bilden. Es besteht aus insgesamt neun Partnern und soll unter anderem dabei helfen, Förderanträge zu stellen und Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Denn in vielen Städten kommt es gar nicht erst zur Umsetzung von Maßnahmen, da sie aus Zeit- und Personalnot bereits daran scheitert, korrekte Förderanträge zu stellen.
Auch wenn die Strategien der Städte noch ausbaufähig sind, stellen sie zumindest einen Anfang dar. Während große Visionen häufig abstrakt wirken, machen konkrete Maßnahmen, so klein sie auch scheinen, Klimaschutz greifbarer. Am Ende braucht es aber beides. Und alle müssen zu dieser Mission ihren Teil beitragen.