„Good Grief" (übersetzt: positive, gute Trauer) ist nun nicht direkt das erste Album, das hörbar der Verarbeitung eines Traumas dient. Aber auf jeden Fall ein hörenswertes. Der/die queere Bells Larsen verlor seine/ihre erste Liebe im zarten Alter von 19 Jahren. Ein fünfjähriger Prozess steht hinter den Liedern dieses im Ergebnis sehr reinigenden Albums. Endlich sei die Trauer bearbeitet, sagt Larsen mittlerweile. Und: „Ich kann sagen, dass ich jeden Tag liebe." „Good Grief" eröffnet mit wenigen Takten einer Coverversion von Sufjan Stevens’ „The Predatory Wasp of the Palisades is Out to Get Us!". Unter den Stimmen dieser Lagerfeuer-Aufnahme, auf der mehrere Zehntklässlerinnen und Zehntklässler zu hören sind, befindet sich sowohl jene von Larsen als auch jene der verstorbenen großen Liebe. So eröffnet auf jeden Fall schon mal ein veritabler Gänsehautmoment dieses bemerkenswerte Debüt. Es folgt mit „Tongue Tied" ein sparsam gepicktes Folk-Kleinod, welches Bells Larsen direkt in die Nähe von Joni Mitchell, Elliott Smith oder eben Sufjan Stevens rückt. Keine üble Verwandtschaft. „Double Aquarius" behält diesen zartgewobenen Gestus zunächst bei, geht indes alsbald aber mittels Schlagwerk und Bass-Puls in die rhythmische Offensive. Und verspielte Orgelschlieren demonstrieren unmissverständlich: Hier drängt jemand mit aller Kraft (und im Verbund mit der notwendigen Verarbeitung) heraus aus dem emotionalen Loch. In schmerzhafter Erinnerung schwelgt danach „Teenage Love". Insgesamt kann man sagen: Ein leiser, klarer, bedachter Ton durchzieht dieses beeindruckend authentische Album, trägt es, erhellt es. Auf fein gewebte Melodien wird dabei nie verzichtet, der Gesang scheint sich förmlich daran festzuhalten. Auch die verlässlich auftauchenden rhythmischen Temperaments-Offerten wirken haltgebend. Und sie wissen zudem auch Hörerinnen und Hörer an die Hand zu nehmen. Regelrecht beschwingt sogar poltert „Say Something" daher. Gleichwohl ist es Larsens Stimme nicht gegeben, größeres Volumen zu entwickeln. So schmiegt diese sich mit zarter Finesse auch an mitunter befreiende Momente schierer Lebenslust.
KULT[UR]
Foto: Getty Images / AleksandarGeorgiev
CD-Tipp: Raus aus der Trauer
Bells Larsen: Good Grief. Label: Outside Music. Laufzeit: 44 Minuten.
Kult[ur] - CD-Tipp
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