Die Basketballerinnen von Alba Berlin sind nach dem Aufstieg in der neuen Bundesliga-Saison wie erwartet nicht sofort durchgestartet. Das Team soll sich langfristig an die Spitze herantasten – das aber mit der Alba-DNA.
Als die Basketballer vom deutschen Meister Alba Berlin das Parkett verließen, lichteten sich in der Max-Schmeling-Halle schon ein wenig die Reihen. Trotzdem harrten immerhin noch viele Hundert Zuschauer aus, um sich das anschließende erste Heimspiel der Alba-Frauen in der Bundesliga anzusehen. Darunter waren auch zahlreiche Profis aus dem Männer-Team, die frisch geduscht auf eine Überraschung ihrer Vereinskolleginnen hofften. So eine Kulisse und so einen Druck waren die meisten Spielerinnen nicht gewohnt, und so war es nicht verwunderlich, dass einige von ihnen mit großen Augen und offenen Mündern einliefen. Spielmacherin Deeshyra Thomas hatte in ihrer Aufregung sogar fast vergessen, die Schiedsrichterin abzuklatschen.
Vielleicht war es auch der Aufregung geschuldet, dass das Team von Trainer Cristo Cabrera gegen die Rutronik Stars Keltern keinen Stich sahen und mit 73:98 verloren. Trotz der stimmungsvollen Unterstützung von den Rängen. „Keltern ist eins der besten Teams der Liga und spielt auch stark auf europäischem Level", begründete Sportdirektor Himar Ojeda die erwartbare Niederlage. Albas Weg zum Erfolg sei auch bei den Frauen langfristig angelegt, betonte er: „Nicht mal eben schnell mit Geld von den Sponsoren der Männer, sondern eigenständig, mit einem eigenen Etat und Geschäftsplan. Sie sollen ihre eigenen Fans haben, ihre eigenen Sponsoren."
Sportlich gesehen war es ein halber Erfolg
Sportlich war der erste Bundesliga-Doppelspieltag in der Geschichte von Alba Berlin am 23. Oktober also nur ein halber Erfolg: Die Männer-Mannschaft hatte kurz zuvor die MLP Academics Heidelberg mit 78:70 besiegt. Doch gerade für die Basketballerinnen des Hauptstadtclubs bleibt der Tag unvergessen – auch wenn das Ergebnis ernüchternd war. „Wir haben schon gehofft, dass wir unter 20 bleiben", sagte Stefanie Grigoleit. Allerdings zählt Keltern, das zuletzt 2021 den Meistertitel gewonnen hat, nicht ohne Grund zu den stärksten Teams, und Alba ist als Aufsteiger in der Bundesliga in vielen Partien Außenseiter. „Wir sind ganz am Anfang unserer Entwicklung", erklärte Grigoleit, „aber wir kommen da schon hin, wo wir hinwollen".
Das Ziel ist relativ klar: Erfolg mit der Alba-DNA. Die Frauen-Mannschaft setzt ähnlich wie ihr männliches Pendant auf einen Spielstil, der viel auf Ballzirkulation, Bewegung und individuelle Freiheiten beruht. Das ist zum einen von der Vereinsführung so gewollt, zum anderen aber auch in der Herkunft des Cheftrainers begründet: Cabrera ist Spanier und als solcher natürlich mit den Lehren der Trainer-Ikone Aíto García Reneses betraut, der Albas Männer-Team von 2017 bis 2021 sportlich auf ein neues Niveau hob und eine in Europa unverkennbare Philosophie implementierte. Reneses Nachfolger Israel González führt dieses Erbe im Männer-Team weiter, und Cabrera versucht, die Philosophie bei den Frauen Schritt für Schritt durchzusetzen. Doch so etwas braucht Zeit. „Wir haben einen ähnlichen Stil wie das Herren-Team", sagte Point Guard Lena Gohlisch. Dabei gehe es nicht einfach nur darum, alles Eins-zu-eins zu kopieren, nur weil man im gleichen Club spiele. „Es ist einfach ein sehr erfolgreicher Stil", so Gohlisch, „da können wir sehr viel mitnehmen. Wir versuchen, den gleichen Team-Basketball zu spielen wie die Herren."
