Der aus Saarlouis stammende Bestsellerautor Arno Strobel stellt demnächst im Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg seinen neuen Psychothriller „Fake" vor.
Herr Strobel, lassen Sie uns versuchen, Ihren neuen Thriller mit wenigen Sätzen zu umkreisen: Ein Paar frühstückt. Die Polizei steht vor der Tür, und Patrick Dosterts Leben gerät aus den Fugen, weil …?
Weil etwas passiert, womit man allgemein nicht rechnet. Man verlässt sich auf unser Justizsystem und darauf, wenn man sich nichts zu Schulden kommen lässt, dass einem in unserem Land nichts passieren kann. Genau dieses Grundvertrauen wird Dostert entzogen. Ihm wird der Boden unter den Füßen weggezogen.
Sie siedeln ihre Geschichten gern in der Mitte des Alltags an, so, als könnte dem Leser Ähnliches geschehen …
Genau!
Sind es Zufälle und Ereignisse aus Ihrem Alltag, die Sie auf eine Buch-Idee bringen?
Gott bewahre, wenn ich das alles erlebt hätte – auch nur annähernd –, was ich bisher in meinen Büchern verwendet habe, würde ich wahrscheinlich irgendwo in einer psychiatrischen Einrichtung sitzen. Das also nicht, aber es entstehen Buchideen durchaus sehr, sehr häufig durch Beobachtungen, die ich in meinem Umfeld mache. Alltägliches, das ich mit anderen Augen sehe und dahingehend erweitere, dass ich die für Autoren alles entscheidende Frage stelle: Was wäre wenn? Daraus entstehen Geschichten.
Die Ängste, mit denen Sie sich in Ihren Büchern befassen und beim Leser aufkommen lassen, sind das eigene Ängste, die durch das Schreiben gebannt werden?
Größtenteils nein. Bis auf eine Ausnahme. Ich habe ein Buch geschrieben, das „Der Sarg" heißt. Da geht es um das Thema lebendig begraben sein. Da habe ich tatsächlich eine meiner Urängste verarbeitet.
Wenn Sie mit dem Schreiben beginnen, kennen Sie dann bereits den Plot, oder entwickelt er sich während des Schreibens?
Wenn ich mit dem Schreiben beginne, weiß ich de facto drei bis vier Dinge. Ich habe natürlich die Idee der Geschichte, drei bis fünf Protagonisten, die die Geschichte tragen sollen, und ich kenne das Ende – das ist ganz wichtig. Den Plot an sich kenne ich, aber die Nuancen, die verschiedenen Wege, die meine Protagonisten gehen, die entwickeln sich während des Schreibens.
„Ich setze mich selbst unter Druck"
Ihr Thriller stellt die Frage nach Fakt und Fake im digitalen Zeitalter. Es geht auch um Vertrauen in den Rechtsstaat, Sie haben es angesprochen. Aber auch um zwischenmenschliches Vertrauen, oder?
Ja, das ist ja das, was mein Protagonist erleben muss. In dem Moment, in dem er eines schweren Verbrechens verdächtigt wird, brechen nach und nach seine vermeintlichen Freunde und Bekannten weg und wenden sich von ihm ab. Man sagt ja nicht umsonst: Wer meine Freunde sind, weiß ich erst dann, wenn Schwierigkeiten auftauchen.
Sie verfügen als Programmierer und Netzwerktechniker über Kenntnisse im IT-Bereich. Glauben Sie, die Menschheit ist zu sorglos im Umgang mit Daten?
Definitiv. In den Anfangszeiten, als erstmals in Unternehmen Computer eingesetzt wurden, war es so, dass die Menschen überhaupt nicht sensibilisiert waren für Daten und Angriffe von außen. Das hat sich mittlerweile eingependelt, aber jetzt zeigen sich andere Gefahren, und damit meine ich die Künstliche Intelligenz und die technischen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Das läuft darauf hinaus, dass wir unseren Sinnen nicht mehr vertrauen können. Die Menschen sind zu sorglos, lassen sich zu leicht täuschen – das ist sehr gefährlich. Das habe ich im Buch ja auch entsprechend thematisiert.
Ihre Anstellung bei einer Bank haben Sie 2014 gekündigt, seither leben Sie vom Schreiben. Stehen Sie als Bestseller-Autor mehr unter Druck wegen der Erwartungshaltung der Leserschaft?
Ja, aber der Druck entsteht nicht von außen, auch nicht durch den Verlag. Den Druck mache ich mir selbst. Ich lebe seit acht Jahren vom Schreiben und habe vor, das auch weiterhin zu tun; das bedingt, dass meine Bücher entsprechend erfolgreich bleiben und sich verkaufen, damit setzte ich mich selber unter Druck. Aber auch, weil ich mir die Frage stelle: Kann ich die Erwartung meiner Leser immer wieder erfüllen? Ich habe eine Stammleserschaft, die immer wieder ein Buch blind kauft, unabhängig vom Thema, einfach, weil es ein Buch von mir ist. Das sind meine Ängste, dass ich diese enttäusche, und sie sagen: Oh, das hat mir gar nicht gefallen. Ich betrachte das, was ich geschrieben habe, sehr kritisch, was manchmal dazu führt, dass ich den Text immer noch mal und noch mal durchgehe, weil ich denke, es ist noch nicht gut genug und entspricht meinen Ansprüche noch nicht.
Sie engagieren sich für einen Verein, der Kriminalitätsopfer unterstützt, den Weißen Ring. Erst kürzlich hat der darauf aufmerksam gemacht, dass nur jedes dritte Opfer von Gewalt Hilfe vom Staat erhält. Bundesweit werden nur 34,5 Prozent der Anträge auf Unterstützung nach dem Opferentschädigungsgesetz anerkannt. Hat Sie dieser aufschreckende Befund motiviert, Betroffene zu unterstützen?
Definitiv, das ist genau das, was mich motiviert hat, diesen Verein zu unterstützen. Ich bin der Meinung, es ist unsere Pflicht, als Bürger, als Staat, dort einzugreifen. Leider sieht es in der Realität so aus, dass diese Opfer von uns im Stich gelassen werden. Wir bemühen uns sehr um die Resozialisierung von Tätern, was richtig ist, aber mir ist das zu einseitig. Diejenigen, deren Leben oftmals durch das, was ihnen angetan wurde, zerstört wird oder die traumatisiert sind, diese Menschen werden kolossal im Stich gelassen. Dass die finanziellen Mittel, die aufgebracht werden müssen, um diese Menschen wenigstens halbwegs an die Hand zu nehmen, dass die zu großem Teil aus privater Hand und nicht vom Staat kommen, das ist, ich kann es nicht anders sagen: eine Sauerei. Wir setzten da, glaube ich, vollkommen falsche Schwerpunkte. Ich versuche das mit dem bescheidenen kleinen Teil, der mir möglich ist, ein bisschen zu egalisieren.