Die Spielweise mag ähnlich sein, die Ziele aber unterscheiden sich (noch) deutlich. „Unser Ziel ist es, in der Liga zu bleiben. Im Vordergrund steht aber auch weiterhin unsere Philosophie – wir wollen besser werden und wachsen", sagte Albas Sportdirektor Ojeda über die Basketballerinnen bei RBB. Ojeda musste in diesem Sommer erstmals gleich zwei Kader planen. Dabei war ihm entgegengekommen, dass es bei den Männern diesmal keinen großen Umbruch gab. Umso mehr Arbeit konnte er in den Aufbau einer bundesligatauglichen Frauen-Mannschaft stecken. „Es ist ein großer Sprung", meinte der Sportdirektor, „der Wettbewerb ist viel größer, die Qualität der Spielerinnen viel höher." Der Kern der Aufstiegsmannschaft wurde zwar erhalten, durch externe Spielerinnen mit größerer Erfahrung aber verstärkt. Eine Schlüsselverpflichtung war die von Deeshyra Thomas. Die Aufbauspielerin bringt viel Klasse und Führungsqualitäten mit. „Man kann von unserem Team viel Energie erwarten", sagte die US-Amerikanerin: „Jede Spielerin wird 100 Prozent geben, und wir werden einfach schönen Basketball spielen."
Sömmeringhalle hat historische Bedeutung
Thomas ist nur eine von sechs Vollzeitspielerinnen im Kader, die Professionalisierung im Frauen-Basketball ist noch nicht überall komplett vorangeschritten. Das macht sich auch beim Scouting und den Transferaktivitäten bemerkbar, wie Ojeda verriet. „Es ist bei den Frauen viel schwerer, den gleichen Job zu machen, den ich bei den Männern mache", sagte er angesichts des Informationsmangels bei den Spielerinnen-Profilen. Videos von den besten Szenen gibt es – wenn überhaupt – meist nur von zusammengeschnittenen Sequenzen durch die Akteurin selbst. „Ich investiere deshalb sehr viel Arbeit, um noch mehr Spielerinnen besser kennenzulernen", sagt Ojeda. Eine gute Gelegenheit dafür seien die Vertragsverhandlungen: „Bei den Männern geht es um die großen Zahlen, bei den Frauen zählt jede Kleinigkeit." Seit 14 Jahren existiert die Frauen-Abteilung bei Alba, seit dem Aufstieg in die Bundesliga ist das Interesse spürbar gestiegen. „Wir merken, dass jetzt schon ein deutlich größeres Interesse da ist. Natürlich zieht die Bundesliga mehr als die zweite Liga", sagte Gohlisch. Wie viele Zuschauer man am Ende wirklich zu den Spielen locken könne, „hängt sicherlich auch ein bisschen davon ab, wie wir uns präsentieren". In den ersten drei Saisonspielen gab es einen Sieg zum Auftakt gegen GiroLive Panthers Osnabrück und anschließend zwei Niederlagen. Eine ausbaufähige, aber nicht überraschende Startbilanz. Das nächste Liga-Spiel steht am 5. November gegen die inexio Royals Saarlouis auf dem Programm – diesmal aber in einer schmucklosen Nebenhalle der Max-Schmeling-Halle. Die Heimspiele danach tragen die Alba-Frauen in der Sömmeringhalle aus, die Renovierungsarbeiten am Glasdach sind dann beendet.
Der Umzug nach Charlottenburg greift tief in die Vereinshistorie hinein. 1991 war die Sömmeringhalle der Startpunkt für den Club, der aus der BG Charlottenburg hervorgegangen war. In der 2500 Zuschauer fassenden Halle trug das Männerteam bis 1997 seine Heimspiele aus. „Ich freue mich sehr, dass wir den Frauen von Alba eine Heimat geben können und dass der Verein damit quasi zu seinen Wurzeln zurückkehrt", sagte die Sport-Bezirksstadträtin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Heike Schmitt-Schmelz (SPD). Auch bei Alba ist die Vorfreude groß. Um erfolgreich zu sein brauche es „einen Ort, an dem sich eine neue Fangemeinde versammeln" könne, meinte Ojeda. Und die Sömmeringhalle sei dafür perfekt: nicht zu groß, nicht zu klein – „und sie hat dazu eine so große historische Bedeutung für unseren Verein". Ob die Basketballerinnen irgendwann wieder in die Max-Schmeling-Halle zurückkehren und dort auf der ganz großen Bühne performen dürfen, wird die Zeit zeigen. Der Doppelspieltag mit den Männern hat in jedem Fall Lust auf mehr gemacht. „Für uns war es immer eine große Vision, eines Tages mit zwei Teams Bundesliga-Basketball in Berlin bieten zu können. Dafür haben wir einiges investiert, und das werden wir auch weiterhin tun", sagte Geschäftsführer Marco Baldi. Auch Sportdirektor Ojeda schwärmte von einem „besonderen Basketballtag", den man irgendwann gern wiederholen wolle.